Ralf Plogmann ist Vorstand des Caritasverbandes für den Kreis Unna.

Ralf Plogmann ist Vorstand des Caritasverbandes für den Kreis Unna. Die Sparpläne der Bundesregierung bei der Migrationsberatung kritisiert er scharf. © Henryk Brock

Kürzung bei Migrationsberatung: „Das ist echt unverschämt“

rnFlüchtlinge im Kreis Unna

Die Bundesregierung will Geld bei der Migrationsberatung sparen. Sie sei nicht effizient genug. „Unverschämt“ finden das Vertreter der Wohlfahrtsverbände im Kreis Unna.

von Kevin Kohues

Kreis Unna

, 15.09.2022, 04:50 Uhr / Lesedauer: 2 min

Yuliya Rubinets ist selbst Ukrainerin, spricht hervorragend Deutsch und arbeitet in der Migrationsberatung des Caritasverbandes für den Kreis Unna. Sie hilft Zuwanderern – zumeist Flüchtlingen – dabei, in Deutschland an- und zurechtzukommen. „Wer noch kein Deutsch kann, ist mit dem Ausfüllen von Formularen überfordert“, sagt sie beispielhaft und verweist auf die diversen nötigen Behördengänge und Anträge, Wohnungs- und Arbeitssuche. Vor dem Hintergrund steigender Flüchtlingszahlen nicht nur aus der Ukraine wird die Arbeit von Yuliya Rubinets eigentlich wichtiger – könnte man jedenfalls meinen.

Die Ukrainerin Yuliya Rubinets arbeitet in der Migrationsberatung des Caritasverbandes für den Kreis Unna.

Die Ukrainerin Yuliya Rubinets arbeitet in der Migrationsberatung des Caritasverbandes für den Kreis Unna. © Henryk Brock

Die Bundesregierung sieht hier allerdings offenbar Sparpotenzial, will die vorgesehenen Haushaltsmittel im nächsten Jahr um ein Drittel kürzen. Hintergrund: Der Bundesrechnungshof hatte moniert, dass die sogenannte Migrations-Erstberatung zu oft den vordefinierten Zeitraum von drei Jahren überschreiten würde und deshalb ineffizient sei. Eine Einschätzung sehr zum Ärger der heimischen Wohlfahrtsverbände. Neben der Caritas kümmern sich kreisweit auch DRK, Awo und das Multikulturelle Forum Lünen um Migrationsberatung.

Integration dauert oft fünf bis sechs Jahre

„Echt unverschämt“ finde er die Pläne, sagt Caritas-Vorstand Ralf Plogmann. „Erst will man die Menschen hier aufnehmen und dann kappt man die Integration mit dem Rasenmäher.“ Dass Integration in drei Jahren gelinge, sei tatsächlich oft nicht der Fall. Es seien oft fünf bis sechs Jahre, bis Spracherwerb, Wohnungs- und Jobsuche erfolgreich abgeschlossen sind. „Die Menschen sind teils traumatisiert durch Kriegserfahrungen, die schicken nicht am nächsten Tag ihre Kinder hier in den Kindergarten“, bekräftigt Plogmann in Richtung der Bundestagsabgeordneten, die seiner Einladung zum Austausch gefolgt sind.

Austausch mit Abgeordneten (v.l.): Michael Sacher (MdB Grüne), Daniel Wilms, Vorstand DRK-Kreisverband Lünen e.V., Oliver Kaczmarek, MdB SPD, Christine Adolf, Migrationsberatung Caritasverband, Hubert Hüppe, MdB CDU, Yuliya Rubinets, Migrationsberatung Caritasverband, Dr. Johannes Kudera, Diözesancaritasverband Paderborn, Wilhelm Schulten, Fachbereichsleiter Migration DRK-Kreisverband Lünen e.V., Ralf Plogmann, Vorstand Caritasverband und Nasser Ilayyan, Multikulturelles Forum e.V.

Austausch mit Abgeordneten (v.l.): Michael Sacher (MdB Grüne), Daniel Wilms, Vorstand DRK-Kreisverband Lünen e.V., Oliver Kaczmarek (MdB SPD), Christine Adolf, Migrationsberatung Caritasverband, Hubert Hüppe (MdB CDU), Yuliya Rubinets, Migrationsberatung Caritasverband, Dr. Johannes Kudera, Diözesancaritasverband Paderborn, Wilhelm Schulten, Fachbereichsleiter Migration DRK-Kreisverband Lünen e.V., Ralf Plogmann, Vorstand Caritasverband und Nasser Ilayyan, Multikulturelles Forum e.V. © Henryk Brock

Oliver Kaczmarek (SPD), Hubert Hüppe (CDU) und Michael Sacher (Grüne) hören und sehen auch Beispiele gelungener Integration. Yuliya Rubinets zeigt drei junge Männer, die aus Syrien im Herbst 2015 in den Kreis Unna gekommen sind. Alle drei haben es inzwischen geschafft, aber sie haben eine weite Strecke hinter sich.

„Es wäre unseriös zu sagen: Wir kriegen das schon hin, aber wir nehmen das mit.“
Oliver Kaczmarek (SPD)

Mithilfe der Migrationsberatung führte ihr Weg aus einer städtischen Unterkunft über eine gemeinsame WG bis in die Selbstständigkeit. Der Eine ist inzwischen Kfz-Mechatroniker, der Nächste Glasfaser-Techniker bei den Stadtwerken in Schwerte, der Dritte hat sich sogar einbürgern lassen, seine Verlobte hierher geholt und eine Familie gegründet. „Sie alle sind heute völlig unabhängig von Sozialleistungen“, erklärt Rubinets.

Es sind Beispiele für Integration, wie man sie sich wünscht, und zugleich eine wichtige Hilfe im Kampf gegen den Fachkräftemangel auf dem Arbeitsmarkt. Aber klar ist auch: Es ist oft ein mühevoller Weg, die Menschen aus dem Sozialleistungsbezug in Arbeit zu bringen, und er kostet eben auch Geld. Hubert Hüppe (CDU) gab zu bedenken, dass der Bundesrechnungshof Doppelstrukturen verhindern wolle und es für längerfristige Beratung und Hilfe ja auch das Kommunale Integrationszentrum gebe.

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Über den Haushalt ist noch nicht entschieden

Alle drei Abgeordneten versprachen, das Thema mit nach Berlin und in ihre Fraktionen zu nehmen. Über die Mittelverteilung im Haushalt sei noch nicht final entschieden, betonte Oliver Kaczmarek (SPD). Er sei über die Pläne zur Kürzung bei der Migrationsberatung nicht glücklich. „Es wäre unseriös zu sagen: Wir kriegen das schon hin, aber wir nehmen das mit“, versprach er.

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