Ukrainerin trifft in Lüner Klinik auf Arzt aus Russland Hilfe kennt keine Grenzen

Ukrainerin trifft auf Arzt aus Russland: Hilfe kennt keine Grenzen
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In Todesangst leben die Menschen in der Ukraine seit Putin ihr Land brutal überfallen hat. Valentyna Shevets (38) und ihr Mann Holamreza Bekhamand (41) haben vor einem Jahr in Kiew schnell zwei Rucksäcke gepackt. Nur das Nötigste kam mit, vor allem Dokumente. Sie ließen alles zurück, sogar Hund und Katze. Beide versorgt jetzt der Bruder. Über Polen ging es nach Bergkamen. Hier lebt die Schwägerin. Ein Anker in der Fremde.

Leid und Zerstörung in der Heimat verfolgt das Paar jeden Tag. Per Handy halten die beiden Kontakt nach Kiew, mit der Mutter telefonieren sie oft. Inzwischen sind sie in eine Einzimmerwohnung in Bergkamen gezogen und lernen in einem Deutschkurs. Elf Monate leben Valentyna und Holamreza jetzt hier.

Inmitten der Sorgen hat sich das langersehnte Baby angekündigt. Ein Wunschkind. Das Paar ist überglücklich. Doch die Stresssituation fordert ihren Tribut. Valentyna leidet an Schwangerschaftserbrechen. So stark, dass sie ins St. Marien Hospital Lünen musste.

Multikulturelles Ärzteteam

Im Ärzteteam der Lüner Frauenklinik sind viele Nationalitäten vertreten.
Im Ärzteteam der Lüner Frauenklinik sind viele Nationalitäten vertreten. © Grundmann

In der Frauenklinik arbeitet ein multikulturelles Team. Elf Ärzte aus sieben Nationen. Alle sprechen deutsch. Oberarzt Igor Tews (62) kam vor knapp 30 Jahren aus Sibirien. Seine Vorfahren sind Russlanddeutsche. Oberärztin Hasmik Agadshanjan ist gebürtig aus Georgien. Weltpolitik wird hier nicht diskutiert. Es geht um ärztliche Hilfe und menschliche Zuwendung - über alle Grenzen hinweg. Völkerverständigung und gelebter Frieden, während der Krieg in Europa kein Ende findet.

Für Valentyna ist es kein Problem, von einem Arzt mit deutsch-russischen Wurzeln behandelt zu werden. Auch ihre niedergelassene Gynäkologin stammt aus Russland. Im Gegenteil: Sie ist dankbar für die Hilfe und froh, sich mit den Ärzten unterhalten zu können. Igor Tews fragt stets nach, bevor er Patientinnen auf russisch anspricht. Vorbehalte wegen der Kriegssituation hat er bisher noch nie erlebt. Eher Erleichterung über die Möglichkeit der Verständigung. Wie bei Valentyna.

Chefarzt Dr. Donat Romann schätzt die kulturelle Vielfalt seines Teams. „Gerade bei schweren Diagnosen wie Krebs, Fehl- oder Totgeburten sind Sprachprobleme eine große Belastung“, weiß er. Der Google-Übersetzer hilft, aber längst nicht so, wie direkte Verständigung. Die Ärzte kommunizieren in unterschiedlichen Sprachen, von englisch, arabisch und französisch, bis türkisch oder griechisch.

Anerkennung der Qualifikation

Oberarzt Igor Tews war längst ausgebildeter Facharzt, als er nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nach Deutschland kam. Das Gesundheitssystem dort lag am Boden, es gab keine medizinische Hilfe für seine Kinder. Hier musste der Russlanddeutsche drei Jahre auf die Anerkennung seiner ärztlichen Qualifikation warten. Er hat in dieser Zeit unentgeltlich gearbeitet, um Fuß zu fassen. An der deutschen Bürokratie habe sich auch nach 30 Jahren nicht viel geändert, berichtet Romann.

Das erlebt momentan auch der Ehemann von Valentyna, der promovierte Physiker Holamreza Bekhamand. Seine Ausbildung möchte er hier anerkennen lassen. Seine Frau hat in Kiew als Buchhalterin gearbeitet.

Eigentlich wollen beide wieder in die Ukraine zurück, wenn der Krieg vorbei ist. Sie haben Heimweh. Zum Glück ist ihre Familie bisher von Tod und Verletzungen verschont geblieben, das ist allerdings in ihrem Bekanntenkreis nicht so. Beide werden weiter die deutsche Sprache lernen. Holamreza kann sich auch vorstellen, hier zu arbeiten und zu bleiben - wenn er denn eine berufliche Möglichkeit dazu bekommt.

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