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Treppenlift am Hauptbahnhof in Lünen defekt: Wirrwarr um Zuständigkeit
Barrierefreiheit
Weil der Treppenlift zum Bahnsteig defekt war, erreichte eine Rollstuhlfahrerin aus Lünen ihren Zug nicht. Der Lift soll schon mehrere Monate defekt sein. Die Bahn fühlt sich nicht zuständig.
Obwohl sie rechtzeitig am Bahnhof war, verpasste Louise Wißmann am Dienstag (6.7.) ihren Zug nach Werne. Weil die Lünerin im Rollstuhl sitzt, wollte sie den Treppenlift zu den Gleisen 3 und 4 nehmen. Daraus wurde allerdings nichts.
Enttäuscht und traurig
An der Wand hinter dem Treppenlift befindet sich eine Klingel – „AWO Radstation“ ist darauf zu lesen. Bedient werden kann der Lift nämlich nur von Personen mit entsprechendem Schlüssel. Louise Wißmann betätigte die Klingel, aber: „Darauf gab es keine Reaktion“, so die 28-Jährige.
Also fragte Wißmann in der Radstation nach, wer für sie den Treppenlift bedienen könne. Dort wurde ihr mitgeteilt, dass der Treppenlift defekt ist. Tatsächlich ist am Gerät ein blankes Kabel zu sehen, an dessen Ende eigentlich ein Bedienteil hängen sollte.

Das Bedienteil des Treppenlifts fehlt. Vermutlich schon seit längerer Zeit. © Dennis Görlich
„Mir wurde gesagt, dass dies der Deutschen Bahn seit mehreren Monaten bekannt sei“, berichtete Wißmann noch am selben Tag in einer Lüner Facebook-Gruppe. „Ich bin enttäuscht und traurig über diese Erfahrung“, schreibt die Lünerin von ihrem Versuch mit dem Zug zu fahren.
Jobangebot abgelehnt
Die Mitarbeiter der Radstation hätten ihr zwar angeboten, sie die Treppen hochzutragen, das habe Wißmann allerdings abgelehnt. Der Grund ihrer geplanten Reise war nämlich ein Bewerbungsgespräch für einen Job in Werne. „Dann hätten die mich jeden Tag die Treppen hochtragen müssen“, merkt Wißmann an.
Ihre Assistenz musste sie schließlich mit dem Auto nach Werne fahren, um rechtzeitig zum Bewerbungsgespräch zu erscheinen. Da stand für sie jedoch bereits fest, dass sie die angebotene Stelle nicht annehmen werde – weil sie den Zug nicht erreicht.
Die Deutsche Bahn reagierte auf Louise Wißmanns Beitrag bei Facebook: „Der Kollegin vor Ort war nicht bekannt, dass der Treppenlift seit längerem defekt sein soll und sie hat die Störungsmeldung aufgenommen.“

Niemand fühlt sich zurzeit zuständig für den defekten Treppenlift. © Dennis Görlich
Dabei sieht sich die Deutsche Bahn offenbar überhaupt nicht zuständig, wie ein Sprecher am Freitag (9.7.) auf die Anfrage unserer Redaktion von Mittwoch erklärt. „Auf Initiative der Stadt wurde der Treppenlift installiert.“ Daher sieht sich das Unternehmen auch nicht in der Verantwortung, für Barrierefreiheit zu sorgen – vorerst. Eine Stellungnahme dazu konnte die Stadt am Freitag nicht mehr kurzfristig liefern. Für Montag wurde eine Klärung des Sachverhalts angekündigt.
Die AWO hingegen sieht bei einem Defekt die Deutsche Bahn in der Pflicht: „Die Bahn ist für Reparaturen und Instandsetzungen verantwortlich“, heißt es von einer Sprecherin dazu am Freitag. Eine Reaktion der Bahn dazu gab es am Freitag bis Redaktionsschluss noch nicht.
Umbau des Bahnhofs soll 2023 beginnen
Die Lage am Hauptbahnhof soll sich aber ändern. Allerdings erst mittelfristig. „Im Rahmen der Modernisierungsmaßnahme 3 wird der Lüner Hauptbahnhof barrierefrei umgebaut“, so der Bahnsprecher weiter. Beginn und Fertigstellung des Umbaus ist für 2023 geplant. Wie genau die Umsetzung aussieht, sei noch nicht abschließend festgelegt. Wie schon bei den Gleisen 1 und 2 soll aber ein Aufzug die Fahrgäste künftig auch zu den Gleisen 3 und 4 bringen.

Für die Gleise 1 und 2 gibt es am Lüner Hauptbahnhof einen Aufzug. Die Bahn plant den barrierefreien Umbau des Lüner Hauptbahnhofs. Allerdings erst im Jahr 2023. © Dennis Görlich
Bis dahin sind mobilitätseingeschränkte Personen wie Louise Wißmann auf den Treppenlift angewiesen. Der weiterhin von der Arbeiterwohlfahrt (AWO) betreut wird. Heißt: Personal der Radstation bedient den Lift, wenn Fahrgäste diesen benötigen. Und vorausgesetzt, dass der Lift auch funktioniert.
Louise Wißmann kann nicht nachvollziehen, dass sich offenbar niemand zuständig fühlt. „Es geht hier nicht um eine einmalige Sache, sondern um allgemeinen und täglichen Gebrauch“, schreibt sie in ihrem Facebook-Beitrag. Der bleibt ihr und anderen Bahnreisenden in Lünen gerade verwehrt.
1989 im Ruhrgebiet geboren, dort aufgewachsen und immer wieder dahin zurückgekehrt. Studierte TV- und Radiojournalismus und ist seit 2019 in den Redaktionen von Lensing Media unterwegs.
