Heute fühlt sich der Lüner David in seinem Körper zu 100 Prozent wohl. 2015 hat er sich als Transmann geoutet.

Heute fühlt sich der Lüner David in seinem Körper zu 100 Prozent wohl. 2015 hatte er sich als Transmann geoutet. © Leonie Freynhofer

Transmann aus Lünen: „Meine Kinder sagen: Das war der richtige Schritt“

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Im Juni wird seit fünf Jahrzehnten der Pride Month und damit die LGBTQIA+Community besonders gefeiert. Für den Lüner Transmann David ist der Monat in doppelter Hinsicht ein Grund zur Freude.

Lünen, Recklinghausen

, 25.06.2022, 15:50 Uhr / Lesedauer: 4 min

David strahlt über das ganze Gesicht, als er über die vergangenen sieben Jahre spricht, die sein Leben komplett verändert haben. Outing, psychologische Gutachten, mehrere Operationen, Testosteronspritzen sowie die nachgeholte Pubertät haben einen großen Raum eingenommen und ihm das Leben gegeben, welches er sich seit seiner Kindheit wünscht.

Der gebürtige Lüner, der mittlerweile in Recklinghausen wohnt, wurde als biologische Frau geboren, hat jedoch früh gemerkt, dass dieses Geschlecht nicht zu ihm passt. Bis jedoch das Äußere an das Innere angeglichen wurde, dauerte es eine sehr lange Zeit. Heute ist der 43-Jährige auch körperlich ein Mann, was ihn zu einem transgeschlechtlichen Menschen macht. Damit gehört er zur LGBTQIA+Community, die im Juni besonders gefeiert wird – mit dem Pride Month. Doch reichen diese 30 Tage?

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Allein in Deutschland finden beispielsweise über 60 Veranstaltungen statt, um den Christopher-Street-Day (CSD) zu zelebrieren - der Tag, auf den der Pride Month zurückgeht. David verpasst durch Urlaube und seinen Job einige dieser Events, an denen Menschen für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender-Personen, Intersexuellen und Asexuellen auf die Straße gehen, um gegen Diskriminierung und Ausgrenzung zu protestieren.

CSD und soziale Netzwerke für Information und Austausch

Für den Lüner seien diese Demos eher eine große Party. „Da kann jeder so rumlaufen wie er möchte. Das ist der Grund, warum ich dort bin.“ Bevor er sich 2015 mit 36 Jahren als Transmann geoutet hat, habe er sich gar nicht so viel mit Pride, dem CSD und der Community beschäftigt. Die Ansatzpunkte hätten ihm einfach gefehlt.

Was steckt hinter dem Pride Month?

Seinen Ursprung hat der Pride Month in den USA, genauer gesagt in New York. Dort wurden in den 1960er Jahren Personen der LGBTQIA+Community diskriminiert und galten als „geisteskrank“. Ein Ort für die Gemeinschaft bildetet die Bar „Stonewall Inn“ in der Christopher Street. Doch auch dort waren sie vor Polizeirazzien und Polizeigewalt nicht sicher. Am 28. Juni 1969 kam es dann erneut zu einer Durchsuchung, bei der sich die Menschen jedoch wehrten. Diese Unruhen gelten als Beginn der Proteste gegen die Diskriminierung der LGBTQIA+Bewegung. Der Name des Christopher Street Day ist angelehnt an die Straße in New York. Dass der Pride Month auf den Juni fällt, geht auf den Zeitpunkt des ersten Aufstandes in den USA zurück.

Zwar wusste David schon im Kindergarten, dass er lieber ein Mann und keine biologische Frau sein möchte, doch vor allem in seiner Jugend seien Begriffe wie trans nicht so geläufig gewesen wie heute. „Jetzt sind die Menschen ganz anders vernetzt. Es gibt so viele Möglichkeiten, sich zu informieren. Ich beneide die heutige Jugend da ein bisschen.“

Der Pride Month mit seinen Veranstaltungen gilt unter anderem als ein Ort, an dem sich Menschen austauschen, Erlebnisse und Gedanken teilen und sich über die Community erkundigen können. Heute ist durch die sozialen Netzwerke zudem ein globaler Dialog möglich. David hat etwa auf Facebook die Gruppe „Dave´s Weg“ gegründet, in der er seit 2015 seinen Werdegang schildert.

Um die LGBTQIA+Community zu feiern und gegen ihre Diskriminierung zu protestieren, findet im Juni der Pride Month statt. Eine der bekanntesten Veranstaltungen dabei ist der Christopher Street Day.

Um die LGBTQIA+Community zu feiern und gegen ihre Diskriminierung zu protestieren, findet im Juni der Pride Month statt. Eine der bekanntesten Veranstaltungen dabei ist der Christopher Street Day. © picture alliance/dpa

Bevor sich David dazu entschied, sein Leben als Transmann fortzusetzen, hat er mit einem biologischen Mann zusammengelebt und mit ihm zwei Kinder großgezogen. Für die damals 11- und 14-Jährigen sei die plötzliche Umstellung „nicht ohne“ gewesen. „Ich bin ja eigentlich ihre Mama. Jetzt sagen meine Kinder aber: Gott sei Dank. Das war der richtige Schritt.“ Seine jüngere Tochter geht mit David oder mit Freunden gern auf Pride-Veranstaltungen wie den CSD – Regenbogenflagge inklusive.

Unternehmen nutzen Pride Month für Werbezwecke

Die bunte Flagge, die seit den späten 1970er Jahren als Zeichen der Verbundenheit mit der LGBTQIA+Szene (Lesbian, Gay, Bisexual, Transsexual/Transgender, Queer, Intersexual und Asexual) verwendet wird, nutzen im Pride Month viele Unternehmen für Werbezwecke. Sie betreiben dabei sogenannten Pinkwashing, angelehnt an den wohl bekannteren Begriff Greenwashing.

Die Fastfood-Kette McDonalds verkauft beispielsweise Rainbow Sticks; Pommes aus Süßkartoffeln, Pastinake und Roter Beete. Andere Firmen ändern ihr Logo, sodass die sechs Farben des Regenbogens sichtbar sind. David findet solches Marketing grundsätzlich nicht falsch, jedoch deutlich zu kurz gedacht. „Die Unternehmen sollten das eher beim eigenen Personal zeigen. Sowas muss innerhalb der Firma gelebt werden.“ Der 43-Jährige arbeitet beim Getränkezusteller „Flaschenpost“ und hat dort direkt mit offenen Karten gespielt.

Was ist „Pinkwashing“?

Der Begriff „Pinkwashing“ wird benutzt, wenn Firmen eine Identifizierung mit der LGBTQIA+Community vorgeben, um Produkte, Personen, Länder oder Organisationen zu bewerben. Sie wollen dadurch modern, fortschrittlich und tolerant wirken (Quelle: SWR). Zu dem Namen kam diese Praxis bereits vor Jahrzehnten. US-amerikanische Kosmetik- und Pharmafirmen hatten auf ihren Produkten mit rosa Schleifen – dem Symbol für das Engagement gegen Brustkrebs – geworben, obwohl ihre Produkte im Verdacht standen, Krebs auszulösen. Kritiker sahen in der rosa Schleife eine bloße Marketingstrategie (Quelle: Tagesspiegel).

Sein Chef und die Kollegen hätten super entspannt darauf reagiert. „Für sie war ich einfach Dave. Das hat mir eine große Sicherheit gegeben.“ Nachdem der gebürtige Lüner nach seinen Operationen für mehrere Wochen ausgefallen ist, habe es wegen der langen Fehlzeit ebenfalls keine Probleme gegeben. „Genau da können Firmen zeigen, wie tolerant sie sind. Dafür braucht man keine Regenbogenflaggen aufzuhängen.“

Diskriminierung hat David in den vergangenen sieben Jahren wegen seines Transseins nicht erfahren. Er glaubt, dass es durchaus an seinem Erscheinungsbild liegt. „Man sieht mir das ja jetzt nicht an, dass ich als biologische Frau geboren wurde.“ Transfrauen würden es da möglicherweise schwerer haben – durch den anderen Gang, den Kehlkopf sowie die Stimme.

Straftaten gegen Transmänner und Transfrauen gestiegen

Der 43-Jährige ist froh, dass er von seinem Umfeld – privat wie beruflich – und auch von der Gesellschaft im Allgemeinen so akzeptiert wird, wie er ist. Dieses Glück haben hierzulande jedoch nicht alle Menschen der LGBTQIA+Community. Laut dem Innenministerium wurden 2021 im Themenfeld „Geschlecht/sexuelle Identität“ insgesamt 340 Delikte an das Bundeskriminalamt gemeldet, ein Anstieg um 66 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Bei den Gewaltdelikten stieg die Anzahl der Fälle um 42,5 Prozent. Das Bundesinnenministerium geht jedoch von einer besonders hohen Dunkelziffer aus.

Kann der Pride Month da helfen? David ist sich nicht sicher, ob die 30 Tage im Juni reichen. „Die Community sowie deren Rechte werden so immerhin ins Gedächtnis gerufen und geraten nicht in Vergessenheit.“ Der Monat, in dem die LGBTQIA+Bewegung besonders im Fokus steht, ist für den 43-Jährigen in doppelter Hinsicht ein Grund zur Freude.

Bevor David sich als Transmann geoutet hat, war er biologisch gesehen eine Frau. Durch Operationen und Hormone wurde sein Geschlecht angeglichen.

Bevor David sich als Transmann geoutet hat, war er biologisch gesehen eine Frau. Durch Operationen und Hormone lebt er nun als Mann. © privat

Denn es steht ebenfalls der Jahrestag mit seiner Lebenspartnerin an, die aktuell in Wien lebt. Mit einem breiten Lächeln im Gesicht erzählt David, dass sie bereits seit fünf Jahren zusammen sind. Derzeit führen sie aber noch eine Fernbeziehung zwischen Recklinghausen und der österreichischen Hauptstadt.

Langer Prozess für transgeschlechtliche Menschen

Zwei Jahre nach seiner letzten Operation erinnern David nur noch die regelmäßigen Testosteronspritzen an sein früheres Leben. Denn seine Geburtsurkunde, sein Personalausweis, der Führerschein und sein Zeugnis wurden bereits umgeschrieben. Weitere Eingriffe sind nun erstmal nicht eingeplant. Er ist überglücklich, wenn er sich jetzt im Spiegel anschaut. Die größte Erleichterung für ihn sei damals die Entfernung seiner Brüste gewesen. „Ich glaube, das war der schönste Tag, als die weg waren. So konnte ich endlich oberkörperfrei herumlaufen.“ Dieses positive Lebensgefühl trägt der 43-Jährige auch nach außen.

Er erklärt ganz offen, dass seine weiblichen Geschlechtsmerkmale alle entfernt wurden und welchen Operationen er sich dabei auch im Intimbereich unterzogen hat. Bevor es jedoch überhaupt zu so einer Angleichung kommt, muss eine Diagnose gestellt werden. Für David habe sich der ganze Prozess zwar „wie Kaugummi gezogen“, doch vor allem Gespräche mit Psychologen und Ärzten seien unheimlich wichtig und gerechtfertigt. „Es gibt heute so viel Grauzonen. Da kann man nicht einfach einen Stempel draufsetzen.“

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