Tödlicher Messerangriff auf dem Schulflur: Sechs Jahre Jugendhaft

Aufregung nach Urteil in Dortmund

Urteil nach der tödlichen Messerattacke in der Käthe-Kollwitz-Gesamtschule: Der Angeklagte erhielt am Freitag sechs Jahre Jugendhaft - wegen Körperverletzung mit Todesfolge.

Lünen

, 02.11.2018, 14:30 Uhr / Lesedauer: 2 min
Leons Mutter wurde nach dem Urteil von Kameras umringt.

Leons Mutter wurde nach dem Urteil von Kameras umringt. © von Braunschweig

Kein Mord, kein Totschlag: Die Eltern des am 23. Januar erstochenen Leon Hoffmann waren nach Abschluss der Urteilsverkündung im Dortmunder Landgericht völlig außer sich. Die Eheleute gehörten zu den wenigen, die die Begründung der Richter direkt im Saal mitverfolgen konnten. Sie hatten sich dem Verfahren als Nebenkläger angeschlossen.

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Für die übrige Öffentlichkeit blieben die Türen von Saal 23 während der gesamten Verhandlungsdauer geschlossen. Auch die Verkündung und Begründung des Urteils fand wegen des jugendlichen Alters des Angeklagten komplett unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

„Das ist ein Skandal“

„Das ist doch ein Skandal“, echauffierte sich Leons Mutter, nachdem sie wieder auf den Gerichtsflur getreten war. Der Vater des getöteten 14-Jährigen tat die Entscheidung der 31. Jugendstrafkammer dagegen als „Witz“ ab. „Das ist doch keine Justiz, das ist doch ein Kindergarten hier“, schimpfte er lautstark in die vielen Fernsehkameras. Seine Frau mutmaßte gar: „Jeder Jugendliche denkt sich doch jetzt: Ich kann ruhig einen umbringen, mache im Knast Schulabschluss und Lehre und bin danach wieder draußen.“

Gerichtssprecher Thomas Jungkamp durfte während der Urteilsbegründung ebenfalls nicht in den Saal. Über den Schuldspruch und die Frage, warum die Tat nicht als Mord oder Totschlag gewertet wurde, wollte er deshalb nur wenig sagen. Man könne daraus den Rückschluss ziehen, dass die Kammer offensichtlich keine sicheren Feststellungen zum Tötungsvorsatz treffen konnte, sagte er.

Kein Tötungsvorsatz

Für eine Verurteilung wegen Mordes oder Totschlags hätten die Richter mindestens feststellen müssen, dass der Täter den Tod seines Opfers „billigend in Kauf genommen“ hat. Bei einem damals 15 und heute 16 Jahre alten Jugendlichen legt der Bundesgerichtshof dabei allerdings deutlich strengere Maßstäbe an als etwa bei einem Erwachsenen.

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Unter den zahlreichen Freunden und Bekannten, die vor dem Verhandlungssaal auf die Entscheidung warteten, war am Freitag auch die Mutter des im März 2017 in Herne getöteten Schülers Jaden. Der damals Neunjährige war von einem jungen Mann aus der Nachbarschaft in den Keller gelockt und bestialisch ermordet worden. In diesem Fall verhängte das Bochumer Landgericht im Januar 2018 eine lebenslange Haftstrafe. Auf die Frage, wie sie zu der Entscheidung der Dortmunder Richter im Fall Leon Hoffmann stehe, sagte auch sie: „Für mich ist das ein Witz.“

Mutter provozierend angeschaut?

Die Bluttat hatte Ende Januar für großes Entsetzen in der ganzen Stadt gesorgt. Der Angeklagte war kurz vor Unterrichtsbeginn auf Leon getroffen und hatte dann ein Messer gezogen und zugestochen. In einer Vernehmung soll er später erklärt haben, Leon habe ihn und seine Mutter, die ihn begleitete, provozierend angeschaut.

In seinem Kommentar nimmt unser Autor Martin von Braunschweig eine Einordnung des Urteils und der Reaktionen vor: