Tobias Cymek (34) arbeitet beim Unfallteam der Polizei „Es könnte jeden treffen - das ist das Schlimme“

Tobias Cymek (34) arbeitet beim Unfallteam: „Es könnte jeden treffen“
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Der Unfall an den Bahngleisen in Alstedde Ende Oktober 2024 ist vielen Menschen in Lünen noch im Gedächtnis. Mit vor Ort war Tobias Cymek (34) – er arbeitet beim Unfallaufnahmeteam (VU-Team) der Polizei Dortmund. Mit dem Beruf bei der Polizei hat er sich seinen Kindheitstraum erfüllt, obwohl es zuerst nicht danach aussah. „Jeder soll seinen Traum verfolgen. Ich habe das auch gemacht. Die Polizei war immer mein Traum, aber es war zuerst nicht möglich. Dann muss man den Traum weiter verfolgen und irgendwann wird man seine Ziele erreichen“, appelliert er im Gespräch mit der Redaktion.

Schon während der Ausbildung merkt Cymek schnell, dass er in die Direktion Verkehr möchte. Als er dann 2021 mitbekommt, dass landesweit VU-Teams eingerichtet werden, sieht er darin eine Chance – auch wegen seiner vorherigen Ausbildung. „Weil ich technikaffin bin und eine technische Vorbildung habe, dachte ich mir, dass ich so die Polizeiarbeit und das technische Interesse gut kombinieren kann“, erklärt der 34-Jährige. Vor seiner Zeit bei der Polizei machte er eine Ausbildung zum Industriemechaniker und Maschinenbautechniker.

Schwere Unfälle auf der Autobahn

Erste Erfahrungen mit größeren Unfällen hat Cymek schon während der Ausbildung gesammelt, als er auf der Autobahn tätig war. Zwar waren das nur vereinzelte Unfälle, der Polizist erinnert sich aber noch, welche emotionale Wirkung diese hatten: „Wenn wir im Nachhinein oder vielleicht sogar an der Unfallstelle erfahren, dass eine Person verstirbt und was die vielleicht noch hinterlässt. Jeder hinterlässt irgendwas, aber wenn es dann noch Kinder sind, die ihre Mutter oder ihren Vater verloren haben ... Oder wenn eine junge Person, die gerade erst 18 geworden ist, verunfallt, die das komplette Leben noch vor sich hat - da ist man schon sehr nachdenklich. Es könnte jeden treffen. Das ist immer das Schlimme. Es könnte auch mich, jemanden aus meinem Freundeskreis oder meine Eltern treffen.“

Auf einer orangefarbenen Plane liegen mehrere Werkzeuge. Dahinter steht der kaputte Audi, an dem mehrere Einsatzkräfte der Feuerwehr Lünen stehen.
Bei einem Bahnunfall in Lünen-Alstedde musste eine Frau von der Feuerwehr geborgen werden. © Calvin Konietzka

Emotional loslösen von Unfällen

Seit 2021 arbeitet Cymek im VU-Team der Dortmunder Polizei. Über die Jahre hat er gelernt, wie er für sich mit den Situationen an den Unfallorten umzugehen hat. „Ich schalte oft ab und sehe es erst mal rein objektiv. Keine Emotion heranlassen, sondern erst mal schauen, was passiert ist“, sagt der 34-Jährige. Ein Vorteil, so Cymek weiter, ist es, dass sie die am Unfall beteiligten Menschen häufig nicht sehen. Dadurch können sie objektiver an die Arbeit gehen. „Wir wissen nicht, ob da eine Frau, ein Mann, eine Mutter mit Kindern oder eine alleinstehende ältere Person in den Unfall verwickelt war. So können wir wirklich den Fokus auf die Objektivität richten. Zum Glück ist es bis jetzt immer noch so gewesen, dass auch bei anderen Einsätzen kein richtiger Schlag im Nachhinein gekommen ist.“

Dass so eine Situation in Zukunft noch eintreten könnte, will Cymek nicht ausschließen, „aber bis jetzt ist es noch nicht gekommen“.

Wenn es in Zukunft doch mal dazu kommen sollte, dass ein Unfall den 34-Jährigen emotional mitnimmt, gibt es mehrere Stellen, an die er sich wenden kann. So kann er jederzeit mit dem Chef des VU-Teams sprechen oder mit einem speziellen Team innerhalb der Polizei, erklärt Cymek. „Persönlich mache ich dann irgendwas, was mich ablenkt. Meinen Sport, ich höre Musik oder Ähnliches. Aber das gab es bisher noch nicht, dass ich wirklich zwei, drei Tage down war.“

Eine Polizistin aus Dortmund schaut sich Drohnenaufnahmen an.
Mit Drohnen können die Unfallstellen aufgenommen und in 3D dargestellt werden. © Wittland

Mehrere Stunden am Unfallort

Doch wie sieht die Arbeit des VU-Teams der Polizei eigentlich aus? Es gibt mehrere Teams, die in Schichten arbeiten. Wenn es dann zu einem Unfall kommt, wie beispielsweise dem schweren Unfall in Alstedde, ist das Team mehrere Stunden unterwegs. „Wir nehmen dann die Spuren auf, machen Bilder, Videos und wenn möglich, lassen wir die Drohne fliegen. Wir können die Unfallstelle auch in 3D nachstellen“, verrät der Polizist.

Nach der Untersuchung müssen die Ergebnisse ausgewertet und Berichte geschrieben werden. Die Nachbereitung kann, je nach Unfall, mehrere Tage dauern, so Cymek.

Kein Handy im Auto!

Wenn der 34-Jährige auf seine bisherige Zeit bei der Polizei und beim VU-Team zurückblickt, gibt es eine Sache, die er gelernt hat: Das Handy hat am Steuer nichts in der Hand zu suchen! „Man sagt, das ist immer so: ‚Ich gucke noch mal kurz drauf.’ Aber wenn man die Folgen so sieht, wie wir sie sehen, dann haben wir doch schon einen anderen Blick drauf“, sagt Cymek.

Denn er und seine Kollegen sehen regelmäßig, was dadurch alles passieren kann. Erfahrungen, die Freunde vom 34-Jährigen zu spüren bekommen: „Ich schnauze gerne Leute an, die ein Handy im Auto nutzen, weil ich die Folgen oft sehe und ich habe auch gar kein Problem damit. Es geht immer um Menschenleben! Nicht nur das eigene, sondern auch um andere.“