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Tagespflege droht drastische Kürzung: Lüner Anbieter schlagen Alarm
Gesetzesänderung
Von einem „Schlag ins Kontor“ für Tagespflege-Gäste und ihre Angehörigen sprechen Lüner Pflegeanbieter. Der Bundesgesundheitsminister will 2022 das Tagespflegebudget um die Hälfte kürzen.
So lange wie möglich zuhause leben: Das wünschen sich viele Senioren und ihre Angehörigen. Entlastung bei der Pflege der meist demenziell erkrankten Senioren in den eigenen vier Wänden bieten die Tagespflegen in Lünen. Sie übernehmen an einzelnen Tagen die Betreuung und sind eine der Säulen in der ambulanten Versorgung. Doch diese Säule wankt.
Denn für Sommer 2022 plant Bundesgesundheitsminister Jens Spahn eine Veränderung. Er will ab 1. Juli nächsten Jahres das Tagespflegebudget in allen Pflegegraden um 50 Prozent kürzen. Begründet werde das mit angeblichen Fehlanreizen aus einer Kombination von betreutem Wohnen und Tagespflegen. In Lünen träfe das auf die große Masse gar nicht zu.
Hiobsbotschaft für Betroffene
Die geplante Kürzung ist eine Hiobsbotschaft für die Betroffenen. Auch die Anbieter sind alarmiert. Sie sehen durch die Budgetkürzung ihre wirtschaftliche Lage bedroht. Birgit Rückert, Leiterin der Mobilen Senioren- und Krankenpflege in Lünen sowie stellvertretende Sprecherin im Landesverband Freie häusliche Krankenpflege (LfK), spricht von einem „Schlag ins Kontor“ für Gäste und deren Angehörige. Michael Wopker, Inhaber des gleichnamigen Pflegedienstes in Lünen, fürchtet Konsequenzen.
Zurzeit liegt das Budget der Tagespflege nach einer Beispielrechnung einer Einrichtung in kirchlicher Trägerschaft in Rheine im Pflegegrad 2 bei 689 Euro pro Monat. Geht es nach dem Bundesgesundheitsminister, wären es künftig nur noch 344,50 Euro. Damit würde den Betroffenen quasi ein Tag pro Woche in der Tagespflege genommen. Der kostet bei einem Besuch pro Woche monatlich 310,36 Euro. „Pflege zuhause kann vielfach nicht mehr funktionieren, wenn man den Angehörigen einen Tag streicht“, so Wopker. Denn manche seien berufstätig, andere brauchten diesen Tag zum Krafttanken. In der Konsequenz könnte das bedeuten, dass mehr Menschen ins Altenheim müssten. Ein Heimplatz allerdings koste zwischen 3000 und 4000 Euro monatlich.

Kritisieren die Kürzungspläne: Birgit Rückert und Michael Wopker. © Beate Rottgardt (A)
Lünen hat zu wenig Plätze
Bisher vertritt die Politik die Devise „ambulant vor stationär“. Es sei politischer Wille gewesen, Tagespflegen zu bauen. „Dem sind wir nachgekommen“, so Wopker. In Lünen haben sechs unterschiedliche Anbieter 108 Plätze eingerichtet. Laut Pflegebedarfsplan 2020 des Kreises Unna reicht das nicht aus. Es werden weitere 81 Plätze gebraucht. 32 sind zurzeit im Bau. Jetzt sind die Anbieter alarmiert. Die Pläne des Gesundheitsministers nennt Birgit Rückert „einen Rückschritt. Das kann es nicht sein.“ Wopker verweist auf die Tagespflegen als „Erfolgsmodell“. Durch die Budgetkürzung sei die wirtschaftliche Lage bedroht. „Wir haben nach neustem Standard und den Vorgaben gebaut“, so Wopker. Viele Anbieter hätten langfristige Mietverträge.
Petition im Umlauf
Inzwischen gibt es Gegenwind für Spahns Pläne. Verbände machen auf das Thema aufmerksam, Schreiben an örtliche Bundestagsabgeordnete werden verschickt. Eine Petition an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags unter dem Motto „Keine Kürzung der Pflegesachleistungen (Tagespflege)“ ist im Umlauf und sucht Unterstützer.
Lünen ist eine Stadt mit unterschiedlichen Facetten. Nah dran zu sein an den lokalen Themen, ist eine spannende Aufgabe. Obwohl ich schon lange in Lünen arbeite, gibt es immer noch viel zu entdecken.
