
Auf der Südfläche des ehemaligen Kraftwerksgeländes von Steag in Lünen steht kein Stein mehr auf dem anderen. Alle Gebäude sind seit dem Sommer verschwunden. © Goldstein
Steag-Gelände in Lünen: Kein Gebäude steht mehr - der Wald aber doch
Industriefläche
Wer die Moltkestraße entlang fährt, reibt sich die Augen. Von dem Gelände des Steag-Kraftwerks sind auch die letzten Gebäude verschwunden. Der Wald auf der Deponie ist weiterhin da - noch.
Die aktuelle Energiekrise hat für Steinkohlekraftwerke, die schon vom Netz waren, den Weg zurück auf den Strommarkt gebahnt. Seit dem 14. Juli erlaubt das eine Verordnung der Bundesregierung. Ziel ist es, damit das knappe Gas einzusparen. Für das vor mehr als 80 Jahre in Betrieb gegangene Gründungskraftwerk der Steinkohlen-Elektrizität AG (Steag) kommt das allerdings deutlich zu spät. Ende 2018 war das Kraftwerk stillgelegt worden. Inzwischen steht kein einziges Gebäude mehr auf dem 37 Hektar großen Areal. Dennoch gibt es noch genug zu tun für die Mitarbeiter der Hagedorn-Gruppe.
Hagedorn hat bis Ende 2024 auf Steag-Gelände zu tun
„Geländeprofilierung“, so heißt das, was noch mehr als ein Jahr Zeit in Anspruch nehmen wird, wie Judith Roderfeld berichtet. Sie ist Sprecherin der Unternehmensgruppe Hagedorn aus Gütersloh, die das Kraftwerksgelände 2019 übernommen hatte. Bis 2024 wird das auf Altlastensanierung spezialisierte Unternehmen dort weiter belastete Böden aufbereiten und verdichten sowie zum Abschluss Tief- und Straßenbauarbeiten durchführen. Rund 180.000 Tonnen Bauschutt der gesprengten und abgerissenen Kraftwerks-Gebäuden verbleiben auf der Fläche und werden vor Ort wiederverwertet.

An den ehemaligen Kühlturm des Steag-Kraftwerks Lünen schließt sich die einstige Bischoffs-Deponie an, auf der seit den 1980er-Jahren ein Wald gewachsen ist. © Goldstein
Die künftige XXL-Gewerbefläche im Lüner Westen wird so aufbereitet, dass künftige Nutzer direkt dort loslegen können mit ihren jeweiligen Projekten. Welche das sein werden, ist zurzeit noch offen. Die Dietz AG, die den südlichen Teil der Fläche erworben hat, ist in Verhandlungen mit künftigen Nutzern und verspricht 500 bis 1500 Arbeitsplätze. Auf dem etwa 11 Hektar großen nördlichen Teil will die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Unternehmen ansiedeln.
Zehn Hagedorn-Mitarbeiter sind zurzeit vor Ort
Zehn Mitarbeiter sind nach Roderfelds Angaben zurzeit vor Ort, um die „Revitalisierung“ einer der größten Industrieflächen der Stadt täglich weiter voran zu treiben. Ihre Zahl war vor eineinhalb Jahren Jahren deutlich höher. Am 28. März 2021 blickte ganz Deutschland nach Lünen, als Hagedorn die bundesweit größte Sprengung durchführte: Kesselhaus, Kühlturm, Rauchgasentschwefelungsanlage und der 250 Meter hohe Schornstein sackten damals ineinander.
Nach wie vor nicht betroffen von den grundlegenden Umwälzungen auf der Fläche ist der Baumbestand auf der sogenannten Bischoffs-Deponie. Noch nicht, wie Roderfeld sagt. „Wir möchten dort eine Nutzung gemäß den Zielen des Regionalplanes sowie des Entwicklungskonzepts Lippholthausen realisieren, und dazu muss auch in den Baumbestand eingegriffen werden“, sagt sie etwas umständlich. Was sie meint: Der Wald, der seit den 1980er-Jahren über den dort abgelagerten Schlämmen und Aschen aus der Rauchgasentschwefelung gewachsen ist, soll weg.
WZL-Chef zu Fällungen: „Wenn nicht hier möglich, wo dann?“
Für sie genauso wie für den bald aus dem Amt scheidenden Interims-Chef der Lüner Wirtschaftsförderung, Dr. Michael Dannebom, sind die Fällungen auf der 1,8 Hektar großen Fläche völlig unstrittig. „Wenn das auf einer derart industriell vorgeprägten Fläche wie dieser nicht möglich ist, wo dann“, sagt Dannebom. Naturschützer sowie GFL und Grüne im Lüner Stadtrat sehen das indes anders. Ein Antrag der GFL, dass die Stadt den Wald kaufen und dadurch schützen solle, war im April 2022 gescheitert.
Wann es so weit sein soll mit der Rodung, sagt Judith Roderfeld noch nicht. „Die Umsetzung selbst erfolgt nach Vorliegen aller erforderlicher Genehmigungen.“ Die standen zum Zeitpunkt der Anfrage offenbar noch aus. Die Zeit musste drängen aus Sicht des Unternehmens: Von Oktober bis einschließlich Februar sind Fällungen erlaubt. Danach sind sie durch das Bundesnaturschutzgesetz grundsätzlich verboten.
Leiterin des Medienhauses Lünen Wer die Welt begreifen will, muss vor der Haustür anfangen. Darum liebe ich Lokaljournalismus. Ich freue mich jeden Tag über neue Geschichten, neue Begegnungen, neue Debatten – und neue Aha-Effekte für Sie und für mich. Und ich freue mich über Themenvorschläge für Lünen, Selm, Olfen und Nordkirchen.
