Stalking: Opfer werden verfolgt und bedroht
Gewalt gegen Frauen
Wer häusliche Gewalt erfährt, der sucht oft sein Heil in einer Trennung. Doch nicht immer ist diese Lösung der Heilsbringer. Was dann oft folgt: psychische Gewalt in Form von Stalking. Wir trafen eine Lünerin, die diese Qual über Wochen ertragen musste.

Das Opfer im Blick, die Hand schon ausgestreckt - ein Stalker kennt keine Gnade, er will seinem Opfer schaden, um jeden Preis.
„Er schlug meinen Kopf gegen die Wand, trat mich, riss mir büschelweise Haare aus und schlug einen Laptop auf meinen Kopf“, erinnert sie sich. Das Nasenbein war gebrochen, sie erlitt eine Schädelprellung und weitere Verletzungen. Von den seelischen Wunden ganz abgesehen. Die Lünerin, eine Frau, die eigentlich mitten im Leben steht, fühlte sich komplett hilflos, hatte Todesangst in den eineinhalb Stunden, in denen ihre Qual dauerte, in denen sie nicht aus der Wohnung kam, weil ihr „Freund“ die Tür abgeschlossen hatte. Als ihr endlich die Flucht gelang, rannte er mit dem Wischer hinterher, um die Blutspuren zu beseitigen. Schon an diesem Tag drohte er ihr: „Ich bring dich um.“ 2009 wurde er für diese brutalen Taten zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Vor Gericht räumte er die Schläge zwar ein, aber versuchte, sie zu bagatellisieren. „Das Urteil ist rechtskräftig, hat ihn aber wohl ebenso geärgert wie der Schmerzensgeldanspruch meiner Mandantin“, so Anwältin Christiane Krause-Schumann.
Nach dem Urteil begann der Mann, seine frühere Lebensgefährtin zu stalken. „Ich habe in zwei Wochen allein 170 SMS von ihm bekommen, dazu noch unzählige Anrufe“, so die junge Frau. „Es gibt keine Zeit, in der ich nicht darüber nachdenke. Man bekommt es nicht aus dem Kopf“, sagt sie. Und auch das Vertrauen in andere Menschen hat einen Knacks bekommen. „Die Täter bekommen eine zeitlich begrenzte Strafe, die Opfer leiden lebenslang“, weiß Christiane Krause-Schumann aus vielen Fällen. Im April 2010 kam dann der Anruf mit der Drohung „ich werde dich umbringen.“ Die junge Frau erstattete Strafanzeige und die Staatsanwaltschaft erhob Anklage wegen Bedrohung. „So was ist kein Kavaliersdelikt, sonder ein lebensbeeinträchtigender Eingriff“, betont die Anwältin. Die junge Frau befindet sich noch immer in psychotherapeutischer Behandlung.
Mit dem Inkrafttreten des 2.Opferrechtsreformgesetzes am 1. Oktober 2009 hat sich für die Opfer von Straftaten einiges zum Positiven geändert. Christiane Krause-Schumann: „Es gibt jetzt die Möglichkeit für die Opfer jeglicher Straftat, sich in einem Verfahren als Nebenkläger einzuklinken, wenn es wegen der schweren Folgen der Tat besonders betroffen ist. Vorher gab es einen Katalog von Straftaten, bei denen Opfer als Nebenkläger zugelassen waren. Leider ist das aber noch nicht überall durchgedrungen, dass Opfer bei besonderer psychischer Belastung und Beeinträchtigung Nebenkläger sein können. Das ist wichtig, um seine Rechte geltend machen zu können. Auch Stalking-Opfern kann sogar auf Staatskosten ein Opferanwalt gewährt.“
Ein Stalker freue sich selbst über abwertende Reaktionen, weil er das immer noch als Zeichen einer Beziehung zum Opfer wertet. Christiane Krause-Schumann: „Überhaupt keine Reaktion zu zeigen, ist wirklich schwer! Also keinen Brief schreiben, bei Anrufen nicht reagieren. Und alles, was passiert, notieren. Ich empfehle auf jeden Fall, auch ein Stalking-Protokoll zu führen, jede Belästigung mit Datum und Aktion aufzuschreiben. Damit kann man beweisen, dass das Stalken eine lebensverändernde und lebensbeeinträchtigende Wirkung hat.“