Bürger erhält Briefe der Stadt nur über Umwege Verwaltung erklärt das Problem

Briefe der Stadt nur über Umwege: Verwaltung erklärt das Problem
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Mit dem Begriff „digitale Steinzeit“ umschreibt ein Leser seine Erfahrung, die er mit der Lüner Stadtverwaltung gemacht hat. Er beschwert sich über die bis zuletzt andauernden Folgen eines Besuches, den er dem Rathaus bereits im Jahr 2021 abgestattet habe. „Ich kann diese Vorgehensweise nicht nachvollziehen“, sagt er heute. Aber was war passiert?

„Wir sind im letzten Quartal 2021 innerhalb von Lünen umgezogen und haben uns im November 2021 im Bürgerbüro umgemeldet“, berichtet der Leser. Wahlunterlagen und andere Briefe aus der Stadtverwaltung seien seitdem auch an die neue Adresse geschickt worden – zumindest die meisten davon. Mit den Abteilungen Steuern sowie Wohnen und Soziales habe es nämlich seit dem Umzug Probleme gegeben. Diese Briefe wurden weiterhin an die alte Wohnanschrift geschickt und landete nur über Umwege bei dem Mann.

Kein Datenzugriff

„Ich habe mich telefonisch mit den städtischen Abteilungen in Verbindung gesetzt und die Frage gestellt, warum die Briefe zur alten Adresse gesendet worden sind“, berichtet er. Darauf habe er auch eine Antwort erhalten: „Die Programme dieser Abteilungen greifen nicht auf die aktuellen Datensätze vom Einwohnermeldeamt zurück.“

Warum das so ist, erklärt Stadtsprecher Daniel Claeßen auf Anfrage der Redaktion: „Die Programme können nicht auf aktuelle Daten anderer Abteilungen zugreifen, weil das schlichtweg gesetzlich verboten ist. Grundlage dafür ist das Bundesmeldegesetz, unter das alle Meldedaten fallen.“ Eine automatische Datenübermittlung an alle städtischen Abteilungen sei weder melderechtlich noch datenschutzrechtlich zulässig.

Das liegt daran, dass die Stadtverwaltung nicht als eine Einheit betrachtet werden kann. „Vereinfacht formuliert, ist jede Abteilung innerhalb einer kommunalen Verwaltung wie eine eigene Behörde anzusehen. Diese Behörde (Abteilung) gelangt auf einem bestimmten Weg an die Daten von Bürgerinnen und Bürgern. Da diese Wege unterschiedlich sind und auch wiederum jeweils unterschiedliche Rechtsgrundlagen haben, darf eine Behörde (Abteilung) nicht einfach auf die Datensätze der anderen Behörde (Abteilung) zugreifen, sofern der betroffene Bürger oder die betroffene Bürgerin nicht explizit sein oder ihr Einverständnis erklärt hat“, so Claeßen.

Wie digital ist Lünen? Dieser Frage gehen wir mithilfe unserer Leser und User nach.
Wie digital ist Lünen? Dieser Frage gehen wir mithilfe unserer Leser und User nach. © Foto Goldstein/Grafik Zwingenberger

Ausnahmefälle

Meldedaten würden nur automatisiert übermittelt, wenn dies rechtlich vorgesehen sei. Folgende städtische Stellen gehören dazu:

  • Ausländerbehörde nach §72 Aufenthaltsverordnung (AufenthV)
  • Schulverwaltung nach §3 Meldedatenübermittlungsverordnung NRW (MeldDÜV NRW)
  • Team Wohnen zur Erfassung und Kontrolle des geförderten Wohnraums nach § 5 MeldDÜV NRW
  • Staatsangehörigkeitsbehörde nach § 34 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG)

Es gebe innerhalb der Verwaltung aber auch die Möglichkeit, Daten auf Anfrage, also nicht automatisiert, zu übermitteln. „Voraussetzung für den Abruf ist immer die rechtliche Zulässigkeit und die Tatsache, dass die Daten für die eigene Aufgabenerfüllung benötigt werden“, merkt Stadtsprecher Daniel Claeßen an.

Er nennt ein Beispiel: „Wenn eine Sachbearbeiterin oder ein Sachbearbeiter des Standesamtes für ihre oder seine Zwecke Melderegisterdaten abruft, dürfen die Daten auch nur für diese Zwecke genutzt werden. Eine Weitergabe der Daten zum Beispiel an die Bücherei ist nicht zulässig.“ Gestellte Datenabfragen werden zudem protokolliert, so Claeßen.

Mitteilung oder Auftrag

Um fehlgeleitete Briefe aus der Stadtverwaltung nach einem Umzug zu verhindern, rät der Stadtsprecher: „Wenn Bürgerinnen und Bürger Geschäftsbeziehungen zur Stadt haben, müssen sie entweder selbst auf die entsprechenden Abteilungen zugehen und die Änderungen mitteilen.“ Die andere Möglichkeit: „Die Bürgerinnen und Bürger nennen die einzelnen Bereiche, mit denen Geschäftsbeziehungen bestehen und beauftragen das Bürgerbüro, diese direkt zu informieren.“

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