„Shitstorm“ für radelnden St. Martin in Lünen „Weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll“

Fahrradfahrender St. Martin: „Versuch, das Pferd zu symbolisieren“
Lesezeit

Der mit Abstand meist kommentierte Facebook-Beitrag in der Gruppe „Lünen“ dieser Tage ist ein Kurzvideo. Darin zu sehen ist ein St. Martin in römischer Uniform, der durch die Lange Straße zieht. Das Besondere dabei: Beim Martinsumzug des Cityrings Lünen saß der heilige Martin am Samstag (11.) auf einem Fahrrad, über dessen Lenker ein Pferdekostüm gezogen ist. Flankiert wurde er von fünf Ordnungskräften, die ihn mittels eines Seils von der Besuchermasse abschirmen.

„Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll“, untertitelt die Verfasserin ihren Beitrag. „Kinderherzen werden gebrochen. Wo ist denn die gute alte Tradition? Tiere schützen schön und gut, aber am falschen Ende meiner Meinung nach. Das sollte auf der Kirmes verboten werden...“ Über 320 Facebook-User haben innerhalb kurzer Zeit ihren Kommentar dazu abgegeben.

„Besser als kein Umzug“

„Lächerlich“ finden es viele, Kostengründe vermuten andere und fordern, doch nicht auf Kosten der Kinder zu sparen. Oder: „Wenn schon kein Pferd (egal warum) dann bitte so wie St Martin zu damaliger Zeit ohne Pferd unterwegs gewesen wäre ... zu Fuß!!! Alles andere ist beschämend.... Wie sch.... ist es, wenn schon der Veranstalter den Umzug so ins Lächerliche bringt?!", schreibt einer der User.

Einige zeigen allerdings auch Verständnis: „Ich glaube bei St. Martin geht es um mehr als nur um einen „Reiter“. In der Vergangenheit haben sich die Fluchttiere so häufig erschrocken. Muss man für die Belustigung der Leute Mensch und Tier in Gefahr bringen? Ich finde es gut, besser als keinen Umzug! Die Leute haben sich etwas einfallen lassen vielen Dank dafür!“ Andere gehen auch auf hohe Auflagen von Seiten der Stadt ein, oder loben die ansonsten gelungene Umsetzung des Martinsumzugs.

Viel los war bei dem Martinsumzug in der Innenstadt.
Viel los war bei dem Martinsumzug in der Innenstadt. © Privat

Etwa 1000 Besucher

Wie in jedem Jahr seit 1974 hatten sich Teilnehmende zunächst auf dem Alten Markt getroffen, wo ihnen Michael Gresch, Spielleiter der Kulisse Studio-Bühne Lünen und im Auftrag des Lüner Cityrings Organisator der Veranstaltung, Episoden aus dem Leben des Heiligen Martin erzählte. Dazu waren Lichtbilder an den Turm der Kirche St. Georg projiziert worden. Anschließend hatte der Kinder- und Jugendchor der Musikschule Lünen begleitet vom Posaunenchor der evangelischen Kirche St. Georg gesungen, bevor St. Martin alias Kulisse-Mitglied Stefan Geisler einige Worte an die Besucher gerichtet hatte.

Dann ging es in einem langen Zug über die Lange Straße und dann entlang der Mauerstraße, Bäckerstraße und Marktstraße durch Lünens Altstadt. „Wir hatten 300 Brezeln bestellt, die haben nicht gereicht“, erzählt Michael Gresch, der die Organisation der Veranstaltung 1999 von seinem Vater, der sie 1974 ins Leben gerufen hatte, übernommen hatte. „Insgesamt waren etwa 1000 Leute da, so viele wie noch nie“, betont er.

In früheren Jahren begab sich St. Martin beim Umzug des Cityrings noch auf dem Pferd durch die Lüner Innenstadt.
In früheren Jahren begab sich St. Martin beim Umzug des Cityrings noch auf dem Pferd durch die Lüner Innenstadt. © Foto Blaszczyk/Archiv

Dass derartig ausführlich über den fahrradfahrenden St. Martin gesprochen wird, macht ihn etwas traurig. „Es war der Versuch, das Pferd zumindest zu symbolisieren“, erzählt er. „Wir haben das aus Gründen des Tierwohls und der Sicherheit gemacht.“ Nachdem das Pferd, das viele Jahre mitgelaufen war, vor zwei Jahren gestorben ist, lief der St. Martin im vergangenen Jahr zu Fuß. Denn, so erklärt Michael Gresch, es sei schwierig, ein Pferd zu finden, das mit den Besuchermassen, der Geräuschkulisse und vor allem der Enge der Mauerstraße zurechtkommt.

„Durch die engen Straßen war es immer schon sehr anstrengend für ein Pferd, denn es ist ja ein Fluchtwesen“, sagt Gresch. Außerdem müsse der Reiter - Auflage der Stadt - ein Reitabzeichen haben. Abgeschirmt worden sei der „Heilige Martin“, damit kein Kinderfinger in die Speichen gerieten.

„Es wird immer jemanden geben, der sich ärgert“, sagt Gresch, aber ich wüsste auch keine vernünftige Alternative. Wir wollten einfach so gut es eben geht ein Pferd symbolisieren. Vielleicht fällt mir ja für das kommende Jahr eine bessere Lösung ein.“

Martinsumzug durch den Volkspark Brambauer 2023: Auch Elefant und Bär waren dabei

Heinz-Willi Quante reitet nicht mehr als St. Martin durch Bork: „Das schönste Ehrenamt“

Martinsumzug zieht durch Selm: Viele Bilder vom bunten Familienspektakel