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Schmeltzer wehrt sich gegen Lügenvorwurf - Bürgermeister gibt nach
Bürgermeisterwahl
Knapp hatte SPD-Kandidat Rainer Schmeltzer die Bürgermeisterwahl gegen Jürgen Kleine-Frauns verloren. Die Niederlage hat er abgehakt, eine Sache will er jedoch nicht auf sich sitzen lassen.
Wer hat das Chaos bei der Kommunalwahl in Lünen zu verantworten? Für Rainer Schmeltzer, unterlegener Kandidat der SPD, ist die Sache klar: Amtsinhaber Jürgen Kleine-Frauns, der entschieden habe, die Zahl der Wahllokale von 66 auf 23 zu reduzieren. „Ich habe schon sehr frühzeitig darauf hingewiesen, dass eine solche Reduzierung der Wahllokale einmalig in Nordrhein-Westfalen ist und für die Einteilung der Stimmbezirke gemäß §5 Abs.1 des Kommunalwahlgesetzes der Bürgermeister verantwortlich ist.“
Rückblick: Im Juni 2020 hatte die Stadt Lünen bekannt gegeben, die Zahl der Stimmbezirke für die Kommunalwahl massiv zu reduzieren: Statt 66 sollte es am 13. September nur noch 23 Wahlräume geben. Anlass war das neue „Gesetz zur Durchführung der Kommunalwahl“, das angesichts der Corona-Pandemie den Kommunen ermöglichte, die Größe der Stimmbezirke von 2500 auf 5000 Einwohnerinnen und Einwohner zu erhöhen. „Mit dem Gesetz können wir im September eine sichere Wahl durchführen. Gerade vor dem Hintergrund einer möglichen weiteren Corona-Welle können wir als Stadt mit der Maßnahme die Gefahr für alle Wählerinnen und Wähler minimieren – und damit die Wahl als Fundament demokratischer Teilhabe sicherstellen“, sagte damals Lünens Wahlleiter Horst Müller-Baß.
SPD kritisiert, Wahlleiter verteidigt
Die Wahl selbst lief nicht reibungslos ab - neben fehlenden Stimmzetteln waren lange Warteschlangen vor den Wahllokalen der Hauptkritikpunkt, den auch die SPD wiederholt ansprach: Die Stadt Lünen sei durch die Reduzierung der Stimmbezirke „mit Anlauf und sehenden Auges gegen eine Wand gelaufen“, hieß es beispielsweise in einer Stellungnahme der Sozialdemokraten vom 16. September. Die Stadt verteidigte wiederum ihr Vorgehen und sprach von einer „richtigen Entscheidung“. Zur Stichwahl um das Bürgermeisteramt am 27. September stellte sie allerdings jeweils eine zusätzliche Wahlkabine in den Wahllokalen auf - plus eine Kabine als „Reserve“.
Aus der Stichwahl ging Amtsinhaber Jürgen Kleine-Frauns knapp als Sieger hervor. Mit der Niederlage hat sich Rainer Schmeltzer abgefunden, eine Sache will er jedoch nicht auf sich sitzen lassen: Mehrmals sei er wegen seiner Kritik an Kleine-Frauns bezichtigt worden, die Unwahrheit zu sagen. „Noch in der Videoauseinandersetzung der Ruhr Nachrichten am 22. September 2020 erwiderte der Bürgermeister auf die Frage von Herrn Fröhling ob ich Recht hätte mit: ,Nein. Der Bürgermeister entscheidet über die Anzahl der Wahlbezirke, nicht der Stimmbezirke.‘“
Dies habe ihn veranlasst, zur Klarstellung eine Kleine Anfrage an die Landesregierung zu richten. In deren Antwort werde die alleinige Zuständigkeit des Bürgermeisters bestätigt: „Die Einteilung - und damit auch die mögliche Reduzierung der Stimmbezirke - obliegt (...) dem Bürgermeister“, heißt es dort. Da ihn mehrere „vermeintliche Hobbyjuristen“ in sozialen Netzwerken wiederholt auf die Zuständigkeit des Wahlleiters hingewiesen verwiesen hätten, habe Schmeltzer auch dies klären lassen. Antwort: „Eine Veränderung durch den Wahlleiter ist, soweit er nicht zugleich Bürgermeister ist, nicht vorgesehen.“
Wie Schmeltzer weiter erklärt, habe keine andere Stadt in NRW die Anzahl der Wahllokale um zwei Drittel reduziert und somit enorme Warteschlangen vor den Wahllokalen zu verantworten: „Die mehrmals wiederholte Darstellung, ich hätte in Bezug auf die Reduzierung der Stimmbezirke die Unwahrheit gesagt, ist damit deutlich widerlegt.“
Kleine-Frauns räumt Verwechselung ein
Auf Nachfrage unserer Redaktion räumt Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns ein, dass er in der RN-Debatte an einer Stelle „Wahlbezirke“ und „Stimmbezirke“ verwechselt habe. „Das war ein Fehler, der nicht hätte passieren sollen, der aber leider in dieser Gesprächssituation passiert ist.“
Weiter erklärt Kleine-Frauns: „Die Wahlbezirke bei dieser Wahl nicht wie bei vorhergegangenen Wahlen in Stimmbezirke einzuteilen, war kein spontaner Beschluss im ,stillen Kämmerlein‘, sondern bedurfte eingehender Vorberatung und Abstimmung, gerade vor dem Hintergrund der besonderen Herausforderungen der Corona-Pandemie.“
Die Vorgehensweise sei vom Organisationsteam der Wahl vorbereitet, mit dem Wahlleiter abgestimmt worden und letztlich vom Bürgermeister genehmigt worden, weil dieser laut Kommunalwahlgesetz zuständig sei. „Grundlage der Entscheidung war, dass die Landesregierung den Kommunen die Möglichkeit eingeräumt hat, die Anzahl der Stimmbezirke zu reduzieren“, so Kleine-Frauns. „Diese Möglichkeit hat die Stadtverwaltung vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie genutzt und hat dies auch mehrfach kommuniziert und erklärt.“ Um die Zuständigkeit des Bürgermeisters zu klären, hätte es nach Meinung des Amtsinhabers keiner Anfrage an die Landesregierung bedurft: „Ein Blick ins Kommunalwahlgesetz hätte genügt.“
Rainer Schmeltzer erklärt, dass er das Wahlergebnis anerkenne und nicht „nachkoffern“ werde. Für die Anfrage an die Landesregierung habe er sich insbesondere deshalb entschieden, „da an keiner Stelle der Wahrheitsgehalt meiner Aussage recherchiert wurde“. Jürgen Kleine-Frauns lässt über seine Pressestelle mitteilen: „An Herrn Schmeltzers persönlicher Aufarbeitung seiner Wahlniederlage – die er offenbar unter anderem unter Nutzung von Ressourcen des nordrhein-westfälischen Landtags betreibt – will sich der Bürgermeister nicht weiter beteiligen und wird daher zu diesem Thema keine weiteren Erklärungen abgeben.“
Journalist, Vater, Ehemann. Möglicherweise sogar in dieser Reihenfolge. Eigentlich Chefreporter für Lünen, Selm, Olfen und Nordkirchen. Trotzdem behält er auch gerne das Geschehen hinter den jeweiligen Ortsausgangsschildern im Blick - falls der Wahnsinn doch mal um sich greifen sollte.
