Schauspiel-Legende Mario Adorf (92) glaubt nicht an das Jenseits Fragen beim Kinofest Lünen 2022

Schauspiel-Legende Mario Adorf (92) glaubt nicht an das Jenseits
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Diese Frage zu stellen, hätte sich nicht jeder Zuschauer in der Cineworld zu stellen getraut. Beim Gespräch nach dem Film „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ erkundigte sich der Lüner Filmer Knut Thamm (82) beim zehn Jahre älteren Schauspieler Mario Adorf, wie er mit der eigenen Endlichkeit umgeht. Während so mancher Gast im Publikum die Luft anhielt, reagierte Adorf souverän.

„Ich kenne Leute, die darüber gar nicht nachdenken wollen. Ich denke seit vielen Jahren an meine Endlichkeit und daran, dass die Zeit, die vor mir liegt, immer geringer wird“, so der erste Lebenswerk-Preisträger des Lüner Kinofests. In einem Buch seines verstorbenen Kollegen Joachim Fuchsberger heißt es, er befinde sich auf der Zielgeraden. Mit diesem Bild ist Adorf jedoch gar nicht einverstanden.

Der filmende Chronist Knut Thamm traute sich, Mario Adorf eine sehr persönliche Frage zu stellen.
Der filmende Chronist Knut Thamm traute sich, Mario Adorf eine sehr persönliche Frage zu stellen. © Diethelm Textoris (Archiv)

„Dieses Bild würde bedeuten, dass man das Ziel kennt und auf geradem Weg ganz schnell dorthin will. Oft ist aber der Weg ans Lebensende buckelig und kurvenreich. Ich finde den Satz von Fuchsberger falsch“, so Adorf. Er sehe auch sehr deutlich das Ende in seiner eigenen Planung. Im Fernseh-Vierteiler „Der große Bellheim“ habe er in seiner Rolle einmal gesagt: „Ich habe in drei Wochen Geburtstag, aber so lange im Voraus plane ich nicht mehr.“

Auf Thamms Nachfrage, ob er glaube, dass die Menschen nach dem Tod ein anderes, angenehmes Leben erwarte, sagte Adorf ganz klar: „Ich muss Sie enttäuschen, ich glaube nicht ans Jenseits. Ich glaube, mit dem Tod ist es zu Ende.“ Bei Brecht, den die Schauspiel-Legende sehr verehrt, heiße es „Und es kommt nichts nachher.“

Charmant beantwortete Mario Adorf die Fragen von Dominik Wessely, der den Dokumentarfilm "Es hätte schlimmer kommen können" über ihn gedreht hatte.
Charmant beantwortete Mario Adorf die Fragen von Dominik Wessely, der den Dokumentarfilm "Es hätte schlimmer kommen können" über ihn gedreht hatte. © Günter Blaszcyk

Moderiert wurde die launige Fragerunde von Dolumentarfilmer Dominik Wessely, der den Film „Es hätte schlimmer kommen können“ über Mario Adorf gedreht hatte. Adorf hatte die Böll-Verfilmung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ aus dem Jahr 1975 seit vielen Jahren nicht mehr gesehen und erklärte danach: „Es ist unglaublich, wie aktuell er noch immer ist, auch in der Form.“ Er erinnerte sich auch an eine Begegnung mit Heinrich Böll: „Wir haben über sein Buch gesprochen und er meinte in seinem rheinischen Dialekt, 'et is kein gutes Buch, et is ein Pamphlet'. Seiner Meinung nach ist der Film viel besser als das Buch.“ Gerne hätte Adorf noch in weiteren Böll-Verfilmungen gespielt, „doch die Rollen habe ich nicht bekommen.“

Für Adorf war die Zusammenarbeit mit Regisseur Volker Schlöndorff und dessen Co-Regisseurin Margarethe von Trotta eine großartige Erfahrung. „Margarethe von Trotta, die selbst Schauspielerin war, hat sich sehr um uns Schauspieler gekümmert. Das hat man nur selten.“ Er habe sehr bedauert, dass sich das Regisseur-Paar nach dem Film beruflich getrennt habe.

Schlöndorff schämte sich

Wessely erzählte, dass es ein Abendessen mit Adorf, Schlöndorff und von Trotta bei Schauspielerin Senta Berger und deren Mann, Regisseur Michael Verhoeven, gegeben hatte. „Als Schlöndorff und von Trotta nach Hause fuhren, waren sie beschämt, weil sie einen Schauspieler von Adorfs Kaliber bisher nicht wahrgenommen hatten.“ Das habe Schlöndorff später aufgeschrieben.

Im Gegensatz zu seiner Filmpartnerin Angela Winkler, die die Titelrolle in „Katharina Blum“ spielte, setzte er, so Adorf, nicht auf Instinkt, sondern auf Kontrolle. Ganz so, wie es Bertolt Brecht in einem Buch angeregt habe. Als Adorf dann Brecht Mitte der 50er-Jahre bei den Kammerspielen kennenlernte, habe dieser - schon schwer krank - dem Ensemble jedoch geraten, alles zu vergessen, was der Regisseur vor Jahren aufgeschrieben hatte: „Er meinte, ihr seid doch gut. Neben mit saß mein Kollege Robert Graf (der Vater von Regisseur Dominik Graf) und flüsterte mir zu, das ist ein typischer Atheist - auf dem Sterbebett nach dem Pfaffen verlangen.“

Im Publikum schaute sich Mario Adorf die Böll-Verfilmung "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" an.
Im Publikum schaute sich Mario Adorf die Böll-Verfilmung "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" an. © Günter Blaszczyk

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