
© Marie Rademacher
Scharbaum schließt: Hoffnung nach dem Schock durch Mecke-Skandal
Tierquälerei
Die Tradition-Fleischerei Scharbaum auf dem Lüner Roggenmarkt schließt in Folge des Mecke-Skandals. Am Samstagmittag (14.8.) um 13 Uhr ist Schluss nach 100 Jahren. Es gibt eine Hoffnung.
Erbsensuppe mit Mettendchen sind im Angebot an diesem Freitagmittag. Das ist auf dem Aufsteller zu lesen, der vorm Eingang zur Fleischerei Scharbaum steht. Bedruckte Zettel am Fenster weisen auf frisch belegte Brötchen hin, andere auf das Parkverbot vor der Tür. Kein einziger Zettel informiert darüber, was seit einigen Stunden bekannt ist: Der Traditionsbetrieb auf dem Lüner Roggenmarkt wird in weniger als 24 Stunden schließen. Nach 100 Jahren.
Vor „wenigen Tagen“ habe er einen entsprechenden Anruf von Marco Mecke erhalten, dem alleinigen Geschäftsführer des Lüner Betriebs. Ab Samstag, 13 Uhr, sei Schluss. Mecke selbst wollte das gegenüber der Redaktion weder dementieren noch bestätigen. Scharbaum muss es aber wissen. Er hatte sich zwar schon vor rund vier Jahren aus der Geschäftsführung des Betriebs verabschiedet, ist aber nach wie vor Eigentümer der Immobilie.
Wilhelm Scharbaum: „Schlimm, ganz schlimm“
Der 60-jährige Scharbaum hatte Ende 2017 den von seinem Opa gegründeten Betrieb an den Kollegen aus Werne abgegeben. Mecke hatte damals das gesamte Personal übernommen. Für den Fleischermeister aus Lünen, der keinen Nachfolger hatte, war das damals eine willkommene Gelegenheit, etwas kürzer zu treten. „Ich war seitdem nur noch ein paar Stunden jede Woche im Geschäft“, sagt er: um langjährige Kundinnen und Kunden zu beraten, Bestellungen zu besprechen - „eine Arzt Frühstücksdirektor“. Mit der Geschäftsführung habe er nichts mehr zu tun gehabt, sagt er. Erst recht nicht mit den „schrecklichen Praktiken“ bei Mecke, die ihn auch „völlig geschockt“ hätten.
Nicht weniger geschockt als die deutsche Öffentlichkeit, als Ende Juli die Tierschutzorganisation Soko Tierschutz verdeckt gefilmte Szenen aus der Viehsammelstelle von Mecke in Werne veröffentlicht hatte. Unter anderem sind da Mitarbeiter des Unternehmens zu sehen - darunter der Tierschutzbeauftragte -, die wild auf eine Kuh einprügeln, bis sie zusammenbricht. Scharbaum hatte sich nach Bekanntwerden öffentlich von Mecke distanziert: „Schlimm, ganz schlimm, da wird mir schlecht, wenn ich so etwas sehe.“ Die vertraglich geregelten Geschäftsbeziehungen indes blieben bestehen - bis zu dem Anruf von Mecke vor wenigen Tagen.
Mitarbeiterinnen äußern sich nicht
Die Mitarbeiterinnen des Geschäfts Scharbaum möchten sich an diesem Freitag nicht zu der bevorstehenden Schließung äußern. „Wir können dazu nichts sagen. Fragen Sie Herrn Mecke.“ Der hat sein letztes Wort gesprochen, was das von ihm übernommene Geschäft in Lünen angeht. Zu den Mecke-Läden in Werne kann und will sich Wilhelm Scharbaum nicht äußern. „Ich weiß nur: Bei uns wird der Schlüssel umgedreht“, sagt er. Eine schmerzhafte Zäsur in der traditionellen Handwerksgeschichte in Lünen. Bei diesem letzten Drehen des Schlüssels werde es aber hoffentlich nicht bleiben.
„Es gibt einen Interessenten“, sagt er. Und damit Hoffnung, dass es auch künftig am Roggenmarkt in Lünen eine Metzgerei geben wird, einen, der das Tierwohl besser schätzt. Namen sagt Scharbaum noch nicht. Dafür sei es noch zu früh. Er sei aber optimistisch, dass die Gespräche, zu einem guten Ende führen könnten: für ihn, für die Lüner Innenstadt und auch für die mehr als zehn langjährige Beschäftigten. Eine Übernehme durch einen möglichen neuen Betreiber - so wie 2018 durch Mecke - ist sein Wunsch. „Das ist ein tolles Team. Das findet man nicht so schnell.“
Optimismus angesichts laufender Gespräche
Eine Option für sein Geschäft hat Scharbaum indes nicht gesehen. Dass er selbst wieder die Metzgerei übernehme, wie er es von alten Stammkunden schon mehrfach gehört haben wird, komme nicht Frage für ihn, sagt Scharbaum. „Ich wollte damals kürzer treten“, sagt er. Jetzt eine Rolle rückwärts zu machen, komme nicht in Frage und sei auch keine nachhaltige Lösung für das Ladenlokal am Roggenmarkt.
Leiterin des Medienhauses Lünen Wer die Welt begreifen will, muss vor der Haustür anfangen. Darum liebe ich Lokaljournalismus. Ich freue mich jeden Tag über neue Geschichten, neue Begegnungen, neue Debatten – und neue Aha-Effekte für Sie und für mich. Und ich freue mich über Themenvorschläge für Lünen, Selm, Olfen und Nordkirchen.
