Ruhestandswelle bei Lüner Hausärzten Nachwuchsbedarf spitzt sich vor allem im Norden zu

Nachwuchssorgen bei Hausärzten: Situation spitzt sich zu
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Tausende Lüner Patienten müssen sich in den kommenden Jahren einen neuen Hausarzt suchen. Etwa 35 Prozent der Ärztinnen und Ärzte sind älter als 60 und gehen demnächst in den Ruhestand. Weil sich nicht genug Nachfolger finden, wird die Zahl der Hausarztpraxen künftig sinken.

Das Thema hat die Lüner längst eingeholt. Ende 2021 gab Dr. Elisabeth Meiß ihre Praxis in der Innenstadt ab. Vergeblich hatte sie einen Nachfolger gesucht. Ihre Patientinnen und Patienten mussten sich im Umkreis neu orientieren.

Das ist jetzt auch in der Praxis an der Ernst-Becker-Straße 46 der Fall: Zum 31. März verabschieden sich die Allgemeinmediziner Dres. Frank und Katrin Mariß in den Ruhestand. Frank Mariß hatte die Traditionspraxis 2001 übernommen, seine Frau Katrin kam als Ärztin drei Jahre später dazu. Die letzte Sprechstunde wird am Dienstag, 23. März, sein. Danach steht Ausräumen an. Ein Abschied für immer: Für die Doppelpraxis gibt es keinen Nachfolger.

Ärzte fangen Patienten auf

Die Patienten sollen nicht ohne hausärztliche Versorgung dastehen. „Die Lüner Ärzteschaft hat untereinander besprochen, wer Kapazitäten hat“, sagt Dr. Arne Krüger, Vorsitzender des Lüner Ärztevereins. Man stehe auch in engem Austausch mit der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL). Dabei müssten die Ärztinnen und Ärzte sehr genau schauen, was noch geht. Denn auch das gehört zur Wahrheit: Die Zeit pro Patient ist endlich. Müssen mehr Kranke behandelt werden, verdichten sich die Patientenkontakte. „Lange Gespräche kann man sich dann nicht mehr leisten“, sagt Krüger.

Einen Teil könnten Ärzte zwar an ihre Medizinischen Fachangestellten (MFA) abgeben. Doch auch das ist eher Theorie, denn es gibt einen Mangel an ausgebildetem Personal. Die Situation ist schwierig.

Versorgungsgrad von 98 Prozent

Dr. Arne Krüger, Vorsitzender des Lüner Ärztevereins.
Die Lüner Ärzte haben ihre Kapazitäten ausgelotet, um die Patientinnen und Patienten der Praxis Mariß aufzufangen, so Dr. Arne Krüger, Vorsitzender des Lüner Ärztevereins. © Quiring-Lategahn (A)

So wächst der Druck auf die verbliebenen Hausärzte. Wie viele Mediziner in der ambulanten Versorgung tätig sind, regelt die Bedarfsplanung des Gemeinsamen Bundesausschusses. Danach soll ein Hausarzt für 1607 Einwohner zuständig sein. Im Ruhrgebiet liegt die Zahl mit 1.779 Einwohnern pro Arzt deutlich höher. Das hängt mit der engen Verflechtung von Städten zusammen. Allerdings wird dieser Ruhrgebiets-Sonderstatus allmählich angeglichen. Die nächste Anpassung soll 2024 sein.

Die Bedarfsplanung in Lünen bezieht sich auf den sogenannten Mittelbereich, zu dem die Städte Lünen und Selm gehören. Hier sind laut KVWL momentan 62,5 Hausärzte (bezogen auf Vollzeitstellen) tätig. Das entspricht einem Versorgungsgrad von 98 Prozent. Es können sich noch Hausärzte niederlassen. Bei 63,7 Medizinern ist der Bereich statistisch betrachtet zu 100 Prozent versorgt.

Arne Krüger sagt dazu, man stehe in Lünen noch vergleichsweise gut da. In Bergkamen liegt der Versorgungsgrad bei 88,9, in Werne bei 96 Prozent.

Keine Altersgrenze

Altersbegrenzungen für Hausärzte gibt es nicht. Manche sind in Lünen auch noch mit 70 tätig. Sollten sie plötzlich gesundheitlich ausfallen, müssten ganz kurzfristig Lösungen gefunden werden. In Brambauer sei der Generationswechsel bei den Hausärzten größtenteils vollzogen. Kritischer sei es jetzt im Lüner Norden.

Junge Ärzte wollen kaum mehr Hausarztpraxen übernehmen. „Generell lässt sich sagen, dass die Nachbesetzung von Arztsitzen in vielen Regionen, vor allem im ländlichen Bereich, schwieriger wird, da sich nicht genug junge Medizinerinnen und Mediziner für eine (eigene) Praxis entscheiden“, bestätigt auch ein Sprecher der KVWL.

Dr. Arne Krüger sagt es drastischer: Der Berufsbereich Hausarzt werde nicht als attraktiv wahrgenommen. Neben den Arbeitszeiten spielten der Ärger mit Kostenträgern und letztlich die persönliche Haftung eine Rolle. Hinzu käme das wirtschaftliche Risiko.

Trotzdem wirbt Krüger für den Beruf des Hausarztes. Er würde den Schritt immer wieder gehen. Das Spannende daran: Er kennt seine Patienten und ihre Krankengeschichten über Jahre. Die Warnglocken höre man dadurch viel eher läuten.

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