„Rotorblätter von Windrädern sind Problemmüll“

Remondis-Geschäftsführer im Interview

Die Ende der 1990er-Jahre eingeleitete Energiewende in Deutschland erzeugt nach Angaben des führenden deutschen Recylingkonzerns Remondis (Lünen) große Mengen Problemmüll. Was dahinter steckt, und warum es sich lohnt, Müll zu trennen, erklärt der Remondis-Manager Herwart Wilms in diesem Interview.

Lünen

, 01.12.2017, 17:45 Uhr / Lesedauer: 6 min
Remondis-Geschäftsführer Herwart Wilms

Remondis-Geschäftsführer Herwart Wilms © Goldstein

Herr Wilms, wie viele Mülltonnen haben Sie zu Hause?

Ich habe eine blaue Tonne fürs Papier, ich habe eine gelbe Tonne für die Leihstoffverpackungen, ich habe eine braune Tonne für den Biomüll, die ist in manchen Regionen auch schon mal grün, und ich habe eine graue Tonne für den Rest.

Sind Sie ein Fan von Mülltrennung?

Ich bin ein überzeugter Mülltrenner. Nicht nur in dem was ich verkünde, sondern auch in dem, was ich zu Hause tue. Ich weiß, dass die beste Voraussetzung, um Produkte wieder erfolgreich in den Kreislauf hineinzuführen, die Trennung ist. Auch wenn andere etwas anderes sagen: Niemand trennt so gut wie der Haushalt. Deshalb müssen wir den Haushalt darin bestärken, weil der damit wirklich etwas Gutes tut. Ich mache das aus Überzeugung.

Kritiker sagen, das bringt nichts. Am Ende landet doch alles in der Verbrennungsanlage. Ist das so?

Das ist natürlich nicht so. Es gibt Restabfälle, kommunale Restabfälle aus der schwarzen Tonne, die landen inzwischen bei uns in der Müllverbrennungsanlage. Und das ist auch gut so. Seit dem 1. Juni 2005 ist die Deponierung von organischem Material verboten. Das hat Deutschland beim Thema Klimaschutz ganz weit nach vorne gebracht.

Wieso?

Das Material, das beim Vergären von Bioabfall entsteht, ist Methangas. Das ist eines der fünf Kyoto-Gase. Und es ist 24 Mal klimaschädlicher als CO2. Mit dem Verbot hat Deutschland das Kyoto-Ziel erreicht. Wir verbrennen heute diese organischen Abfälle. Das hilft uns dabei, das Grundwasser zu schonen. Bei allen anderen Dingen haben haben wir ganz, ganz hohe Recycling-Quoten. Wir haben beim Glas Quoten deutlich über 90 Prozent, beim Papier deutlich über 85 Prozent.

Was ist mit dem Inhalt des gelben Sacks?

Im gelben Sack sind unsere Dosen, Weißblechdosen. Recyclingquote 100 Prozent. Denn wir können Weißblechdosen mit einem leichten Mechanismus, nämlich Magnetismus, da rausnehmen. Gleiches gilt für Aluminiumdosen. Worüber reden wir also?

Immer noch über den gelben Sack.

Wir reden über die verbundenen Stoffe und die Kunststoffe, die da drin sind. Bei Kunststoff ist es bisher so, dass der Gesetzgeber uns gesagt hat, dass 36 Prozent der Menge rohstofflich verwertet werden muss. Der Rest durfte und konnte thermisch verwertet werden. Da ist die Verbrennung eine Form der thermischen Verwertung. Insofern schütten Kritiker das Kind mit dem Bade aus, wenn sie sagen, Abfalltrennung bringt überhaupt nichts. Übrigens, mit dem neuen Verpackungsgesetz ist Kunststoff jetzt zu 63 Prozent rohstofflich zu verwerten.

Warum ist Recycling so wichtig?

Weil die Menschheit der Erde so viele Rohstoffe entzieht und diese endlich sind. Wir haben keine zweite Erde. Lassen Sie mich Folgendes dazu sagen.

Bitte.

Wir laufen darauf zu, dass wir bald keine Rohstoffe mehr haben. Deshalb müssen wir etwas dafür tun, dass wir die Rohstoffe wirklich in einem Kreislauf bewegen. Heute ist es so, dass der Produktdesigner eines Autos allein in seinem Design-Stüberl sitzt. Wenn er das Auto fertig designt hat, dann geht es in die Produktion. Der Produzent verkauft das Auto. Der Käufer verkauft es vielleicht noch einmal usw. Am Ende bekommen wir den Wagen. Dann gucken wir, was da so drin ist. Dann sehen wir Teile, die kann man ganz gut recyceln. Da sind aber auch Teile drin, die kriegen wir nicht mehr auseinander. Das ist ein großes Problem.

Deshalb will ihre Branche mit am Designer-Tisch sitzen?

Das wäre gut, dann können wir richtiges Recycling machen.

Zur Unternehmensstrategie von Remondis zählen Firmenübernahmen. Sind zurzeit Akquisitionen geplant?

Wir sind permanent bereit und in der Lage dazuzukaufen. Da bieten sich gerade viele Möglichkeiten. In unserem Kernmarkt kommen viele Unternehmer in ein Alter, wo sie die Betriebe abgeben wollen. Oft finden sie keinen Nachfolger in der Familie. Also stehen diese Firmen zum Verkauf.

Das sind zum Teil sehr kleine Unternehmen mit einem Jahresumsatz von weniger als zwei Millionen Euro. Wir werden jeden Tag angesprochen. Wo es passt, da bieten wir auch mit.

Klingt so, als spielt Geld keine Rolle?

Es ist die Philosophie des Unternehmens, dass wir weiter wachsen wollen. Wir können das auch. Das liegt daran, dass die Gesellschafter des Unternehmens sich entschieden haben, die Gewinne nicht zu entnehmen. Mehr als 90 Prozent der Gewinne bleiben im Unternehmen. Damit verfügen wir über ein sehr großes Eigenkapital, sodass wir die Wachstumsstrategie ohne Banken umsetzen können.

In einem Interview mit einem Wirtschaftsmagazin haben Sie vor zu großen Mengen an High-Tech-Schrott mit Blick auf die Energiewende gewarnt, speziell vor Windrädern. Warum?

Die Rotorblätter von Windrädern werden der Leichtigkeit und Stabilität wegen aus Verbundstoffen und Carbonfasern hergestellt, die sich nicht mehr trennen und damit recyceln lassen. Damit bin ich an einem Punkt, an dem ich mich frage, wie kann es eigentlich sein, dass zweistellige Milliardensummen von unser aller privatem Geld investiert wird in die Energiewende und die Windkraft. Wohlwissend, dass die Rotorblätter nicht recycelbar sind. Ich kann sie noch nicht einmal verbrennen. Das ist der Problemmüll von morgen. In Deutschland stehen rund 28.400 Windanlagen. Jedes hat drei Rotorblätter, das zwischen 18 und 25 Tonnen wiegt. Da kommt eine Menge Schrott zusammen – öffentlich subventioniert. Das halten wir für falsch.

Für Remondis arbeiten weltweit über 30.000 Menschen, der Jahresumsatz 2016 lag bei 6,4 Milliarden Euro. Wäre es da nicht sinnvoller, von einem Konzern als von einem Familienunternehmen zu reden?

Das verbotene Wort bei uns ist Konzern. Weil wir mit Konzern verbinden, dass Prozesse zu langsam werden, dass Entscheidungsstrukturen zu kompliziert werden, dass wir nach fremden Kriterien entscheiden. Wir sind ein Familienunternehmen. Wir müssen uns zum Beispiel nicht am Aktienkurs orientieren. Wir müssen nicht darauf achten, was wir in der Presse sagen, sodass der Aktienkurs möglicherweise steigt oder fällt. Wir müssen nicht auf die Vertragslaufzeit unseres Vorstandsvorsitzenden achten, der ist ein Familienmitglied. Wir können genau das tun, was für das Unternehmen und seine Mitarbeiter richtig ist.

Worauf müssen Sie denn achten?

Ausschließlich auf die Dinge, die für die Logik des Geschäftes wichtig sind. Wir haben weltweit unfassbar viele Gesellschaften, die zum Teil auch sehr klein sind. Die Geschäftsführer agieren selbstständig. In der Firmenzentrale achten wir darauf, dass der richtige Mann am richtigen Ort arbeitet. Das klappt in aller Regel gut.

Seit 1993 wurden hier am Standort 400 Millionen Euro investiert. Wie geht es weiter?

Wir investieren natürlich weiter. Nicht nur, wenn da mal etwas kaputt geht oder wenn es neue technische Standards gibt. Hier sind noch Flächen frei. Wir können uns durchaus vorstellen, dass wir sowohl den administrativen Bereich als auch technische Bereiche ausbauen.

Bis Ende 2018 wollen Sie mit der kreiseigenen Abfalltochter GWA hier auf dem Gelände eine Vergärungsanlage bauen. Damit soll aus Biogas Strom produziert werden. Wie viel Geld nehmen Sie dafür in die Hand?

Das ist zurzeit noch Gegenstand von Verhandlungen und laufenden Planungen. Insofern können wir dazu keine konkreten Zahlen nennen.

Erste Stimmen werden laut die befürchten, dass es durch diese Anlage zu Geruchsbelästigungen kommt. Was sagen Sie dazu?

Die Anlage wird nach neuestem technischen Standard gebaut. Alle Prozesse sind dann eingehaust und finden in geschlossenen Räumen mit Filterung der Abluft statt. Eine Geruchsbelästigung ist somit praktisch ausgeschlossen. Lünen soll ja das Kreislaufzentrum von Deutschland sein. Ist das so?

Das stimmt absolut. Das liegt aber nicht nur an uns, das liegt auch an Aurubis.

Trotzdem ist Lünen ja nicht gerade der Nabel der Welt. Wenn Sie ausländische Geschäftspartner zu Besuch haben, laden Sie die dann auch zu einem Stadtbummel ein?

Wir zeigen denen natürlich auch die Innenstadt. Es gibt da ja auch das eine oder andere kleine Restaurant mit typisch regionalen Speisen. Die Eigentümerfamilie ist stark bekennend zu ihrer Herkunft. Selm, Lünen, das sind Orte, zu denen man steht und die man gerne zeigt.

Der Privatmann „Allein können wir die Welt nicht retten, aber wir können sie ein Stück bessermachen.“ Mit wir meint Herwart Wilms (56) jeden einzelnen (privaten) Müllproduzenten und natürlich seinen Arbeitgeber Remondis. So wie der zweifache Familienvater und Topmanager das sagt, klingt es absolut überzeugend. Seit 2005 ist Wilms für Remondis unterwegs. Davor arbeitete der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler sowie Germanist für den Essener Energieriesen RWE in verschiedenen Funktionen. 1961 in Mönchengladbach am Niederrhein geboren, schlägt sein Herz „natürlich“ für Borussia Mönchengladbach – und für die rheinische Küche. Wenn es die Zeit erlaubt, stellt sich der Hobbykoch gerne in die Küche und zaubert für Freunde und Bekannte „einen richtigen Sauerbraten“ auf den Tisch. Eine gute Grundlage für ein gutes Glas Rotwein. Das ist Remondis Die Remondis-Gruppe befindet sich im Besitz der Familie Rethmann. Remondis hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einem international führenden Unternehmen für Recycling, Service und Wasser entwickelt. Die Gruppe beschäftigt über 30.000 Mitarbeiter an rund 800 Standorten in 34 Ländern in Europa, Afrika, Asien und Australien. Am Firmensitz in der Lippestadt arbeiten über 1400 Menschen – Tendenz steigend. Das Remondis-Lippewerk mit der Firmenzentrale an der Brunnenstraße ist mit einer Fläche von 230 Hektar das größte Zentrum für industrielles Recycling in Europa. Im Lippewerk werden Abfälle so aufbereitet, dass sie als Rohstoffe in den Wirtschafts- oder Energiekreislauf zurückgeführt werden können. Daneben stellt das Unternehmen hier vor Ort Grundstoffe, Spezialprodukte und Industriegüter her. In dem Werk wird auch Biodiesel erzeugt.