Eigentlich hatte Hertha Schmidt (Name von der Redaktion geändert) seit einiger Zeit einen Vertrag mit einem scheinbar günstigen Anbieter für Strom und Gas. Die 73-Jährige aus Lünen muss genau auf jeden Cent schauen, denn sie bezieht nur eine kleine Rente. Doch dann stellte der Anbieter die Lieferung von Strom und Gas plötzlich ein, aufgrund der höheren Energiekosten. Ohne seine Kunden darüber zu informieren.
Auch Hertha Schmidt erfuhr nichts davon. Merkte es auch nicht, denn in solchen Fällen rutschen die Kunden in die Ersatzversorgung des Grundversorgers, in diesem Fall die Stadtwerke Lünen. „Die Stadtwerke müssen alle Lüner Haushalte versorgen, die von ihrem Anbieter nicht mehr beliefert werden“, so Pia Blödow von der Lüner Verbraucherberatung, die auch für Selm und Werne zuständig ist.
Der Tarif war nun deutlich teurer als der bisherige Tarif beim anderen Anbieter. Nach den Wintermonaten flatterte eine hohe Nachforderung in den Briefkasten der Rentnerin, Sie sollte über 700 Euro für Gas nachzahlen. Pia Blödow: „Aber mit ihrer kleinen Rente konnte sie höchstens zehn bis 15 Euro pro Monat abstottern, Das war den Stadtwerken zu wenig.“ Daraufhin wandte sich Hertha Schmidt an die Lüner Verbraucherberatung. Denn sie hat keine Angehörigen, die sie unterstützen und die Forderung war für sie ein richtiger Schlag.
Früherer Anbieter muss Schadensersatz zahlen
Pia Blödow und ihre Kolleginnen stellten schnell fest, dass es eine Lösung für das Problem der Rentnerin gibt. „Der frühere Anbieter ist schadensersatzpflichtig, muss die Differenz zwischen seinem Tarif und dem des Grundversorgers zahlen“, so die Verbraucherberaterin. Zunächst bat sie die Stadtwerke um einen Mahnstopp, informierte sie darüber, dass man sich um den Schadensersatz kümmern wolle.
Mit dem alten Versorger verhandelte die Verbraucherberatung dann über den Schadensersatz. Erfolgreich. „Der alte Anbieter hat schließlich den Schadensersatz aufs Konto von Frau Schmidt überwiesen. Damit konnte sie die Nachzahlungs-Forderung bezahlen und hatte sogar noch eine Kleinigkeit übrig, um sich und ihrem Hund eine kleine Freude zu bereiten.“

Im Jahr 2022 waren Fragen rund um Energiethemen mit 43 Prozent die Nummer 1 bei den Verbraucherproblemen im Nordkreis. „Die Energiepreiskrise und die Inflation haben vielen Verbrauchern große Sorgen bereitet“, so Jutta Gülzow, Leiterin der Lüner Verbraucherberatung.
Die Unsicherheit sorgte dafür, dass deutlich mehr Verbraucher den Rat der Expertinnen suchten. Das zeigt auch der Jahresbericht 2022, den Jutta Gülzow und Pia Blödow kürzlich dem Ersten Beigeordneten der Stadt Lünen, Axel Tschersich, überreichten. „Die Verbraucherzentrale ist für alle Bevölkerungsschichten wichtig und sehr wertvoll“, so Tschersich.
Viele Menschen haben Existenzängste
„Die Menschen hatten Existenzängste, fürchteten, dass sie die laufenden Kosten bei ihrem Einkommen nicht stemmen können“, so Jutta Gülzow. Aufgrund der Preissteigerungen hätten sich mehr Verbraucher mit dem eigenen Strom-, Öl- und Gasverbrauch auseinander gesetzt. „Viele haben auch Einsparpotenziale gefunden.“
Der Fall von Hertha Schmidt war kein Einzelfall. Es gab einige Anfragen von Verbrauchern, deren Anbieter die Lieferung eingestellt oder trotz Preisgarantie die Preise erhöht haben. Gülzow: „Die Energie-Rechtsberatung hat stark zugenommen, wir können die Interessen der Verbraucher im außergerichtlichen Bereich vertreten.“
Mehr Ärger als früher gab es auch mit Fakeshops im Internet, die Waren gegen Vorkasse anbieten. Das Risiko liegt beim Verbraucher, Mehrfach wurde die bestellte und bezahlte Ware nie geliefert. Gülzow: „Man sollte sich Zeit fürs Kleingedruckte nehmen, Und es gibt ein neues Tool der Verbraucherzentrale, einen Fakeshop-Finder, bei der man Bewertungen der Internetshops findet.“
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