So sieht die bislang einzigartige Tetraphos-Anlage in Hamburg aus, die Remondis auch in Lünen bauen will. © Julia Unkel/Remondis

Phosphor aus Klärschlamm

Remondis plant landesweit einzigartige Verbrennungsanlage in Lünen

Remondis erprobt in Hamburg etwas, das es bislang nirgendwo sonst gibt: eine Klärschlammverbrennungsanlage, die zugleich Phosphor zurückgewinnt. Lünen soll jetzt auch so eine Anlage bekommen.

Lünen

, 08.08.2021 / Lesedauer: 4 min

Klärschlamm ist ein Thema, mit dem sich die meisten Menschen eher ungern beschäftigen. Müllverbrennung ebenso. Beides riecht unangenehm und steckt voller Gefahren. Umso erstaunlicher, dass es Klärschlammverbrennung ganz nach oben auf die Agenda neuer Herausforderungen und nachhaltiger Chancen geschafft hat. Das gilt nicht nur für Fachleute, sondern auch für Politikerinnen und Politiker und jetzt auch für die Lüner Öffentlichkeit. Das Unternehmen Remondis spielt dabei eine Schlüsselrolle.

In Hamburg steht die weltweit erste Phosphor-Recyclinganlage - direkt neben der dortigen Klärschlammverbrennungsanlage. Remondis hat die Anlage entwickelt, in den vergangenen eineinhalb Jahren aufgebaut und betreibt sie jetzt im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft zusammen mit dem Hamburger Wasserversorger „Hamburg Wasser“: ein Quantensprung im Wettlauf gegen den weltweiten Ausverkauf eines Bausteins jeglichen Lebens - Phosphor. Er steckt nicht nur in jeder Zelle, sondern auch in Dünger, ohne den Hungerkrisen noch gewaltiger ausfallen würden als ohnehin schon.

In spätestens 300 Jahren sind alle Förderstätten erschöpft

Die phosphathaltigen Gesteinslager gehen zur Neige - und das bei rasant wachsender Nachfrage. Zwei Drittel der Ressourcen lagern in China, Marokko und der von Marokko beanspruchten Westsahara. Viele andere Länder, darunter auch Deutschland und nahezu die gesamte EU, verfügen nicht über eigene Vorkommen. Die Prognosen, wann die weltweiten Phosphor-Vorräte komplett erschöpft sein werden, schwanken. „Zwischen 100 und 300 Jahren“, schreibt etwa der Naturschutzbund Deutschland (Nabu): in jedem Fall trübe Aussichten, auf die die Bundesregierung bereits 2017 reagiert hatte.

Remondis plant in Lünen eine Phosphatrückgewinnungsanlage. © Remondis (A)

Auf Vorschlag der damaligen Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hatte die Bundesregierung 2017 eine Änderung der Klärschlammverordnung beschlossen. Auf dieser Grundlage müssen Abwasserbehandlungsanlagen umgerüstet werden, um sie auf das Phosphorrecycling vorzubereiten – ein technisch aufwendiger Prozess, der mehrere Jahre dauern kann, wie es damals hieß. Und von dem zu diesem Zeitpunkt auch noch niemand wusste, wie genau er funktionieren kann.

1,8 Gramm Phosphor produziert jeder am Tag

Der begehrte Rohstoff ist allgegenwärtig, erfährt aber wenig Beachtung. Etwa 1,8 Gramm Phosphor scheidet jeder Mensch pro Tag aus - und zieht ab. Über die Toilette gelangt das Phosphor in die Kläranlagen, wird dort aus dem Abwasser herausgeholt und endet im Klärschlamm. Und damit meistens ungenutzt in Verbrennungsanlagen und Deponien. Auf Äckern dagegen kaum noch: Im Jahr 2019 - das sind die jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes - wurde nur noch knapp ein Fünftel der kommunalen Klärschlämme in der Landwirtschaft eingesetzt, Tendenz: fallend gegen Null. Denn neben Dünger erhalten die Schlämme laut Bundesumweltamt auch gesundheitsgefährdende Schadstoffe wie Chemikalien, Schwermetalle, Pharmaka: ein unkalkulierbares Risiko.

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Die neue Klärschlammverordnung hat bundesweit zum Umdenken gezwungen - und das in einem absehbaren Zeitraum: Ab 2029 sind alle Betreiber von großen Abwasserbehandlungsanlagen verpflichtet, Phosphor aus ihrem Klärschlamm

durch Verbrennung zurückzugewinnen. Ab 2032 gilt dies auch für kleinere Anlagen. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen lässt die NRW-Landesregierung Anfang 2021 durchblicken, wie groß diese Herausforderung ist, denn aktuell sind die technischen Voraussetzungen, um der Verordnung ab 2029 nachzukommen, in NRW in keiner Anlage gegeben.

Andere Verfahren werden gerade verworfen

Viele technische Verfahren zur Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlamm befinden sich zurzeit noch in Entwicklung und Erprobung. Wie die Grünen-Politiker Johannes Remmel und Norwich Rüße mit Verweis auf den Sachstandsbericht in ihrer Kleinen Anfrage schreiben, zeichne sich ein Trend bereits deutlich ab: „Dass die effektivsten Verfahren auf Mono-Klärschlammverbrennungsanlagen setzen, bei denen der Phosphor im gleichen

Anlagenkomplex zurückgewonnen wird“ - so etwa wie beim derzeit einzigen großtechnischen Verfahren, dem sogenannten Tetraphos-Verfahren von Remondis in Hamburg. Laut Branchenmagazin Euwid recycelt es aus rund 20.000 Tonnen Klärschlammasche 7.000 Tonnen hochreine Phosphorsäure. Andere Verfahren, bei denen Phosphor bereits im Rahmen der Abwasserbehandlung zurückgewonnen wird, würden den Anforderungen dagegen zumeist nicht gerecht und würden daher von den Betreibern größtenteils verworfen.

Innovatherm will die Kapazitäten erweitern. © Günther Goldstein

Lünen an der Spitze: Innovatherm will auch erweitern

Aktuell sind laut Landesregierung in NRW sieben Projekte in Planung, um zusätzliche Kapazitäten für die Mono-Klärschlammverbrennung zu schaffen - gleich zwei davon in Lünen.

Die bereits seit 1997 bestehende Klärschlammverbrennungsanlage der „Innovatherm Gesellschaft zur innovativen Nutzung von Brennstoffen“ an der Frydagstraße soll ausgebaut werden. Geplant ist eine Erweiterung um eine Trocknungsanlage auf eine Kapazität von rund 120.000 Tonnen Trockenmasse pro Jahr.Die Firma Remondis, die bereits seit langem Klärschlämme unterschiedlicher Herkunft in der eigenen Wirbelschichtfeuerungsanlage des Lippewerks verwertet, plant an der Brunnenstraße eineKlärschlammverbrennungsanlage mit einer Kapazität von 30.000 Tonnen Trockenmasse pro Jahr zu errichten. Am gleichen Standort soll aber auch eine Phosphor-Rückgewinnungsanlage nach dem patentierten Tetraphos-Verfahren gebaut werden. Bundesweit und international seien weitere Projekte auf Basis dieses Verfahrens geplant, so der Unternehmenssprecher.

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