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Ratsvertreter über Bürgermeister: „Wir sind besorgt um unser Lünen“
Politischer Streit
Der Lüner Rat hat Recht bekommen im Haushalts-Streit mit dem Bürgermeister. Sie seien „zufrieden, erleichtert, besorgt“, schrieben SPD, CDU, GFL, Grüne und FDP in seltener Einmütigkeit.
Der Streit zwischen Bürgermeister und Stadtrat schwelt schon lange in Lünen. Eskaliert ist er kurz vor Weihnachten 2021 bei der Verabschiedung des Haushalts. Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns hatte kurz vor der Abstimmung eine Änderung vorgenommen: Ein Spitzenbeamter sollte befördert werden. Der Rat lehnte ab - aus Protest gegen das Verfahren. Auch der Bürgermeister wurde daraufhin grundsätzlich. Wenn eine Stellenbeschreibung vorliege, gebe es keinen Handlungsspielraum. Der Mann müsse leistungsgerecht bezahlt werden. Die Folge: Wegen der strittigen 500 Euro mehr im Monat für den Mitarbeiter wurde der gesamte 300-Millionen-Euro-Etat der Stadt auf Eis gelegt - bis zur Entscheidung der Kommunalaufsicht.
Die fiel bereits am 2. März. Sie erreichte das Lüner Rathaus am Montag (7. 3.). Die Fraktionsspitzen und die Öffentlichkeit erfuhren zwei Tage später, am Mittwochabend, wie Kreisdirektor Mike-Sebastian Janke entschieden hat - nämlich gegen die Rechtsauffassung des Bürgermeisters und der von ihm konsultierten Anwaltskanzlei aus Düsseldorf und für den Stadtrat. Warum Janke zu dieser Auffassung gekommen ist, war der Mitteilung Stadtverwaltung nicht zu entnehmen. Auch auf Anfrage wollte Kleine-Frauns die schriftliche Begründung aus Unna nicht aus der Hand geben. Sie sei lediglich an ihn adressiert, ließ er mitteilen.
Stellungnahme der Kommunalaufsicht hat acht Seiten
Immerhin ließ er auf Anfrage die acht Din-A-4-Seiten auf einen schmalen Absatz zusammenfassen: „Die Kommunalaufsicht ist – im Gegensatz zu der von Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns beauftragten Fachanwaltskanzlei – im Ergebnis der Auffassung, dass eine Dienstpostenbewertung nicht dem Dienststellenleiter vorbehalten ist, sondern durch eine abweichende Entscheidung des Rates ersetzt werden kann.“ Außerdem sei sie zu dem Schluss gekommen, „dass die Bewertung der Stelle, wie sie in dem vom Rat beschlossenen Stellenplan ausgewiesen ist, nicht gegen das Landesbesoldungsgesetz NRW verstößt“ - anders, als Kleine-Frauns es auch mit Verweis auf die spezialisierte Düsseldorfer Kanzlei betont hatte. Der Stellenplan ist laut Kommunalaufsicht ohnehin „nur Anlage und nicht Bestandteil des Haushaltsplans“.

In der Sondersitzung zum Haushalt im Februar 2022 hatte Rüdiger Billeb (SPD) die gemeinsame Erklärung von SPD, CDU, GFL, Grünen und FDP vorgelesen. Jetzt gibt es wieder eine gemeinsame Erklärung. © Storks
Der Streit mit dem Bürgermeister, der in seiner zweiten Wahlperiode ohne Unterstützung der GFL in den Wahlkampf gegangen war, hat die Fraktionen zusammenrücken lassen - in der Sonderratssitzung Anfang Februar und auch jetzt. In beiden Fällen haben nicht nur SPD und CDU, die öfters politisch zusammen agieren, sondern auch GFL, die Grünen und die FDP eine gemeinsame Erklärung abgegeben: damals, um gemeinsam die Kommunalaufsicht anzurufen. Jetzt, um gemeinsam das Ergebnis zu bewerten.
Politik sieht „eindeutiges Signal für die Unrechtmäßigkeit“
„Wir sind zufrieden über die Eindeutigkeit, mit der die Kommunalaufsicht (...) die Beanstandung des Haushaltsbeschlusses (...) quasi ad absurdum führt“, schreiben sie. Diese Bewertung sei ein „derart eindeutiges Signal für die Unrechtmäßigkeit des Handelns von Bürgermeister Kleine-Frauns, dass es uns besorgt, dass dieser als Volljurist den Sachverhalt komplett falsch einschätzen konnte“. Nicht nur er lag falsch, sondern auch die Fachanwaltskanzlei. Wie teuer deren Rat war, wollen die Fraktionssprecher der Parteien jetzt genau wissen.
Nicht nur zufrieden äußern sie sich, sondern auch erleichtert, weil „parallel zur Entscheidung der Kommunalaufsicht auch die Genehmigung des Haushaltssanierungskonzepts der Bezirksregierung Arnsberg bei der Stadt eingegangen ist“. Der Dank an die Bezirksregierung geht nicht ohne Seitenhieb auf den Bürgermeister einher. Die Behörde in Arnsberg habe „die Bedeutung eines genehmigten Haushalts für eine Kommune wie Lünen ganz offensichtlich verantwortungsbewusster bewertet“ als der eigene Bürgermeister.
Zweifel, ob Kleine-Frauns „willens und in der Lage ist“ zu moderieren
In der gemeinsamen Erklärung zeigen sich die Politikerinnen und Politiker aber auch besorgt. Der Bürgermeister habe versucht, „die Ratsfraktionen mit ungerechtfertigten Argumenten vorzuführen und sogar noch unter Druck zu setzen“. Außerdem würde er die Umsetzung von Beschlüssen verhindern oder konterkarieren. Wie tief der Graben zwischen dem gewählten ersten Bürger und seinem Stadtrat inzwischen ist, zeigen der überparteilichen Zweifel, „dass Bürgermeister Kleine-Frauns als Leiter der hauptamtlichen Verwaltung willens und in der Lage ist, mit der ehrenamtlichen Kommunalpolitik (...) gemeinsam Entscheidungen zum Wohle Lünens zu moderieren. (...) Wir sind besorgt um unser Lünen.“
Wie angesichts dieser großen Sorgen ein Zusammenrücken erfolgen kann? Die Fraktionen betonen, dass ihre Hand ausgestreckt bleibe. Bürgermeister Kleine-Frauns hatte zuvor schon angekündigt, sich mit den Fraktionsvorsitzenden im Ältestenrat an einen Tisch zu setzen, um über die künftige Zusammenarbeit zu sprechen.
Gemeinsame Herausforderungen warten
Herausforderungen gibt es in Lünen derzeit mehr als genug: Die hochverschuldete Stadt stellt mit der Gestaltung der Steag-Fläche und der Caterpillar Fläche gerade wichtige Weichen für die wirtschaftliche Entwicklung der gesamten Region. Außerdem steht die Internationale Gartenausstellung (IGA) 2027 vor der Tür.
Leiterin des Medienhauses Lünen Wer die Welt begreifen will, muss vor der Haustür anfangen. Darum liebe ich Lokaljournalismus. Ich freue mich jeden Tag über neue Geschichten, neue Begegnungen, neue Debatten – und neue Aha-Effekte für Sie und für mich. Und ich freue mich über Themenvorschläge für Lünen, Selm, Olfen und Nordkirchen.
