Die Klischees über Rapper sind recht eindeutig: protzig, beleidigend und mehr im Bizeps als im Kopf. Wie falsch man mit diesem Vorurteil liegen kann, zeigt Civo aus Lünen. Der 25-Jährige ist eloquent, ziemlich leidenschaftlich und trotz seines plötzlichen Erfolges scheint er auf dem Boden geblieben. Denn es lief für ihn nicht immer so rosig.
Noch vor einem Jahr war die Musik für Civo, der diesen Namen als Künstlernamen gewählt hat, ein brotloses Hobby. Bis der Erfolg sich im Jahr 2022 anbahnte. Der Titel „Weg Von Mir“ schlug ein. Der mit Gold ausgezeichnete Song hat mittlerweile über 65 Millionen Streams. Ganze 31 Wochen war das Lied in den Charts. Ein Erfolg, an den der gebürtige Lüner nun anknüpfen möchte.
Alles begann mit TikTok
Dass „Weg Von Mir“ einschlagen könnte, hat sich bereits im Vorfeld auf Tiktok angedeutet. Einen kurzen Schnipsel des Songs hatte Civo mit einem Kollegen dort hochgeladen. Mit Erfolg: Ganze 700.000-Mal sei das Sample angehört worden. Civo zum TikTok Auftritt: „Dass ich überhaupt auf TikTok angefangen habe, war eigentlich die Schuld meines Kollegen. Der hat mich am Anfang schon ein bisschen dazu gezwungen.“
Die vielen Reaktionen auf die Hörprobe blieben nicht lange unbeachtet: „Kurz nach der Veröffentlichung auf Tiktok haben sich schon die Labels bei mir gemeldet.“ Ab da habe sich die Lage stetig weiterentwickelt. Civo unterschrieb einen Vertrag und die Veröffentlichung des kompletten Songs „Weg Von Mir“ stand kurz bevor.
„Zwei Tage vor Release bin ich mit Kollegen in ein Airbnb nach Berlin. Da haben wir dann auch den Start verfolgt“, erinnert sich der Lüner. „Doch mit dem Erfolg konnte keiner rechnen. Das war schon überkrass. Ich dachte nur: ,Ach du Scheiße, was geht hier ab?‘“

Mit dem Erfolg kommt der Druck
Civo – das merkt man auch im Gespräch – ist emotional. Er ist mit Leidenschaft dabei und sichtlich begeistert von seinem Erfolg. Doch schlägt er schnell ernste Töne an: „Ich musste jetzt Zahlen bringen, das war mir klar.“ Kaum zeichnete sich der Erfolg des Songs ab, musste eine Strategie her. Civo: „Der Erfolg lief über mehrere Wochen. Wir haben beschlossen, erst mal nichts mehr zu veröffentlichen.“
Der Übergang von Hobby zum Job war rabiat. „Du arbeitest den ganzen Tag. Ich habe Druck, denn ich will ja an den Erfolg anschließen“, sagt der Musiker. Er bereue aber nichts. Der Druck sei manchmal wirklich heftig. Trotzdem könne er sich nichts Besseres vorstellen.
Gemerkt habe er das bei seinen Live-Auftritten: „Wenn du einmal da oben stehst, und alle im Publikum deine Texte kennen und mitsingen... Das kann man nicht beschreiben, wenn man es nicht erlebt hat. Das fühlt sich richtig an.“
Spott und Leidenschaft
Wie er dem Druck standhält, weiß Civo selbst nicht so genau. Doch bekommt man eine Vermutung, wenn man sich seine Geschichte anhört. Das Abitur habe er zwar abgebrochen, hat das Gymnasium Altlünen aber mit Fachabi verlassen. In der Schule lief nicht alles so erfolgreich wie jetzt.
„Ich habe die zehnte Klasse wiederholt, hatte Stress mit den Lehrern. Kennt man ja. Und dass ich damals schon Musik gemacht habe, kam nicht wirklich gut an“, beginnt Civo seine Geschichte. Er habe viele Kollegen und Bekannte verloren, die sich distanzierten. Er sei verspottet worden als „der Rapper, der meint, dass er singen kann“.
Heute nimmt er es mit Humor: „Ich habe kein übergroßes Talent. Es hat mir einfach Spaß gemacht.“ Die Reaktionen seien nicht einfach für ihn gewesen, doch für ihn war schon früh klar: „Da musste ich einfach durch. Musik war mir immer wichtiger als das.“
Dem Herzen gefolgt
Nach der Schule hat Civo sich selbstständig gemacht. Natürlich auch in der Musik. Er hat Videos produziert und geschnitten. Dabei hätten ihn aber ständig Zweifel geplagt. Er wollte selbst Musik machen. „Ausbildung war einfach nicht mein Ding, und da ich generell immer viel unterschiedliche Musik gehört habe, dachte ich irgendwann: Wieso kann ich das nicht?“
2020 mietete er ein Studio, arbeitete an seiner Musik und sorgte durch einen Tankstellenjob für das nötige Geld zum Überleben. An den großen Wurf war nicht zu denken. „Bis zu dem Erfolg von ‚Weg Von Mir‘ habe ich kein Geld verdient“, sagt Civo. Nun, mit Vertrag in der Tasche, gehört der Job an der Tanke der Vergangenheit an.
Wieviel Lünen steckt in Civo?
23 Jahre lebte der Musiker in Lünen. Nun hat sein Weg ihn nach Herne geführt. „Aber Lünen bleibt meine Heimat. Immer wenn ich in die Stadt fahre, denke ich: ‚Es ist geil hier zu sein.‘“ Denn hier habe Civo damals mit seinen Kollegen gechillt und auf Parkplätzen die ersten Musikvideos gedreht. „Lünen ist einfach meine Heimat“, sagt er. „Ich hänge immer noch ständig hier ab.“
Gerade jungen Lünerinnen und Lünern möchte er deshalb eine Botschaft mitgeben. „Wenn ihr was durchziehen wollt, zieht es durch. Hört auf euer Herz. Wenn ihr für was brennt, dann macht es“, sagt Civo mit Eifer. Am Ende stehe für den Musiker der Spaß über allem. Ohne den, sei der Erfolg laut ihm wohl nie so eingetreten.
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