Jede Prostituierte im Kreis Unna muss einmal im Jahr zur Gesundheitsberatung beim Gesundheitsamt. Zwänge darüber hinaus gibt es keine, die Mitarbeiterinnen des Gesundheitsamtes gehen individuell auf ihre Gesprächspartnerin ein.
Druck auf ihr Gegenüber aufzubauen, sei nur kontraproduktiv, sagt die Beraterin im Kreishaus Unna. Sie will anonym bleiben, nicht den Eindruck erwecken, etwas Konkretes aus den vertraulichen Gesprächen mit den Prostituierten gelange an die Öffentlichkeit.
„Wenn ich anfange mit: ,Sie müssen aber‘, dann ist alles sofort zu“, sagt die Frau des Gesundheitsamtes. Pflichten gebe es in den Beratungsgesprächen deshalb nicht. Das gilt auch für das Nachweisen und Anfertigen von Tests auf übertragbare Krankheiten.
Stattdessen wollen die Beraterinnen den Prostituierten auf Augenhöhe begegnen. „Man muss beachten, dass es Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen gibt, die schon ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht haben mit Behörden“, sagt eine Mitarbeiterin, die viele der Gespräche leitet. Oftmals sei ihre Klientinnen schon Behörden-Willkür begegnet.
Hemmungen gegenüber Behörden würden zwar nicht frei raus formuliert werden. Doch sie seien spürbar. „Ich hatte schon mal jemanden, die hatte einen ganzen Aktenordner mit irgendwelchen Nachweisen dabei“, sagt die Gesundheitsamt-Mitarbeiterin.

Sie betont immer wieder: Ich kontrolliere nicht, ich berate. „Ich will nicht wissen, wie groß das Zimmer ist“, sagt die Beraterin. Sie weiß: „Prostitution ist ein Tabu-Bereich.“
Deshalb führt sie ihre Gespräche auch nur unter vier Augen. Wenn der Fahrer einer Prostituierten mit dabei sein will, muss er draußen bleiben. „Ich will mit den Frauen alleine sprechen – auch, wenn wir uns mit Händen und Füßen unterhalten“, sagt die Frau aus dem Gesundheitsamt.
Prostituierte bauen oft „eine große Mauer“
Eine „große Mauer“ sei oftmals spürbar, einige Prostituierte hielten die Beratung für einen lästigen Pflichttermin. Manchmal gelingt der Gesprächseinstieg besser, wenn durch Mund-zu-Mund-Propaganda schon ein gewisser Vertrauensvorschuss für die Gesundheitsamt-Mitarbeiterin gilt.
„Viele, die zu uns kommen, betonen das nochmal: Das bleibt aber unter uns“, erklärt sie. Einige Prostituierte fristen ein Schattendasein. „Familie und Angehörige wissen das nicht und sollen es auch ganz sicher nicht wissen“, beichtet die Beraterin aus manchen Gesprächen. Deshalb müsse der als Bescheinigung über das absolvierte Gespräch ausgestellte Ausweis auch nicht permanent mitgeführt werden.
Prostituierte in Unna haben verschiedene Sorgen
Die Beraterin des Kreises verdeutlicht: Prostitution sei ein Milieu, „wo vieles läuft, was nicht unbedingt bekannt werden soll“. Deshalb dokumentiere sie zum Schutz ihrer Klientinnen auch keine Gesprächsinhalte und trete nur mit Erlaubnis der Prostituierten in Aktion.
Die Sorgen und Probleme der Sex-Arbeiterinnen sind verschieden. Ein Beispiel sei das Thema Krankenversicherung. Schließlich ermögliche diese überhaupt erst den geregelten Zugang zu medizinischen System. Teilweise seien die Prostituierten sogar noch über ihr Heimatland versichert, erzählt die Gesundheitsberaterin.

Oft gelinge es nur punktuell, Dinge anzusprechen. Meistens fragt sie nach dem Ort der Arbeit, der Umgebung und den Arbeitsbedingungen. „Um einen Eindruck zu bekommen“, sagt sie.
„Das erlaubt ja zumindest einen Ansatzpunkt für gewisse Risiken“, ergänzt eine Kollegin. Die Antworten verdeutlichen, wie „ungeheuer vielfältig“ Prostitution sei. Beim Gesundheitsamt des Kreis Unna würden Frauen vorstellig, die „auf dem gesamten Feld der erotischen Dienstleistungen“ tätig seien.
Prostituierte teilweise seit 20 Jahren in der Branche
So unterschiedlich das genaue Angebot der jeweiligen Klientin, so verschieden sind auch die persönlichen Unterschiede der Menschen. Das Gesundheitsamt berät Prostituierte ab 18 Jahren. „Ich hatte aber auch Menschen, die schon 20 Jahre in dem Gewerbe arbeiten“, berichtet die Mitarbeiterin, die die Gespräche führt. „Da zu sagen: ,Wissen Sie, wie man ein Kondom anwendet?´“, sei natürlich nicht sinnvoll.
Unnötiges Nachbohren verbiete sich grundsätzlich. Das gilt auch für den Fall, dass eine Prostituierte erkläre, sie habe keinen Gesprächsbedarf. „Ansonsten würde ich ja transferieren: Ich finde, dass Sie lügen“, sagt die Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes. Das würde den Vertrauensgewinn erschweren. „Es geht hier um Sie und nicht um irgendetwas Behördliches“, verdeutlicht sie deshalb ihren Gesprächspartnerinnen.
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