Prostitution ist noch immer in weiten Teilen der Gesellschaft ein Tabu-Thema. Dabei steht das Gesundheitsamt Prostituierten unterstützend zur Seite. Wer diesem Beruf nachgehen möchte, muss regelmäßig ein verpflichtendes Beratungsgespräch absolvieren.
„Das, weswegen die Frauen kommen, ist der Ausweis. Bei der legalen Prostitution muss dieser Ausweis immer mit sich geführt werden“, sagt eine Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes des Kreis Unna.
Gemeinsam mit einer Kollegin berichtet sie dieser Redaktion aus solchen Beratungsgesprächen. Die beiden Mitarbeiterinnen möchten anonym bleiben – schließlich ist Diskretion ein hohes Gut in der Branche, die sie beraten.
Der Ausweis, den sie anspricht, heißt im Prostitutionsschutzgesetz „Beratungsbescheinigung“. Sein genaues Aussehen soll nicht öffentlich bekannt werden – schließlich gebe es Prostituierte, meistens sind es Frauen, die ihre Tätigkeit auch vor der Familie geheim halten.
Die solle den Ausweis bei einer Prostituierten nicht ungewollt identifizieren können, sagen die Gesundheitsamt-Mitarbeiterinnen. „Es ist ein kleines Kärtchen, das ein Nachweis ist, dass sich ein Gewerbe nach den Richtlinien der legalen Prostitution richtet“, beschreibt eine von ihnen.

Vor dem Ausweis steht allerdings das Beratungsgespräch. „Es gibt keine Vorgaben für den Inhalt dieser Beratungsgespräche. Wenn jemand sagt: Ich habe keine Fragen und weiß das alles schon, dann war es das auch“, sagt die Frau vom Gesundheitsamt, die selbst viele der Vier-Augen-Gespräche leitet.
Mindestens 30 Stück im Jahr seien das, das Längste dauerte bislang 45 Minuten. „Ich halte keine ellenlangen Vorträge, sondern versuche herauszufinden, wo Bedarf ist“, sagt die Beraterin. Sie sieht sich als „niedrigschwelligen Ansprechpartner für alle Arten von übertragbaren Krankheiten, Probleme mit Schwangerschaft und Verhütung, aber auch anderen Themen wie Gewalt.“
Gesundheitsamt Kreis Unna ist keine Kontrolle
Sie versucht, mit den Frauen ins Gespräch zu kommen, Vertrauen aufzubauen und mögliche Probleme und Sorgen aufzuspüren. Das gelingt mal mehr, mal weniger. Wichtig ist ihr: „Ich bin keine Kontrolle.“
Sie unterliegt der Schweigepflicht, führt kein Protokoll. Stattdessen richtet sich die Beratung im Kreishaus Unna völlig nach den Klientinnen des Gesundheitsamtes. Auch mögliche Tests auf übertragbare Krankheiten sind kein Teil der Pflicht-Gespräche. „Es ist kein Ausweis, dass jemand fei ist von ansteckenden Krankheiten“, sagt die Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes.
Nur Zeigen des Personalausweises ist Pflicht
Einzige Pflicht in der Beratung, die jedes Jahr wiederholt werden muss: das Vorzeigen des Personalausweises. „Alles andere ist auf freiwilliger Basis“, sagt die Frau vom Gesundheitsamt – und in jedem Fall komplett kostenlos.
Das Gesundheitsamt stellt im Fall der Fälle sogar einen Dolmetscher und den Kontakt zu weiteren Anlaufstellen her. „Ich kann für die Prostituierten nicht alles hier lösen, aber kann sie weiter vermitteln und für sie telefonieren“, sagt die Gesundheitsberaterin. „Es ist wichtig, auch zu wissen, wo die eigenen blinden Flecke liegen“, ergänzt ihre Kollegin. Dafür hält der Kreis extra Kontakt zu einem von der Stadt Köln initiierten Netzwerk.

Nach dem ersten Beratungsgespräch erhalten die Prostituierten ihren Ausweis, mit dem sie sich beim Ordnungsamt anmelden müssen. Dann erhalten sie die Erlaubnis, dem Gewerbe nachgehen zu dürfen. Betreiber von Einrichtungen, die sexuelle Dienstleistungen anbieten, müssen darauf achten, dass ihre Angestellten den entsprechenden Ausweis haben. So soll illegale Prostitution vermieden werden.
Sex-Arbeiterinnen haben die Möglichkeit, sich einen zweiten Ausweis ausstellen zu lassen – mit einem Alias-Namen. Dieser könne vorgezeigt werden, wenn Kunden nach der Bescheinigung verlangen, um die eigene Identität zu schützen, erklärt eine Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes.
Männer kommen nicht zur Beratung
Hinter der Identität verbergen sich bislang nur Frauen. Mit einem Mann habe sie noch kein Gespräch durchgeführt, sagt die Beraterin vom Gesundheitsamt. Sie sagt: „Die Schwelle für Männer ist noch sehr viel höher, überhaupt Beratungsstellen aufzusuchen. Die männliche Prostitution ist sicherlich ein noch viel dunklerer Bereich als die weibliche Prostitution.“
Protokoll führe das Gesundheitsamt wie beschrieben nicht. Das sei auch ein Unterschied zu einem niedergelassenen Arzt, den man wegen gesundheitlichen Anliegen besuche, betont eine Mitarbeiterin.
Sie versucht, auch über das verpflichtende Gespräch hinaus eine Anlaufstelle für die Prostituierten zu sein. Noch gelingt das nicht. „Ich hatte noch keinen Nach-Anruf“, sagt sie. Einmal im Jahr müssen alle Sex-Arbeiterinnen durch ein erneutes Gespräch verlängern. Sind sie zwischen 18 und 21 Jahre alt, müssen sie halbjährlich beim Gesundheitsamt vorstellig werden.
„Das ist die einzige Voraussetzung für die Ausstellung des Ausweises. Dann läuft es wieder in einem legalen Rahmen“, sagt sie. Das Ablaufdatum steht auf dem Kärtchen vermerkt, den Termin für die Beratung gibt das Gesundheitsamt nicht einfach vor. Das Informationsportal „cara.nrw.“ wirbt niedrigschwellig für die Gespräche, duzt die Prostituierten in seiner Ansprache.
Prävention als Ziel
Die Gesundheitsberaterin, die generell im Bereich des Infektionsschutzes arbeitet, will die Menschen „niedrigschwellig da abholen, wo man Prävention machen kann“. Sie berät Prostituierte, „um für ihren persönlichen Gesundheitsschutz etwas zu erreichen. Aber es ist auch für unsere Gesellschaft wichtig.“