Osman Tan aus der Bretagne arbeitet zurzeit im Steag-Team auf dem Trianel-Kraftwerk an der Frydag-Straße in Lünen.

© Günther Goldstein

Praktikant bei Steag in Lünen: Franzose zwischen Kohle- und Kernkraft

rnTrianel-Kraftwerk

Bis 2030 sollen erneuerbare Energien in Deutschland mehr als 50 Prozent des Stromverbrauchs decken, in Frankreich 40 Prozent. Osman Tan (23) will beides mitgestalten - zurzeit in Lünen.

Lünen

, 01.03.2022, 07:30 Uhr / Lesedauer: 2 min

Osman Tan kommt aus der Bretagne, dort lebt er bei seiner Familie in Lorient direkt an der Atlantikküste. Zurzeit aber ist er in Lünen und macht ein Praktikum am Trianel-Steinkohlkraftwerk an der Seite seines Cousins Osman Demirci, der dort als Steag-Mitarbeiter für die Umwelttechnik zuständig ist.

Geboren wurde der 23-jährige Student in Ulm an der Donau, der Stadt, in der auch Albert Einstein das Licht der Welt erblickte. Er sagt das mit einem gewissen Stolz, denn der weltberühmte Wissenschaftler scheint ihn bei seiner Berufswahl inspiriert zu haben. Denn die Physik und damit verbundene Techniken sind der Mittelpunkt seines Studiums, das er an der Universität Orléans absolviert. Jetzt befindet er sich im Masterstudium und sammelt praktische Erfahrungen.

Seine Universität bietet viele Spezialisierungen an, die er später als Diplomingenieur nutzen könnte. Das reicht von der Raumfahrt zum Automobilbau, vom Umweltschutz zu erneuerbaren Energien, von der Energieerzeugung und -umwandlung bis zur Energieeffizienz.

Eléctricité de France setzt auf Kernkraft

Osman Tan will sich nach seinem Abschluss mit der Energietechnik/-wirtschaft beschäftigen. Das ist verständlich, denn sein Land hat den zweitgrößten Energieversorger weltweit, die Eléctricité de France (EDF): ein gigantisches Unternehmen, das zwar börsennotiert ist, aber sich zum größten Teil in staatlicher Hand befindet. Hier setzt man seit Jahrzehnten auf eine Stromversorgung, die aus der Kernkraft kommt. An 20 Standorten im Land wird in 58 Anlagen Strom aus der Spaltung von Uran gewonnen. Durch diese gute Versorgung gibt es in Frankreich eine wesentlich intensivere Nutzung der Energie in vielen Bereichen.

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„Bei uns verwendet man kaum Erdgas“, berichtet Osman Tan, „wir heizen überwiegend mit Strom. Bei uns liegt der Erdgas-Anteil bei 16,1 Prozent, in Deutschland bei 27 Prozent, jeweils gemessen im Jahr 2020. Für Gebäude-Neubauten besteht aber auch seit 2020 die Vorschrift, erneuerbare Energien zu verwenden. Es gibt auch sehr viel mehr Elektroautos bei uns als in Deutschland“.

Osman Tan (v. l.), Osman Demirci und Tobias Hanel im Bereich der Rauchgaswäsche, vor den Supensionspumpen für den Absorber des Trianel-Kraftwerks in Lünen.

Osman Tan (v. l.), Osman Demirci und Tobias Hanel im Bereich der Rauchgaswäsche, vor den Supensionspumpen für den Absorber des Trianel-Kraftwerks in Lünen. © Günther Goldstein

Kohlekraftwerke in Frankreich nur im Stand-by-Modus

Der Student erkennt bei seinem Aufenthalt in Lünen die Unterschiede in der Energieversorgung zwischen beiden Ländern, die aktuell immer größer werden. „Das Kraftwerk hier ist sehr, sehr gut und absolut effizient“, lobt er seinen augenblicklichen Arbeitsplatz. „Wir haben, glaube ich, nur zwei Kohlekraftwerke in Frankreich, die aber nur im Winter bei Bedarf laufen“. Trotz der Dominanz der Kernkraft sind in seinem Studiengang Wind und Sonne von größerer Bedeutung. „Die Kernkraftwerke hinterlassen den Atommüll, das ist nicht gut“, findet er.

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In seiner Heimat, der Bretagne, werden gerade von der Steag größere Windparks mit einer Gesamtnennleistung von 27,75 MW errichtet, „und im Süden haben wir die größte Photovoltaikanlage Europas mit über 40.000 Platten“, fügt er hinzu. In der Bretagne gibt es noch eine weitere Besonderheit: das europaweit einzige Gezeitenkraftwerk „La Rance“, welches die Energie aus dem Wechsel von Hoch- und Niedrigwasser in Strom umwandelt. Aber der französische Weg bei der Energieversorgung seiner Bürger bringt gerade jetzt einen entscheidenden Vorteil. „Wir zahlen nur 17 Cent für eine Kilowattstunde“, sagt er, „hier in Deutschland ist es wohl das Doppelte“.

Von Lünen geht es zum Bodensee

Wenn seine Zeit hier in Lünen beendet sein wird, geht seine Reise weiter nach Konstanz am Bodensee. Dort wird er dann im Rahmen des Erasmus-Programms seine Studien an der Technischen Universität für eine Zeit fortsetzen. Die Thermodynamik und ihre Gesetze werden ihm dann den Kopf verdrehen, und die deutsche Sprache. 2023 hofft Osman Tan seinen Masterabschluss zu machen.