Planungen für Lüner Gewerbegebiete gehen weiter Bürgerentscheide scheitern trotz großer Mehrheit

Bürgerentscheide zu Gewerbegebieten scheitern trotz großer Mehrheit
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Marina Lorson hielt am Sonntagabend gegen 19.40 Uhr einen Becher Sekt in der Hand, als das Endergebnis der beiden Lüner Bürgerentscheide eintraf: 83,26 Prozent Ja-Stimmen für ein Ende der Planungen zum Gewerbegebiet Derner Straße und 83,23 Prozent Ja-Stimmen für einen Planungsstopp für das Gewerbegebiet Klötersfeld. Die Mitinitiatorin der beiden Bürgerentscheide nahm lächelnd einen Schluck aus dem Becher, obwohl sie da schon wusste, dass die Bürgerentscheide trotz der hohen Zustimmung ungültig sein würden: gescheitert an der Wahlbeteiligung, „aber eben nur knapp“, wie Marina Lorson sagte.

Zustimmungsquote zu niedrig

Die einfache Mehrheit reicht nicht bei Bürgerentscheiden. Die Zustimmung hätte bei mindestens 15 Prozent aller 65.483 Wahlberechtigten Lünerinnen und Lüner liegen müssen, tatsächlich erreichte sie in Lünen aber 13,1 Prozent. Das hängt mit der insgesamt niedrigen - laut Daniel Wolski (SPD), dem stellvertretenden Bürgermeister, einer „erschreckend niedrigen“ - Wahlbeteiligung zusammen: 15,8 Prozent der Lünerinnen und Lüner ab 16 Jahre hatten von ihrem Recht Gebrauch gemacht, abstimmen zu dürfen. „Durchgesetzt haben sich am Ende die, die der Abstimmung fernblieben“, kommentierte das Achim Wölfel, Landesgeschäftsführer von Mehr Demokratie NRW am Abend. Für ihn ein Anlass, einmal mehr für eine Abschaffung des Zustimmungsquorums zu plädieren.

Harpen-Chef „nicht zufrieden“

Franz-Josef Peveling gehörte nicht zu den rund 30 Menschen, die den Ausgang von Lünens zweitem Bürgerentscheid seit 2003 live im Foyer des Rathauses verfolgten. Der Geschäftsführer der Harpen Immobilien GmbH, die das Klöters Feld in ihrem Eigentum gewerblich nutzen will, hatte den Ausgang der Abstimmung woanders verfolgt. Ob er Sektkorken knallen ließ? „Nein, ich bin nicht zufrieden“, sagte er am Telefon. Die Stadt Lünen habe fast 200.000 Euro für den Wahlgang am dritten Adventssonntag ausgegeben: Geld, das die Stadt laut Peveling „besser für die Tafel, für Schulen oder den Umweltschutz“ hätte investieren sollen. Wenn Interessengruppen von gewählten Volksvertretern beschlossene Planungen unterbrechen könnten, wie in diesem Fall geschehen, „ist das nicht gut“, ergänzte der Investor.

Der parteilose Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns, der selbst im Abstimmungsheft der Stadt für die Gewerbegebiete geworben hatte, warb ebenfalls für Vertrauen in die Kompetenz der Lüner Politiker. „Man darf den Ratsvertretern nicht unterstellen, dass sie das Thema nicht richtig einschätzen“, sagte er. Leo Bögershausen, Sprecher der Bürgerinitiative, kritisierte hingegen die Vertreter der Politik. Die Lüner Groko, also SPD und CDU, die zusammen mit der FDP Betriebe ansiedeln möchten, hätten sich weggeduckt, anstatt sich der Diskussion mit der Bürgerinitiative zu stellen.

Bögershausen: „Undemokratisch“

Bögershausen sprach sogar davon, dass zum Teil bewusst dazu geraten worden sei, nicht zur Wahl zu gehen. „Das empfand ich als höchst undemokratisch.“ Dennoch sei das Ergebnis der Bürgerentscheide eindeutig. „Wir suchen jetzt nicht nach juristischen Spitzfindigkeiten“, so Bögershausen, obwohl es Ansatzpunkte für Kritik gebe. Auch der Verein „Mehr Demokratie“ hatte etwa die geringe Zahl der Abstimmungsräume kritisiert.

Das Bebauungsplanverfahren geht mit der Entscheidung seinen weiteren Weg. Bögershausen und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter aus der Bürgerinitiative kündigten am Abend an, es weiter kritisch begleiten zu wollen. Das gelte insbesondere für die Gutachten, die jetzt in Auftrag gegeben würden.

Schon vor der Öffnung der 16 Abstimmungsräume - 66 waren es bei der Landtagswahl im Mai 2020 - hatten Wahlberechtigte im Lüner Süden Schlange gestanden, um ihre Stimme abzugeben. Aber nicht nur da, wo die Gewerbegebiete geplant sind, war die Resonanz groß, sondern auch in Brambauer.

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