Das Dortmunder Landgericht hat mit der juristischen Aufarbeitung des Bönener Pflege-Skandals begonnen. Der 51-jährige Angeklagte soll als faktischer Geschäftsführer eines Pflegedienstes die Krankenkassen um mehr als acht Millionen Euro betrogen haben.
Staatsanwalt Ralph Steinert wirft dem Unternehmer vor, in zahlreichen Fällen bei den Krankenkassen Höchstsätze abgerechnet zu haben, obwohl die pflegerischen Leistungen nicht von examinierten Fachkräften erbracht worden waren. Zum Teil habe es sich um angelernte Hilfskräfte, zum Teil um „zahnmedizinische Fachangestellte“ gehandelt.
Acht Millionen Euro
Steinert sagte: „Vor allem bei den Nachtdiensten verfügte der Pflegedienst über völlig unzureichendes Personal.“ Aus diesem Grund sei die Pflege stellenweise von den Angehörigen der Patienten selbst erbracht worden. Abgerechnet wurden die Leistungen aber angeblich dennoch.
Darüber hinaus soll der 51-jährige Angeklagte mehrere Mitarbeiter eingespannt haben, um die Krankenkassen erfolgreich betrügen zu können. Eine Frau soll die monatlichen Stundenzettel „frisiert“, eine andere die Personalakten mit gefälschten Zeugnissen bestückt haben.
„Unzureichendes Personal“
Der Angeklagte befindet sich seit seiner Festnahme im Sommer 2022 in Untersuchungshaft. Damals hielt ihn die Polizei fest, als er gerade in die Türkei ausreisen wollte. Am ersten Verhandlungstag wirkte der Angeklagte müde und unkonzentriert.
Allerdings verlangte die lange Anklageschrift auch von allen viel Durchhaltevermögen. Staatsanwalt Steinert benötigte mehrere Stunden, um alle Tabellen und Zahlenkolonnen zu verlesen. Zwischendurch benötigte er sogar eine Pause, um die Stimme zu schonen.
Müde und unkonzentriert
Wäre es nach den Verteidigern gegangen, wäre der Prozess anschließend sofort wieder ausgesetzt worden. Sie fühlen sich in ihrer Verteidigungsfähigkeit beschränkt, weil ihnen nicht alle Fallakten in digitaler Form zur Verfügung gestellt worden seien. Ihr Antrag auf Aussetzung des Verfahrens wurde jedoch von der Strafkammer zurückgewiesen.
Die Verteidiger hätten jederzeit die Gelegenheit, die Fallakten bei Gericht einzusehen, um sich auf die Verhandlungstage vorzubereiten. Angesichts des Umfangs der Akten – die Rede ist von vielen Tausend Seiten Papier – sei es unmöglich, alles in angemessener Zeit zu digitalisieren.
Der Prozess soll Ende März mit ersten Zeugen fortgesetzt werden.
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