Mit der Erörterung des Strafregisterauszugs sowie des Lebenslaufs des Angeklagten ist am Dortmunder Landgericht der Prozess um den sogenannten Bönener Pflege-Skandal fortgesetzt worden.
Der 51-jährige Familienvater skizzierte seine persönliche und berufliche Karriere spürbar mit Stolz, zeigte sich aber auch fehlereinsichtig.
Erinnerungen an „Onkel Willi“
Aufgewachsen sei er in den frühen 1970er Jahren in Bönen, so der 51-Jährige. In seiner Umgebung seien alle Nachbarn stets eine große Familie gewesen. „An Onkel Willi und Tante Gertrud von nebenan habe ich noch heute eine gute Erinnerung“, sagte der Angeklagte mit einem Lächeln.
Nach dem Realschulabschluss habe er ein Praktikum im Evangelischen Krankenhaus Unna angefangen und sich dabei schnell in den Pflegeberuf verliebt. „Hier habe ich die Überzeugung gewonnen, dass das einfach ‚mein‘ Beruf ist.“
1999 selbständig gemacht
Die Ausbildungszeit nannte der Angeklagte „wunderschön“. Auch seine darauf folgenden Stationen als Angestellter beschrieb der 51-Jährige mit leuchtenden Augen.
Im Jahr 1999 habe er sich selbstständig gemacht, ein Gewerbe für einen eigenen Pflegedienst angemeldet. Der Angeklagte: „In der häuslichen Krankenpflege war ich sozusagen vom ersten Moment an dabei. Das gab es ja vorher gar nicht.“
„Wir gehörten zu den Top 10“
Schnell sei die Auftragslage immer größer geworden. „Am Ende habe wir zu den Top 10 in Deutschland gehört“, so der Angeklagte.
Er selbst habe sich in all den Jahren ständig weitergebildet, bis 2008 auch noch voller Leidenschaft in der Pflege mitgearbeitet. Irgendwann sei das aber einfach nicht mehr möglich gewesen.

Der Betrieb sei eine Gesellschaft geworden, habe in Werne ein Hotel (gedacht für die Mitarbeiter) hinzugekauft und zuletzt sogar eine eigene Sprachschule gegründet.
Auch seine große Liebe zum Fußball und dem BVB habe nebenher immer mehr sein Leben bestimmt. Sein Betrieb habe lokale Fußballvereine gesponsert, er dort als Vorsitzender die Geschicke geleitet - „bis hin zum Aufstieg in die Westfalenliga“.
Dem Familienvater („Zuletzt habe ich 9000 bis 10.000 Euro netto verdient“) wird vorgeworfen, in seinem Pflegedienst die Krankenkassen um mehr als acht Millionen Euro betrogen zu haben.
Der Angeklagte hat ein Teilgeständnis abgelegt. Am Dienstag (18. Juli) betonte er vor Gericht: „Ich habe verstanden, dass ich Fehler gemacht habe.“
Seit Juli 2022 sitzt der 51-Jährige (bislang ohne eine einzige Vorstrafe im Strafregister) in U-Haft. „Das Jahr im Gefängnis war die schwierigste Zeit meines Lebens“, sagte er.
Am 25. Juli sollen die Schlussverträge gehalten, am 3. August soll das Urteil verkündet werden.
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