Vor gut einem Jahr haben Sie Ihre neue Pfarrstelle in Lünen angetreten. Fühlen Sie sich mittlerweile hier heimisch?Ich bin inzwischen in Lünen angekommen, finde mich auch in der Stadt gut zurecht. Natürlich war das eine Umstellung von Ostbevern mit 12.000 Einwohnern nach Lünen, wo 88.000 Menschen leben. Ich bin in Lünen viel mit dem Fahrrad unterwegs, drehe auch gerne abends noch eine Runde und habe viele Menschen auch durch diverse Hausbesuche zu Taufgesprächen, Kondolenzbesuchen oder Vorbereitung von Ehejubiläen kennengelernt. Ich kann sagen, nach einem Jahr kenne ich die meisten Ecken unseres Pfarrbezirks mit vier Kirchtürmen. Ein bisschen erinnert mich das Ganze hier an meine Zeit in Ibbenbüren, was die Größe der Gemeinde, den Menschenschlag und die pastorale Herausforderung betrifft. Ibbenbüren ist, obwohl es im Münsterland liegt, stark vom Bergbau geprägt und befindet sich nun im Strukturwandel, so wie Lünen auch noch.
Haben Sie den Wechsel von Ostbevern nach Lünen je bereut?Nein. Es ist ja auch ein Unterschied, ob man versetzt wird oder sich selbst einer neuen Herausforderung stellt. Dass es allerdings so schnell ging, hat mich damals überrascht. Ich bin aber froh, mit 54 Jahren noch mal einen Wechsel gewagt zu haben. Man hatte auch in St. Marien mit einer wesentlich längeren Vakanz gerechnet, nachdem Pfarrer Clemens Kreiss sich für eine neue berufliche Herausforderung entschieden hatte. So war es aber nun ein eigentlich nahtloser Übergang und das war sicher auch für die Gemeinde und die Mitarbeiter gut so.
Pfarrer Michael Mombauer freute sich am Ende seines Einführungsgottesdienstes am ersten Advent 2018 über Kinder, die ihm ein in der Kinder-Kirche gemaltes Bild mit biblischem Inhalt zeigten.
© Foto: Beuckelmann
Gibt es große Unterschiede zu Ihrer früheren Gemeinde?In Ostbevern gibt es ein typisches Münsterländer Dorfleben, wo Kirche und Kommunalgemeinde für die Leute fast eins war, es gab kurze Wege ins Rathaus, wenn beispielsweise Dinge im Kitabereich zu klären waren. Im viel größeren Lünen ist die Kirche nur einer von verschiedenen Playern in der Stadt, hier gibt es auch viel mehr Gemeinden. Ich erlebe Lünen auch als säkalurisierte Stadt, in der die Kirche im Leben der Stadt keine so große Rolle spielt. Aber auch wenn es zwei katholische Gemeinden und zwei Bistümer gibt - für mich ist die Lippe nur ein Fluss und keine Grenze, das sieht mein Kollege vom Pastoralen Raum, Pfarrer Thomas Roddey, genauso. In Lünen ist der Strukturwandel noch nicht abgeschlossen und es gibt hier auch einige soziale Brennpunkte. Andererseits erlebe ich auch, wie grün das Ruhrgebiet ist und das brauche ich auch. Für mich ist Bewegung im Grünen ein wichtiger Punkt, um Stress abzubauen. Ich sehe Lünen als Teil des Ruhrgebiets an, das meine ich sehr positiv, beispielsweise was den Menschenschlag hier betrifft, der sehr direkt ist.
Pfarrer Michael Mombauer (2.v.l.), Jutta Beese (v.l.) und Frank Grundner freuten sich 2019 beim Neujahrsempfang in der St. Gottfried-Gemeinde über den Besuch zahlreicher Gäste, darunter Margret und Herbert Bastian vom benachbarten ev. Johannes-Bezirk.
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Wie sehen Sie die Lage der Ökumene nördlich der Lippe?Ich denke, die Ökumene läuft in ganz Lünen gut, richtig gut. Ich durfte 2018 noch den Ausklang von „1000 Jahre christliche Kirche in Lünen“ erleben, das tolle Miteinander von Haupt- und Ehrenamtlichen. Beim Abschlussgespräch hatte ich dann angeregt, ob wir nicht gemeinsame Bibelgespräche anbieten wollen. Die ökümenische Aktion „Gott, wir reden darüber“ ist erfolgreich angelaufen, die ersten Termine haben in der Neuapostolischen Gemeinde und dann bei uns in St. Marien stattgefunden. Man lernt die Gastgeber kennen und die suchen dann den Bibeltext aus, über den die Besucher diskutieren. Die nächsten Termine sind am 7. Februar in der Freikirchlichen Gemeinde Schillerstraße und am 3. April in der evangelischen Stadtkirche. Die Reihe ist ein Versuchsballon, um zu sehen, wie man auf gutem Niveau möglichst viele Menschen erreichen kann, die sich für den Glauben interessieren.
Wollen Sie die Zusammenarbeit mit den anderen christlichen Gemeinden fortsetzen? Wir haben bei „1000 Jahre christliche Kirche in Lünen“ gemerkt, dass wir gut miteinander arbeiten und ich glaube, das ist ausbaufähig. Meiner Meinung nach liegt die Zukunft des Christentums im Miteinander. Menschen werden sich dort versammeln, wo sie sich als Christen zuhause fühlen. Wir sollten Grenzen überwinden und schauen, wie wir Wege zueinander finden.
Sie haben früher gerne Pilgerreisen angeboten, werden Sie das in Lünen auch künftig tun?Ich möchte mich gerne wieder mit der Gemeinde auf den Weg machen, weil ich solche Pilgerreisen als ausgesprochen positiv erlebt habe, man anders ins Gespräch kommt. Ideen habe ich auch schon, ich würde gerne wieder nach Israel fahren. Aber nicht als Urlaubs- oder Kulturreise, sondern als Wanderpilgerreise mit geistlichem Programm.
Was bedeutet Ihnen persönlich Weihnachten?Für mich ist Weihnachten das Fest, an dem deutlich wird, wie nah uns Gott geworden ist, ein Gott, der sich auf Augenhöhe mit den Menschen begibt. Für mich als Priester sind die vielen Gottesdienste an Weihnachten auch eine Herausforderung. Ich erlebe, dass die Besucher aus gut gemachten Gottesdiensten mit gut gestalteten Predigten etwas mitnehmen. Auch wenn der Gottesdienstbesuch zu Weihnachten deutlich geringer ist als früher. Wenn wir nicht zu viert als Geistliche wären und auch noch die Pastoralreferentinnen mithelfen würden, könnten wir die umfangreiche Gottesdienstordnung an Weihnachten nicht aufrecht erhalten. Auch das ehrenamtliche Engagement ist wichtig, da haben wie vom Krippenspiel über Lektoren, Kommunionhelfern bis zu Messdienern und Chören sicher eine hohe dreistellige Zahl an Ehrenamtlichen. Das ist nicht selbstverständlich.
Wie stehen Sie zu den Menschen, die nur an Weihnachten in die Kirche gehen?Ich freue mich über jeden, der kommt. Mittlerweile ist es im Regelfall auch so, dass nur die Leute kommen, die das auch wollen und nicht mehr diejenigen, die nur um des lieben Friedens in der Familie willen, kommen und sich dann zu Tode langweilen.
Das Leben wird immer schneller und hektischer. Kann der Glaube da gerade in der Weihnachtszeit helfen, ein bisschen zur Ruhe zu kommen?Man muss sich darauf einlassen. Der Glaube kann nur helfen, wenn Menschen bereit sind, sich darauf einzulassen. Andererseits müssen wir uns als Kirche heute auch fragen lassen, was wir dazu beitragen, dass die Menschen zur Ruhe kommen. Oder ob wir tatsächlich ausgerechnet in der Adventszeit so viele Zusatzangebote anbieten müssen. Alle Veranstaltungen sind gut und schön, aber natürlich bedeuten sie vor allem für die Ehrenamtlichen, die sie vorbereiten und durchführen, auch noch zusätzlichen Zeitaufwand und dadurch Stress.