Pfarrer Holthoff (58) geht nach Eving Stelle in Lünen fällt weg: „Schmerzlicher Umbruch“

Pfarrer Rüdiger Holthoff wechselt nach Eving: Abschied in der Stiftskirche
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Süß sind die selbst gebackenen Küchlein auf dem Tisch im Gemeindehaus Heliand an der Rudolph-Nagell-Straße. Die Erinnerungen an die gemeinsame Zeit, die Pfarrer Rüdiger Holthoff und seine Kollegin Bianca Monzel austauschen, während sie das Gebäck naschen, sind es auch. Dennoch schmeckt etwas bitter an diesem sonnigen Nachmittag in Nordlünen. Das hat mit dem Anlass für das Gespräch zu tun: der bevorstehenden Wechsel von Rüdiger Holthoff nach Dortmund. Die Stelle, die er in Lünen verlässt, wird nicht wieder besetzt werden: der nächste schmerzhafte Einschnitt für die Gemeinde.

Anfang 2023 hatte evangelische Kirchengemeinde Lünen bekannt gegeben, sich von zwei Gemeindehäusern trennen zu wollen: von dem Paul-Gerhardt-Haus in Alstedde und von dem Heliand-Gemeindehaus, in dem die beiden Kollegen gerade sitzen. Ende 2023 läuft hier der Mietvertrag aus, den die Gemeinde nicht mehr verlängert hat.

Seit 2014 in der Gemeinde

In Zeiten rückläufiger Mitgliederzahlen, sinkender Einnahmen und fehlender Pfarrerinnen und Pfarrer müsse man sich kleiner setzen, sagt Holthoff. Er ist seit 2014 nicht nur zuständig für den Seelsorgebereich Heliand mit Nordlünen und Cappenberg, sondern hat auch die Arbeitsschwerpunkte Seniorenarbeit, Friedhofsangelegenheiten und eben Bau- und Liegenschaften.

Den Auszug aus dem Gemeindehaus wird er selbst nicht mehr organisieren müssen. Holthoff tritt bereits zum 17. Juli seine neue Stelle an. Genau einen Monat zuvor, am Samstag (17. 6.), 18 Uhr, verabschiedet er sich von der Gemeinde mit einem Gottesdienst und anschließendem Beisammensein in der Stiftskirche Cappenberg, zu dem alle eingeladen sind.

30 Prozent einsparen

Nach Feiern ist vielen gerade nicht zu Mute. Das weiß Holthoff. Der Abschied vom Gemeindehaus schmerze. Und jetzt noch sein Wechsel, Die erste frei werdende Stelle, die mit einem kw-Vermerk versehen war: „kann wegfallen“. Der Grund ist derselbe wie bei den Immobilien.

Die Evangelische Kirche muss den Gürtel enger schnallen - nicht nur im Kirchenkreis Dortmund, zu dem Lünen, Selm und Dortmund gehören. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) muss nach eigenem Bekunden bis zum Jahr 2030 rund 17 Millionen Euro einsparen: rund 30 Prozent ihres finanziellen Aufwands. „Wir müssen uns verändern. Wir können nicht so weitermachen wie bisher“, sagte Ende 2020 die damalige EKD-Präses Irmgard Schwaetzer.

Bianca Monzel Und Rüdiger Holthoff vor dem 1995 von der evangelischen Kirche erbauten und vor 20 Jahren verkauften, aber zurück gemieteten Gemeindehaus Heliand. Ende 2023 läuft der Mietvertrag aus.
Bianca Monzel und Rüdiger Holthoff vor dem 1995 von der evangelischen Kirche erbauten und vor 20 Jahren verkauften, aber zurück gemieteten Gemeindehaus Heliand. Ende 2023 läuft der Mietvertrag aus. © Sylvia vom Hofe

Ein Jahr ausgeschrieben

Von einem „Umbruch der pastoralen Versorgung“ spricht auch Rüdiger Holthoff. Wie solle es auch anders gehen? „Bis 2031 werden wir die Hälfte der Pfarrstelleninhaber verlieren, weil sie in den Ruhestand gehen“, sagt der Dortmunder, der in Brechten aufwuchs - nicht in einem Pfarrhaushalt, sondern in einer vom Bergbau geprägten Familie: Vater Angestellter bei der RAG, die Opas selbst unter Tage.

Lust am Glauben und an der kirchlichen Arbeit zu haben, sei damals unter Jugendlichen keine exotische Ausnahme gewesen. Pfarrer werden zu wollen, auch nicht. Als er in den 1990er-Jahren an der Ruhr-Universität Bochum evangelische Theologie studierte, hätte es pro Halbjahr noch mehr als 40 Absolventen gegeben. „Für das Vikariat gab es lange Wartelisten.“ Heute würden dort fünf Seelsorgerinnen und Seelsorger fertig. Pro Jahr.

Der Druck auf die Stelleninhaber ist nicht nur in Lünen zu spüren. In der Segenskirchengemeinde Dortmund-Eving waren zwei Pfarrstellen zu einer zusammengefasst worden. Ein Pfarrer hat die Gemeinde bereits verlassen, seine Kollegin wird jetzt zu den Sommerferien in den Ruhestand gehen. Die verbliebene einzelne Pfarrstelle war seit mehr als zwölf Monaten ausgeschrieben. Das Problem: Niemand hat sich beworben. Bis es Rüdiger Holthoff tat.

In Brechten geboren

„Personell gehen die da noch mehr als hier auf dem Zahnfleisch“, sagt der 58-Jährige. Das weiß er aus erster Hand: von seiner Ehefrau Monika Holthoff. Sie ist die Pfarrerin von Brechten und hat auch anteilig Aufgaben in Eving. Ab Mitte Juli, wenn ihr Ehemann die Stelle in Eving antritt, werden sie nicht nur Ehepartner sein, sondern auch Kollegen. So wie einst in Lünen. „Wir hatten uns beide schon am Anfang des Studiums kennengelernt“, sagt Holthoff. Zum Abschluss heirateten sie und begannen beide ihr Vikariat in Lünen, allerdings in unterschiedlichen Seelsorgeeinheiten. Als sie später Pfarrerin in Brechten wird, zieht er auch ins Pfarrhaus und pendelt von dort erst Jahre lang mit dem Auto nach Selm und ab 2011 nach Lünen. Künftig wird er auch mal das Fahrrad nehmen können, um zur Arbeit zu fahren.

Wie weit die Wege sein werden, die die zurzeit noch rund 12.000 evangelischen Christinnen und Christen in Lünen künftig machen müssen, um Gottesdienste, Treffen, Feiern und andere Veranstaltungen zu besuche, ist noch offen. „Wir werden jetzt viele Gespräche führen“, sagt Bianca Monzel. „Wir“, damit meint sie nicht nur die verbliebenen hauptamtlichen Seelsorgerinnen und Seelsorger in Lünen, sondern auch die ehrenamtlich Aktiven und die Gemeindemitglieder.

Bald Ruhestand für Kytzia

Die Sache werde nicht leichter dadurch, dass Udo Kytzia, Pfarrer für den Bereich Innenstadt I 2024 in den Ruhestand gehen wird. Es bleiben dann Richard Zastrow für Wethmar, Pfarrerin Anja Bunkus für Innenstadt II, sie selbst für Alstedde (und einer Viertelstelle als Krankenhausseelsorgerin) und Hajo Kenkel im Probedienst. Lösungen ließen sich nur gemeinsam finden: ein hartes Brot. Süßer Kuchen kann auf diesem beschwerlichen Weg helfen. Das Rezept gibt es im Brechtener Pfarrhaus.

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