Die Bürgerentscheide zu den geplanten Gewerbegebieten „Klöters Feld“ und „Derner Straße“ sind beendet. Zwar stimmte am Sonntag (11.12.) eine deutliche Mehrheit für den Erhalt der Grünflächen, am Ende gaben allerdings zu wenige Lünerinnen und Lüner ihre Stimme ab. Manche von ihnen wollten es zwar, konnten aber letztlich nicht wählen.
Eine von ihnen ist Anne Grotefels. Sie entschied sich – wie etwa 5500 andere Wahlberechtigte – für die Beantragung von Briefwahlunterlagen. „Die habe ich sofort beantragt, als die Benachrichtigung bei mir im Briefkasten war“, versichert Grotefels. Die zeitgleich beantragten Unterlagen ihres Mannes seien noch rechtzeitig vor dem Abstimmungstag angekommen. Ihre allerdings nicht. Sie erhielt ihre Briefwahlunterlagen erst am 13. Dezember – zwei Tage nach den Bürgerentscheiden.
Dabei liegt die Vermutung nahe, dass der Brief zu spät von der Stadt versendet wurde. Der Poststempel auf den Unterlagen von Anne Grotefels ist auf den 12. Dezember – einen Tag nach der Wahl – datiert.
Die Statistik zu den Bürgerentscheiden zeigt: 845 Personen, die Briefwahl beantragten, gaben ihre Stimme letztlich nicht ab. Wie viele davon die Unterlagen möglicherweise nicht rechtzeitig erhalten haben, lässt sich aber nur schwer nachvollziehen.
Bearbeitung in 24 Stunden
Die Stadt Lünen jedenfalls schließt einen Fehler bei der Zustellung ihrerseits aus. Seitens der Stadtverwaltung seien keine Briefe nach dem Bürgerentscheid abgeschickt worden, versichert Stadtsprecher Alexander Dziedeck. „Das ist auch gar nicht möglich, da die Bearbeitung softwareseitig gesperrt wurde.“
Die letzten Briefwahlunterlagen seien am Freitag vor der Wahl (9. Dezember) beantragt und bearbeitet worden. „Da wir sicherstellen wollten, dass auch diese Unterlagen noch rechtzeitig eingehen, wurden diese Unterlagen persönlich durch Mitarbeitende der Stadtverwaltung zugestellt“, so Dziedeck.
Überhaupt habe es bei der Bearbeitung der Briefwahlunterlagen nicht lange gedauert: „Alle Anträge wurden innerhalb von 24 Stunden bearbeitet. Dies schließt die Versendung der Unterlagen mit ein.“
Postdienstleister widerspricht
Die Post werde in der Regel bereits am nächsten Tag zugestellt. „Da alle Anträge auf Abstimmungsunterlagen rechtzeitig bearbeitet und in den Zustellungslauf gebracht wurden, kann hier grundsätzlich nicht von einem Fehler des Wahlteams ausgegangen werden“, teilt der Stadtsprecher mit.
Der Postdienstleister „Brief und mehr“, der für die Zustellung der Briefwahlunterlagen zuständig war, widerspricht den Aussagen der Stadt in Teilen. Nicht nur am 9. Dezember seien noch Briefwahlunterlagen empfangen worden. „Systemseitig ist zu erkennen, dass am 12. Dezember noch Briefwahlunterlagen bei der Stadt Lünen abgeholt wurden und erst am 13. Dezember in die Zustellung übergeben wurden.“
Die genaue Zahl der Briefe möchte das Unternehmen aufgrund des Vertragsverhältnisses mit der Stadt Lünen nicht nennen. Einer dieser Sendungen, die erst am 13. Dezember in den Briefkästen landete, war die an Anne Grotefels – obwohl die Stadt angibt: „Am Montag, 28. November, wurde der Antrag bearbeitet und noch am selben Tag in den Postversand gegeben.“

23 Briefe später verschickt
Brief und mehr teilt zum internen Ablauf mit: „Alle Sendungen, die Brief und mehr bei der Stadt Lünen abholt, werden noch am selben Tag verarbeitet. Alle abgeholten Sendungen werden taggleich erfasst und mit dem aktuellen Datum versehen. Anschließend gehen die Sendungen in die Zustellung.“ Zwischen Abholung und Stempelung würden durchschnittlich circa sechs Stunden vergehen, heißt es vom Unternehmen.
Warum Anne Grotefels den Brief nicht rechtzeitig bekam, drohte sich zunächst somit nicht mehr aufzuklären. Nach einer weiteren Prüfung erklärte die Stadt dann: „Am 28. November wurden von dem Team Wahlen 239 Briefwahlbriefe ausgestellt und an die Poststelle übergeben. Von diesen Briefen wurden 23 Briefe erst mit Poststempel 9. oder 12. Dezember von Brief und mehr gekennzeichnet. Von Seiten der Stadt Lünen ist es nicht erklärbar, warum diese 23 Briefe so spät in die Zustellung bei Brief und mehr gingen.“ Im Vormittagsbereich des 9. Dezember seien noch Briefe durch das Wahlteam per Post versendet, erst am Nachmittag dann von städtischen Mitarbeitern persönlich zugestellt worden.
Im Wahllokal abgewiesen
„Ich ärgere mich“, sagt Grotefels zur verspäteten Zustellung ihrer Wahlunterlagen. „Ich hätte schon gern meine Stimme abgegeben.“ Weil sie auf den Wahlbrief bis zuletzt vergeblich wartete, habe sie gehofft, im Abstimmungslokal ihre Stimme abgeben zu können. „Dort wurde mir gesagt, dass ich als Briefwählerin eingetragen bin und meine Stimme da nicht abgeben kann. Um das als Briefwähler zu können, muss nämlich ein Wahlschein vorgelegt werden – der wird jedoch zusammen mit den Briefwahlunterlagen verschickt.
Sie sei nicht die einzige im Wahllokal gewesen, die deshalb ihre Stimme nicht abgeben durfte, schildert Anne Grotefels die Gespräche vor Ort.
Briefwahlbüro war erreichbar
Stadtsprecher Alexander Dziedeck weist darauf hin, dass Briefwählende bis zum Samstag vor der Wahl die Möglichkeit gehabt hätten, sich wegen fehlender Unterlagen zu melden. „Vom Wahlteam der Stadt Lünen hätten dann neue Unterlagen ausgestellt werden können.“
Davon sei auch Gebrauch gemacht worden, so Dziedeck: „Insgesamt haben sich 25 Personen gemeldet, bei denen die Briefwahlunterlagen nicht zugestellt wurden. Hier wurden die alten Unterlagen annulliert und neue zugestellt.“
Selbst am Wahltag hätten sich sowohl Wählende als auch Wahlhelfende an die Stadt wenden können: „Auch am Sonntag hätte es zudem die Möglichkeit gegeben, bei Nachfragen das Briefwahlbüro zu kontaktieren. Die Telefonnummer des Briefwahlbüros war auf der Abstimmungsbenachrichtigung abgedruckt.“
Daran, sich eine Kopie der Benachrichtigung zu machen oder die aufgedruckte Telefonnummer zu notieren, habe Grotefels jedoch nicht gedacht. Mit der Briefwahl habe sie bisher schließlich nur gute Erfahrungen gemacht. „Das hat auch sonst immer geklappt“, berichtet die Lünerin.
BI beauftragt Anwalt
Ob solche Pannen einen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der gesamten Abstimmung haben, müsse bei jedem Fall einzeln geprüft werden, teilt Stadtsprecher Alexander Dziedeck mit: „Die Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des Bürgerentscheids hängen von dem jeweiligen Einzelfall ab. Eine pauschale Aussage ist daher nicht möglich.“
Auch wegen der Unstimmigkeiten bei der Briefwahl hat die Bürgerinitiative „Gegen die Müllkippe“, die die Bürgerentscheide mit ihrer Unterschriftensammlung überhaupt erst ins Rollen gebracht hatte, eine unabhängige Überprüfung des Entscheids angestoßen. „Wir haben einen Fachanwalt damit beauftragt“, erklärt Marina Lorson, Mit-Initiatorin der BI. Sie habe „ein schlechtes Bauchgefühl“, wie sie empfänden viele in der Bürgerinitiative diese Überprüfung als notwendig.
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