
© Aktionskreis Stolpersteine
NS-Gedenken: Lüner Arbeitskreis Stolpersteine erinnert an sieben Schicksale
Gedenkveranstaltung
Eigentlich sollten sieben neue Stolpersteine schon 2020 an der Cappenberger Straße ins Pflaster eingesetzt werden. Dann kam Corona. Nun aber steht der Termin fest.
Pandemiebedingt konnten 2020 in Lünen keine „Stolpersteine“ zur Erinnerung an Opfer durch das Naziregime verlegt werden. Jetzt nutzt der Arbeitskreis Lüner Stolpersteine das aktuelle Zeitfenster, um seine Aktivitäten weiter zu führen. Vor kurzem wurde bekannt, dass der Arbeitskreis 2022 den Heinrich-Bußmann-Preis des SPD-Stadtverbandes erhält.
Die Mitglieder des Arbeitskreises laden für Montag (13.9.) um 11 Uhr vor den Wohnhäusern an der Cappenberger Straße 35 c und 35 d zu einer Gedenkveranstaltung ein. Es werden insgesamt sieben Stolpersteine für die Familien Aronstein und Elsoffer verlegt, die dort gewohnt haben.
Mit dabei sind Schülerinnen und Schüler des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums sowie zahlreiche private Sponsoren, die auch das große bürgerliche Engagement in Lünen für das „größte dezentrale Mahnmal der Welt“ dokumentieren, das der Künstler Gunter Demnig initiierte.

Diese beiden neuen Stolpersteine erinnern an die Frau und den Sohn von Waldemar Elsoffer, die vor den Nazis nach England geflohen sind, nachdem ihr Mann und Vater 1938 ermordet wurde. © Günter Blaszczyk
Udo Kath, Sprecher des Arbeitskreises: „Für den ermordeten Waldemar Elsoffer liegt bereits vor seinem letzten Wohnort an der Hausnummer 35 c ein Stolperstein. Jetzt werden weitere für seine Ehefrau Martha und Sohn Werner, die 1939/1947 bzw. 1938/39 über England nach Australien flüchteten bzw. emigrierten, in den Bürgersteig mit Hilfe der Wirtschaftsbetriebe Lünen fachmännisch verlegt.“ Für die fünfköpfige Familie Aronstein, die nebenan im Haus Nummer 35 d wohnte, werden nun ebenfalls Steine verlegt.
Um die Erforschung dieser Einzelschicksale kümmerte sich im Arbeitskreis Lüner Stolpersteine federführend und mit großem Engagement Wolfgang Balzer. Hermann Markus Aronstein wurde im Alter von 45 Jahren in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 genauso wie sein Nachbar Waldemar Elsoffer von Nazis zur Lippe und dort in das Wasser getrieben. Elsoffer ertrank sofort, Aronstein überlebte, weil er sich weiter flußaufwärts ans Ufer retten konnte. Die Demütigungen gingen anschließend weiter.

Diese Stolpersteine erinnern an die Lüner Familie Aronstein. Sie werden am 13. September verlegt. © Günter Blaszczyk
Im Dezember 1938 schickten die Eheleute ihre beiden jüngeren Töchter in die Niederlande, um - so die Hoffnung - deren Leben zu retten. In Lünen selbst nahm der nationalsozialistische Terror zu. Das Ehepaar musste mit der ältesten Tochter Ursel in ein sogenanntes Judenhaus an der Borker Straße 6 ziehen, wo sie beengt und unter erbärmlichen Bedingungen ihr Leben fristeten. Im März 1943 wurde Hermann Markus Aronstein nach Auschwitz deportiert. Hierhin wurde auch seine Frau verschleppt. Die Nazis ermordeten beide.
Ein Brief der Mutter dokumentiert die große Sorge um das Wohlergehen von Inge und Elga. Die Zweifel waren berechtigt. Erst rund zehn Monate nach dem Verlassen Lünens landeten die beiden Schwestern nach Umwegen über Notunterkünfte für jüdische Flüchtlingskinder in Rhenen, Losser und Rotterdam im September 1939 bei unterschiedlichen Familien in Den Haag. Als 12-jähriges Mädchen wurde Inge 1943 zunächst in das KZ Herzogenbusch und später nach Westerbork deportiert.
Palästina-Austausch rettete Leben
Anfang 1944 kam sie in das KZ Bergen-Belsen. Hier rettete ein „Palästina-Austausch“ ihr das Leben. Sie wurde gegen deutsche Staatsbürger in britischer Gefangenschaft ausgetauscht. Am 10. Juli 1944 erreichte sie mit dem bekannten „Transport 222“ und mit weiteren befreiten Menschen Haifa. Sie wurde israelische Staatsbürgerin, heiratete und wurde Mutter von drei Kindern. Ihre Schwester Ursel hingegen wurde deportiert und ermordet.
Elga Aronstein kam am 30. Oktober 1942 in das holländische Sammellager Westerbork, weil ihre Pflegeeltern nach Auschwitz deportiert und dort ermordet wurden. Sie wurde am 18. Mai 1943 in das Vernichtungslager Sobibor in Polen deportiert. Die Nazis führten genau Buch: 48 Waggons, 2511 Gefangene, darunter 620 Kinder. Am 21. Mai kam der Transport in Sobibor an. Niemand überlebte, auch nicht die 15-jährige Elga.
Lüner sponsern Stolpersteine
- Private Sponsoren für die Stolpersteine Martha und Werner Elsoffer: Ute und Karl-Heinz Fridriszik, Irena und Josef Gidaszewski mit Enkelin Leonie Gidaszewski.
- Private Sponsoren für die Stolpersteine der Familie Aronstein: Nina und Wolfgang Balzer, Dr. Ursula Görlich, Dr. Ulrich Weber, Roland Ebert, Hartmut Wagner, Stefan Salzmann und Gabriele Strauß.