Fall Wolski Opfer ringt um Fassung – Kotissek-Aussage hinter verschlossener Tür

Opfer ringt um Fassung – Kotissek-Aussage hinter verschlossener Tür
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Exakt um 13.08 Uhr am Freitag (12. April) betritt die Lüner SPD-Ratsfrau und ehemalige Vorsitzende der Lüner Jungsozialistinnen und -sozialisten (Jusos) Nina Kotissek (31) in Begleitung ihres Anwalts den Zeugenstand – es ist der fünfte Verhandlungstag im Missbrauchsfall Daniel Wolski (41).

Kotissek ist die Anspannung anzusehen. Ihrem ehemaligen und seit Ende Oktober 2023 unter anderem wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen gegen Geld in Untersuchungshaft sitzenden Lebensgefährten würdigt sie in diesem Moment keines Blickes. Ihre Konzentration gilt nur dem Vorsitzenden Richter Nils Feldhaus. Der nimmt kurz und knapp Kotisseks Personalien auf. Kotissek stellt klar, dass sie mit dem Angeklagten weder verwandt noch verschwägert, geschweige denn „verlobt“ ist.

Ein angebliches Verlöbnis Wolskis war in den vergangenen Prozesstagen immer mal wieder Thema. Und immer wieder wollte die Strafkammer wissen, ob es Kotissek ist. Eine Antwort erhielt die Kammer trotz hartnäckiger Nachfragen keine. Erst in einem Rechtsgespräch während des vierten Verhandlungstages am Mittwoch (10. April) habe Wolski erklärt, dass er gar nicht verlobt sei, sagte der Vorsitzende Richter Feldhaus am Freitag während der Verhandlung. Davon sollen selbst Wolskis Verteidiger, Dr. Arabella Pooth und Edgar Fiebig, zu dem Zeitpunkt erstaunt gewesen sein.

Das Archivbild zeigt Daniel Wolski im Jahr 2017, wie er im Alter von 34 Jahren symbolisch den Staffelstab des Juso-Vorsitzenden an seine Nachfolgerin Nina Kotissek, damals 24, übergibt.
Das Archivbild zeigt Daniel Wolski im Jahr 2017, wie er im Alter von 34 Jahren symbolisch den Staffelstab des Juso-Vorsitzenden an seine Nachfolgerin Nina Kotissek, damals 24, übergibt. © SPD

Öffentlichkeit ausgeschlossen

Wie es dazu kommen konnte? Nach Informationen unserer Redaktion soll Nina Kotissek ihren Ex-Partner, dem sie regelmäßig Briefe inklusive Fotos aus gemeinsamen Zeiten ins Gefängnis geschickt haben soll, in der JVA besucht haben. Dabei soll es auch um ein mögliches Verlöbnis, was Kotissek ein Zeugnisverweigerungsrecht eingeräumt hätte, gegangen sein. Allerdings soll Wolski, wie unsere Redaktion aus gut informierten Kreisen erfuhr, „wohl etwas falsch verstanden haben“. Kotissek habe nicht erklärt, seine Verlobte zu sein.

Nach Feststellung der Personalien und des heutigen Verhältnisses Kotisseks zu ihrem früheren Mentor Daniel Wolski bittet die Wuppertaler Verwaltungsangestellte und Lüner Kommunalpolitikerin um Ausschluss der Öffentlichkeit. Der Staatsanwalt interveniert in Teilen, die 3. Große Strafkammer des Landgerichts Bochum zieht sich zur Beratung hinter verschlossene Türen zurück.

Um 13.17 Uhr steht fest: Die Öffentlichkeit, sprich Zuschauer und Presse, müssen den Saal verlassen. Der Grund: Es gilt, die Persönlichkeitsrechte der Zeugin zu wahren. Die sind unter anderem laut Gesetz höher zu bewerten, als dass „das Interesse an der öffentlichen Erörterung dieser Umstände überwiegt“. In diesem Fall, so die Strafkammer, weil Nina Kotissek intimste Fragen zur früheren Partnerschaft mit dem zehn Jahre älteren Daniel Wolski „wahrheitsgemäß“ beantworten muss: Etwa, welche sexuellen Praktiken der frühere Vizebürgermeister bevorzugt? Ob, und wenn ja, was sie genau von seinen mittlerweile öffentlich bekannten sexuellen Neigungen gewusst hat?

Was wusste Nina Kotissek?

Grund für die Zeugenladung ist nämlich, dass der Staatsanwaltschaft Chat-Verläufe vorliegen, wonach Wolskis mutmaßliche Sucht, auf Kontaktplattformen nach jüngeren Partnern – weiblich und männlich – zu suchen, nach unseren Informationen schon während der früheren Partnerschaft zum Streit zwischen den beiden geführt hat. Die Staatsanwaltschaft sieht darin Anhaltspunkte für eine verfestigte sexuelle Neigung Wolskis zu Kindern und Jugendlichen.

Vom Eintritt in den Zeugenstand und der Ausschließung der Öffentlichkeit bis hin zur Entlassung Kotisseks aus dem Zeugenstand vergeht fast eine Stunde. Um 14.13 Uhr darf die breite Öffentlichkeit wieder am Prozess teilnehmen. Gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie eine sichtbar entspanntere Nina Kotissek sich mit dem für sie typischen Lächeln und einem „Tschüs“ in Richtung ihres ehemaligen Lebensgefährten Wolski inklusive Fahrtkostenerstattung verabschiedet. Was dieser ebenfalls mit einem lächelnden „Tschüs“ erwidert, bevor er sich – mit der Hand vor dem Mund – mit seinem Verteidiger Edgar Fiebig intensiv austauscht.

Falsche Versprechungen

Das kommt nicht von ungefähr: Nicht zuletzt deshalb, weil vor Kotissek ein heute 20-jähriges Opfer Wolskis dem Gericht Rede und Antwort stand. Die junge Frau rang mehrfach sichtlich um Fassung. Die Frage der Strafkammer, ob die Öffentlichkeit ihre Aussagen hören darf, beantwortete sie im Gegensatz zu Kotissek mit einem klaren Ja. Ihre Aussagen machten deutlich, dass Wolski wie in anderen Fällen ihre schwierige soziale Lage mit falschen Versprechungen ausgenutzt hat: „Ich bin Bürgermeister, ich habe Kontakte bis in den Deutschen Bundestag!“ Das Versprechen Wolskis, ihrem damals einjährigen Sohn ein Konto einzurichten, auf das er jährlich 3000 Euro für eine bessere Zukunft einzahlt, hat er nicht eingehalten. Trotz des damit verbundenen und von Wolski geforderten und unlängst eingeräumten vollzogenen vaginalen Geschlechtsverkehrs mit der damals 17-jährigen Mutter.

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