Maximago-Chef Greitens: „Es gibt widrige Umstände“
Maximago: Wegzug aus Lünen droht
Der Kampf um qualifizierte Mitarbeiter tobt in der IT-Branche besonders hart. Ein Unternehmen wie Maximago in Lünen-Brambauer muss sich deshalb etwas einfallen lassen. Ob die Arbeitsplätze in Lünen bleiben, ist aber trotzdem unklar.

Im April war die Wirtschaftsförderungskommission zu Gast bei Maximago, unter anderem mit Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns (r.). Das Unternehmen um CEO Daniel Greitens (l.) hat seine Forderungen selbstbewusst gestellt.maximago/kestin © Foto: Maximago/Kestin
Das Lüner IT-Unternehmen Maximago feiert in diesem Jahr sein zehnjähriges Bestehen. Eine Auszeichnung gibt‘s noch obendrauf. Maximago ist im Unternehemenswettbewerb „NRW-Wirtschaft im Wandel“ als eines von zehn Unternehmen ausgezeichnet worden. Im Interview mit Marc Fröhling spricht CEO Daniel Greitens über den Preis, die Branche, über Vor- und Nachteile des Standorts in Brambauer – und er erklärt, wieso das Unternehmen vielleicht bald nach Dortmund ziehen muss.
Herr Greitens, was macht Maximago überhaupt?
Wir sind deutschlandweit aktiv in spannenden Software-Projekten und kümmern uns dabei immer um den Teil, den die Nutzer am Ende sehen. Wir haben zuletzt zum Beispiel für die Ergo-Versicherungen gearbeitet oder für die Nato. Da ging es um Ortungssysteme und Funk. Wir analysieren immer zuerst, was die Kunden brauchen und arbeiten dann heraus, wie das Produkt werden soll. So haben wir zum Beispiel die Steuerung der Offshore-Windparks des Energie-Unternehmens Areva programmiert.
Dafür braucht man ja qualifizierte Mitarbeiter. Ist es schwierig, die zu finden?
Es ist schon so, dass wir um Mitarbeiter kämpfen. Aber die Leute, die sagen, es gebe einen Fachkräftemangel, vergessen eines: Sie geben ihren Mitarbeitern keine wirkliche Mission. Die wirklichen Fachkräfte wollen etwas bewegen im Leben, wollen etwas Gutes tun. Das sehen viele nicht.
Sie haben mir einen voll eingerichteten Musik-Proberaum gezeigt, einen Work-out-Raum und einen Kicker. Sie wollen den Mitarbeitern offenbar auch mehr bieten als eine Mission.
Mein Leitsatz „Arbeitszeit ist Lebenszeit“ klingt wie Marketing, aber dafür verwenden wir ihn nicht. Wir machen das, weil wir es richtig finden: Personaltrainer und gesundes Obst sind gut für die Gesundheit, die Übernahme der Betreuungskosten, Sommerferienprogramm und das Eltern-Kind-Büro für die Familie. Viele dieser Selbstverständlichkeiten werden aber erwartet, da ist der Markt verdorben. Deswegen zeigen wir auch, wie es woanders aussieht: Unser Entwickler betreuen Roboter-AGs an Schulen und wir haben auch schon bei einem Zirkusprojekt in der Kita geholfen.
Das Unternehmen hat gerade 47 Mitarbeiter – wächst aber weiter. Ist Lünen dafür der richtige Standort?
Ich bin ja in Brambauer groß geworden und der Standort hat auch viele Vorteile. Er ist schön der Stadt vorgelagert, liegt direkt an der A2, nah an Dortmund, sodass wir Mitarbeiter im Prinzip aus dem ganzen Ruhrgebiet anwerben können. Drum herum ist viel Natur und die Grundstückspreise sind viel günstiger. Wir haben hier auch eine schnelle Glasfaser-Verbindung ins Netz.
Aber?
Es gibt widrige Umstände. Eine Anbindung an den ÖPNV ist unverzichtbar, das gehört auch moralisch dazu. Eigentlich bräuchten wir eine direkte Verbindung nach Dortmund, dort leben die meisten unserer Mitarbeiter. Dass so eine Kleinigkeit nicht händelbar ist, ist absolut unverständlich. Auch Brambauer ist ein Problem, der Stadtteil wird aus meiner Sicht ziemlich vernachlässigt. Vorstände von großen Unternehmen, bitte ich, nicht über die Hufnagel-Kreuzung zu fahren, sondern eine andere Route zu nehmen. Wie sieht das denn aus?
Also werden Sie Lünen verlassen?
Wir kämpfen gerade noch. Es kann auch sein, dass wir nach Dortmund gehen. Wir könnten jederzeit ins Gewerbegebiet Phoenix-West ziehen. Wir verhandeln aber auch darüber, dass wir hier am Lüntec ein Nebengründstück beziehen könnten. Das geht alles sehr träge. Aber alle sind sehr bemüht, auch Herr Swehla (Eric, Wirtschaftsförderer, Anm. d. Red.), aber das braucht elendig viel Zeit. Uns stellt sich schon die Frage, wie viel Zeit wir noch haben.
Wie viel denn?
Eigentlich wollte ich mich diesen Monat entscheiden, aber das wird sich wohl noch einen Monat ziehen. Das fällt mir schon schwer.
Mit dem Abgang von Maximago würde Lünen auch Gewerbesteuer-Einnahmen verlieren. Wie viel eigentlich?
Vor zwei Jahren waren es noch rund 175.000 Euro. Seitdem sind wir aber noch einmal deutlich gewachsen. Aber davon einmal abgesehen: Wir generieren hier Umsätze, die nicht aus der Region kommen, sondern aus München, aus Hamburg und so weiter. Und wir holen hoch qualifiziertes Personal hierher, das hier Geld ausgibt. Ich glaube schon, dass das für eine Stadt interessant ist.
Was soll denn auf dem Nebengrundstück entstehen?
Die Idee ist, dort eine Art Campus zu errichten. Dort könnten wir die IT-Kräfte bündeln, zum Beispiel mit dem Unternehmen Itemis hier nebenan. Wir könnten Startups hierher holen, IT-Tage veranstalten oder Investorenpitchs. Aber, wie gesagt, es geht alles sehr langsam.
Wie geht es mit dem Unternehmen selbst denn voran?
Ich denke, wir werden uns weiter so positiv entwickeln. Wir haben gerade ein eigenes Produkt gebaut, eine Art Baukasten für Software. Das ist besonders für kleinere Unternehmen interessant. In die Entwicklung haben wir eine Million Euro gesteckt, da versprechen wir uns viel von. Wir sind auch im Bereich Industrie 4.0 aktiv und haben gerade eine Werkssteuerung für Continental gebaut. Wir haben aber keine Strategie, die Wachstum voraussetzt. Wachstum ist die Folge unseres Arbeitens.