Wider das Vergessen
Mahnung bei Gedenkveranstaltung: Anstand und Menschlichkeit sind wieder bedroht
Vertreter aus Politik und Gesellschaft erinnerten an die Ermordung jüdischer Mitbürger vor 81 Jahren. Sie setzten damit auch ein Zeichen gegen rechte Gewalt und Rechtspopulismus
Um an die Reichspogromnacht am 9.11.1938 zu erinnern, legten Vertreter aus Politik, Verwaltung und Bürgerschaft Kränze und Blumengebinde am Gedenkstein der ehemaligen jüdischen Synagoge in der Stadttorstraße nieder. Mitglieder der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes in Lünen (VVN) schwenkten dabei eine Fahne. © Foto Beuckelmann
Schreckliche Szenen müssen sich in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 in der Innenstadt und Lünen-Süd abgespielt haben: Nationalsozialisten terrorisierten jüdische Mitbürger und ermordeten drei von ihnen. An der Stelle, wo Waldemar Elsoffer in der Lippe ertrank, fand am Samstag (9.11.) zur Erinnerung an die Reichspogromnacht vor 81 Jahren eine Gedenkveranstaltung statt, um die Opfer nicht zu vergessen.
Politiker, Vertreter des Rates der Stadt, Kirchen, Schulen und Lüner Bürger setzten an der Lippebrücke Langestraße (Foto) und am Standort der ehemaligen jüdischen Synagoge an der Stadttorstraße ein Zeichen gegen Rechte Gewalt, Rechtsextremismus und Rechtspopulismus. © Foto Beuckelmann
Politiker, Vertreter der Kirchen, Schulen und Lüner Bürger setzten an der Lippebrücke Langestraße und am Standort der ehemaligen jüdischen Synagoge an der Stadttorstraße ein Zeichen gegen rechte Gewalt, Rechtsextremismus und Rechtspopulismus.
Nicht vergessen, was passiert ist
Nico Wellers und Niklas Pohl eröffneten die Veranstaltung als Schüler der städtischen Musikschule mit dem jüdischen Lied „Donna Donna“, das die Lage der Juden in der NS-Zeit reflektierte.
„Wir stehen hier, weil wir nicht vergessen werden, was vor 81 Jahren in Deutschland und in der Stadt passiert ist“, sagte Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns. Er ging auf tödliche Attentate in einer Moschee in den USA und den jüngsten Terrorangriff auf eine jüdische Synagoge in Halle mit zwei Toten ein. Hass, Ablehnung, Judenhass und Rassismus drohten, sich wieder zu etablieren, mahnte der Bürgermeister. Auch Angriffe auf die Demokratie dürften nicht akzeptiert werden. Kleine-Frauns sagte: „Gerade ihr liebe Schülerinnen und Schüler seid die Zukunft. Ihr tragt das Erbe fort und zusammen mit uns müsst ihr euch für unsere Demokratie einsetzen. (…) Bei uns ist kein Platz für Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus.“
Gesellschaftliche Verantwortung
Um an den 9.11.1938 zu erinnern, trugen Farina, Marvin, Mandy, Kimberly und Fenja von der 13. Jahrgangsstufe der Käthe-Kollwitz-Gesamtschule vor, wie jüdische Mitbürger verfolgt und getötet wurden.
In seiner Ansprache ging Friedrich Stiller (re.), Pfarrer für Gesellschaftliche Verantwortung im Ev. Kirchenkreis Dortmund, auf die aktuelle Bedrohung des Anstandes und der Menschlichkeit in Lünen und Umgebung ein. © Foto Beuckelmann
In seiner Rede ging Friedrich Stiller, Pfarrer für Gesellschaftliche Verantwortung im Evangelischen Kirchenkreis Dortmund, auf die aktuelle Bedrohung des Anstandes und der Menschlichkeit in Lünen und Umgebung ein. Vorbei seien zwar der NS-Staatsterrorismus, die Judenpogrome und die Vernichtungslager, nicht vorbei seien aber die Kräfte und die Gesinnung dahinter, so Stiller, der die „unerträglichen Provokationen aus der Szene des Rechtsextremismus und Antisemitismus“ beklagte.
„Als Bürgerschaft dürfen wir uns damit nicht abfinden“, sagte Stiller und wünschte sich eine Rote Linie der Demokraten, um den Angriffen entgegen zu treten. Zudem kritisierte Stiller die Rechtspopulisten als „Feinde des Grundgesetzes“.
Bürgermeister Kleine-Frauns begrüßte konkret die individuelle Geste einer Bürgerin, die Blumen am Gedenkstein der damaligen Synagoge ablegte.