Luftfilter-Gutachten über Lüner Klassenräume: teuer, aber lückenhaft

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Luftfilter-Gutachten über Lüner Klassenräume: teuer, aber lückenhaft

rnLuftfilter-Streit

Die Klassenräume seien sicher, auch ohne Luftfilter. Das hatte Lünens Bürgermeister Kleine-Frauns dem Rat versichert und auf ein Gutachten verwiesen. Das liegt jetzt vor - und wirft Fragen auf.

Lünen

, 07.10.2021, 20:30 Uhr / Lesedauer: 2 min

Den Vorwurf hat Jürgen Kleine-Frauns nicht auf sich und seine Stadtverwaltung sitzen lassen wollen. Von wegen, die Stadt Lünen haben die Lüftungsfrage für den zweiten Corona-Winter verschlafen. Das Gegenteil sei der Fall.

Bereits Ende 2020 habe er untersuchen lassen, ob sich alle Klassenräume der Stadt auch ausreichend belüften lassen, erinnerte der Lüner Bürgermeister seinen Stadtrat Mitte September. „Zusammengefasst: Die Klassenräume sind sicher.“ Das sei attestiert von externen Spezialisten. Wie und von wem genau, blieb zu diesem Zeitpunkt noch offen, denn das Gutachten lag der Öffentlichkeit zunächst nicht vor. Inzwischen sind die Ergebnisse der rund 11.000 Euro teuren Untersuchung öffentlich und werfen Fragen auf. Denn eine so klare Unbedenklichkeitserklärung wie der Bürgermeister gibt der Gutachter nicht. Kann er auch nicht geben, denn er hat schwerpunktmäßig etwas anderes untersucht.

Im Fokus der Untersuchung: Räume mit Lüftungsanlagen

„Der Verfasser wurde beauftragt, ausgesuchte Objekte bezüglich der ausreichenden Belüftung im Zusammenhang mit der Coronaproblematik zu begutachten und gegebenenfalls Optimierungen anzuregen.“ So beschreibt der Prüfsachverständige, Diplom-Ingenieur Oliver Hoffmann aus Kamen, die Ausgangssituation. Die ZGL (Zentrale Gebäudebewirtschaftung Lünen) hatte die Auswahl getroffen. Anders als vermutet, geht es dabei aber gar nicht nicht vornehmlich um die Klassenräume.

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Im Fokus der Untersuchung stehen Räume, die bereits mit Klima- oder Belüftungsanlagen mechanisch belüftet werden können. Der Gutachter hat Stellungnahmen zu 24 Objekten abgegeben: darunter eine Kita (Brambauer), 13 Turnhallen, zwei Aulas, eine Mensa, naturwissenschaftliche Fachräume und in drei Fällen auch Klassenräume. Sowohl Klassenräume der Geschwister-Scholl-Schule, als auch der Viktoria-Grundschule und der Lüserbachschule hat der Gutachter im November 2020 besucht. In allen Fällen gibt er Hinweise, wie der Betrieb der dort verbauten Belüftungsanlagen optimiert werden kann. Stellungnahmen zu Klassenräumen ohne mechanische Belüftung: Fehlanzeige.

Stadtsprecher: „ZGL hat alle Räume begutachtet“

Stadtsprecher Frank Knoll hat dafür eine einfache Erklärung. Der Auftrag an den Gutachter habe schließlich gelautet: „Überprüfung der RLT-Anlagen“, also der fest verbauten raumlufttechnischen Anlagen. Und die sind nur in einem kleinen Teil der Schulräume installiert. Knoll spricht von immerhin 220 der insgesamt 680 Unterrichtsräume.

Die überwiegende Mehrheit der Lüner Klassen, die auf eine mechanische Belüftung verzichten müssen, sind aber auch begutachtet worden, sagt Knoll - zwar offensichtlich nicht vom Gutachter Hoffmann, dafür aber vom Team der ZGL. Es habe ausnahmslos alle Schulräume in Lünen untersucht, sagt Knoll - mit frostigen Folgen für die Schülerinnen und Schüler und das Lehrpersonal.

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Das ZGL-Team ist zu dem Schluss gekommen, dass es in keiner der 24 Schulen sogenannte Kategorie-2-Räume gebe: also Klassenräume, die sich nur eingeschränkt belüften lassen. Überall ließen sich - wie vom Bundesumweltamt empfohlen -, die Fenster alle 20 Minuten für jeweils 5 Minuten sperrangelweit aufreißen. Dass das in Inklusionsklassen zwar praktisch geht, aber nicht erlaubt ist, bleibt dabei unberücksichtigt. Dass sich so im Winter gegen die Kälte nicht anheizen lässt, auch nicht. Die Folge dieser Begutachtung hat sich seit der Ratssitzung vor einem Monat nicht geändert: „Dadurch schließt sich eine Förderung für mobile Luftreinigungsgeräte aus“, fasst Knoll zusammen.

„Kältefrei“ gibt es bislang nicht

Um die Temperaturen sorgt sich auch Gutachter Hoffmann. In den wenigen Hinweisen (drei Sätze) zu Klassenräumen ohne mechanische Lüftung ist zu lesen: „Bei kühlen Außentemperaturen sollte eine bedarfsgerechte Lüftung erfolgen, um eine Auskühlung der Klassenräume entgegenzuwirken.“ Wie kalt ein Klassenraum sein darf, um dort noch Unterricht abhalten zu können, bleibt aber offen - nicht nur bei ihm. Bundesweit gibt es zwar immer wieder mal Hitzefrei, Kältefrei aber bislang nicht.

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