Lüner Schulleiterin gibt Einblicke Als Lehrerin im Urlaub und auf Partys

Von Iris Lüken
Lüner Schulleiterin gibt Einblicke: Als Lehrerin im Urlaub und auf Partys
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Tja, was soll ich sagen: wir sind schon ein besonderes Völkchen, wir Lehrer…

Unser Beruf ist wohl auch ein bisschen so gedacht wie eine Berufung. Ich vergleiche das für mich immer mit einem Pastor. Der kann nicht einfach aufhören, über seine Schäfchen zu wachen. Wir auch nicht. Und manchmal machen wir das, ob sie wollen oder nicht. Wir wissen, was das Beste für sie ist. Einzig, wie wir sie davon überzeugen, dass sie es ebenfalls sehen, das kostet uns einen großen Teil unserer Zeit.

Ich habe lange gebraucht, um für mich die Entscheidung zu treffen: Manchmal ist trotzdem Freizeit. Ohne Schule! Und ohne Gedanken an Schule. Eine hervorragende Gelegenheit dafür ist der Urlaub oder eben: Partys.

In den Sommerurlaub fahre ich gerne mit einer Freundin. Sie ist Schulleiterin wie ich. Im letzten Sommer waren wir auf einem Reiterhof. Beide im wesentlichen ohne Pferdeerfahrung, hatten wir uns zum Ziel gesetzt einen Ausritt am Strand zu machen…

Keine Gespräche über Schule?

Wir nehmen gerne den Zug. Er bietet eine hervorragende Gelegenheit, über alles mögliche zu quatschen. Das tun wir: „Da standen doch plötzlich letzte Woche völlig unangemeldet die Handwerker vor der Türe und wollten für die neuen Medien … mitten in der Unterrichtszeit … dafür mussten Wände herausgeschlagen werden … so ein Lärm … und ein Dreck...“ - „Du, das hatte ich auch … Laubbläser … du hast dein eigenes Wort nicht verstanden …“ „Ich habe mich sofort mit … in Verbindung gesetzt …“

Ziemlich erstaunt nehmen wir zur Kenntnis, dass wir am Urlaubsort bereits angekommen sind. Nach neun Stunden Fahrt. Sie war so spannend, unsere Unterhaltung, dass die Zeit nur so verflogen zu sein scheint. Dafür habe ich einen Notizzettel vollgeschrieben mit Tipps für den Umgang mit der Schulverwaltung, den Eltern, den Lehrern. Sehr nützlich. Ich muss ihn gut verstauen, damit ich ihn wiederfinde. Weil ich nun ja schon begonnen habe, zwei Wochen lang gar nicht über Schule zu sprechen.

Der Arbeitsplatz von Iris Lüken. Wie sehr er doch auf alle anderen Bereiche ihres Lebens strahlt.
Der Arbeitsplatz von Iris Lüken. Wie sehr er doch auf alle anderen Bereiche ihres Lebens strahlt. © Archiv

Manchmal frage ich mich, worüber sich Menschen auf Partys unterhalten, deren Beruf nicht „Lehrer“ ist. Ich glaube, ich weiß es nicht. Vermutlich, weil immer Lehrer anwesend sind, wenn ich irgendwo bin - durch mich mindestens einer. Und den ganz kleinen Vorwurf an mich selber, was die Fähigkeit des Zuhörens angeht, verstehe ich.

Ich liebe die kleinen Anekdötchen wie die zur Fahrradausbildung, die kurzfristig umgedacht werden musste, weil mehr als die Hälfte der Klasse kein funktionsfähiges Fahrrad mit in die Schule gebracht hatte. Aber sie sollten ja lernen, sich im Straßenverkehr angemessen zu verhalten. Also haben wir das Fahren mit dem Fahrrad gespielt. Die Kinder mussten sich das Fahrrad vorstellen. Den Lenker in ihrer Hand. Und los ging es in einer langen Reihe - alle hintereinander her - zu Fuß die Strecke entlang, die geübt werden sollte. „Denkt an den Sicherheitsabstand. Wenn ihr auffahrt, können schlimme Unfälle passieren.“

Joint rauchen verhindert

Noch heute muss ich schmunzeln, wenn ich mir die Geschichte - und sie ist wirklich passiert, da bin ich mir ganz sicher - vor Augen führe. Und noch heute muss ich mich zusammenreißen, damit aus dem Schmunzeln kein lautes Gelächter wird.

Mir fallen aber auch direkt mindestens drei Geschichten ein, bei denen ich die begleitende Lehrerin war: Meine erste Klassenfahrt mit meiner Klasse. Wie ich es gerade noch verhindern konnte, dass Kinder einen Joint rauchten. Aus Gräsern, die sie gesucht hatten und ganz sicher zu wissen glaubten, dass es die richtigen waren.

Und wie den Schülern erst während der ausgelassenen Abschlussfeier plötzlich klar wurde, dass ihre gemeinsame Zeit bald endete. Ein allgemeines und sehr verzweifeltes Weinen und gemeinschaftliches Drücken begann. Nie wieder habe ich eine Grundreinigung unter solch mitreißendem Schluchzen erlebt. Den Besen schwingend fielen sich Kinder in die Arme und wirklich alle Augen waren verquollen, als in der Nacht endlich Ruhe einkehrte.

Kenne ich nur Lehrer?

Da fällt mir gerade die Garten-Party ein. Ich hatte mich einer Gruppe angeschlossen und wir hatten begonnen zu quatschen. Nach einiger Zeit gesellte sich eine mir fremde Person zu uns mit den Worten: „Darf ich zu euch kommen? Hier ist es so lustig.“ Ich blickte mich um und merkte erst zu diesem Zeitpunkt, dass mich mehrere Menschen mit diesem Blick ansahen. Mit diesem, der ein Schmunzeln beinhaltet, das man nicht zu einem Gelächter ausweiten möchte, diesen Kampf aber eigentlich bereits verloren hat und nur noch darauf achtet, dass nicht allzu deutlich die Peinlichkeit herausstrahlt, die man empfindet, bei der Vorstellung dabei gewesen zu sein…

Es gab Zeiten, da war ich davon überzeugt, nur Lehrer zu kennen. Mir wurde beim Nachdenken darüber allerdings klar, dass das nicht stimmt. Seither frage ich mich: Kommen die anderen nur einfach nicht zu Wort? Seit einigen Jahren fahre ich mit drei Freundinnen für ein paar Tage jeweils in eine andere Stadt. Zwei von ihnen sind keine Lehrer. Und seit ich darauf achte, kann ich sagen: Ganz sicher reden wir auch über anderes. Wirklich. Ich frage sie gleich vorsichtshalber, ob sie das auch so sagen würden.

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