Ich hatte einen Beitrag geschrieben zu meinem beruflichen Alltag als Lehrerin, und die Reaktionen darauf haben mich nachdenklich gemacht. Weil der Tenor immer deutlicher wurde: „Durchhalten. Ihr habt es nicht leicht“. So möchte ich es nicht stehen lassen.
Grundsätzlich stimme ich dem zu. Es ist nicht immer einfach, was ein Lehrer zu bewerkstelligen hat. Aber: Genau das, genau diese ständigen Störungen im Unterrichtsgeschehen sind es, die meinen Beruf zu einem großen Teil ausmachen. Nun kann ich nicht direkt behaupten, dass ich mich besonders über diese Störungen freue - manche Auseinandersetzungen mit uneinsichtigen Kindern (und auch Eltern) sind sehr unschön.
Aber: Ja - genau das macht mir Spaß. Und so sollte es meiner Ansicht nach auch sein. Es ist mein Beruf mit Kindern, die bisher sehr spielerisch ihre Umwelt erlebt haben, mit Kindern, die bisher sehr unkoordiniert Erfahrungen gemacht haben - körperliche und geistige -, gemeinsam den Weg anzutreten, die eigenen Grenzen zu erkunden (und auszuweiten). Ihnen zu helfen, Möglichkeiten des gemeinsamen Miteinanders in der Gesellschaft kennenzulernen, sich abzugrenzen und einen eigenen Weg zu finden und dabei Empathie und Verständnis für andere zu entwickeln.
Das alles entspricht einem Prozess. Wir alle wissen aus eigener Erfahrung, wie schwierig es ist, Gewohnheiten zu verändern. Oder unser Verhalten. Etwas zu lernen geht nicht von heute auf morgen. Es ist ein langer Weg mit vielen Übungen und Wiederholungen. Mit Irrwegen. Mit der Erkenntnis es anders zu versuchen, die erst aus Fehlern entstehen kann, die man als Fehler erkennen muss.
Kinder, die in die Schule kommen, kennen bisher oft erst genau einen Weg. Sie nehmen ihn als Wahrheit an. Dass man selbst Einfluss darauf nehmen kann, wie er weitergeht, das müssen sie erst lernen. Dazu leiste ich meinen Beitrag. Und darauf bin ich stolz.
Schule: Viel mehr als Lesen und Rechnen
Dass immer wieder Unterrichtsstunden mit dem nagenden Gefühl enden, nichts oder nicht genug erreicht zu haben, heißt ja nicht automatisch, dass dieses Gefühl auch dauerhaft Bestand hat. Oder haben sollte. Bei einer Fortbildung erfuhr ich einmal, dass es genau das ist: dieser Alltag. Mit allen seinen Störungen und Hindernissen. Und wenn ich ihn durchstehe - jede Unterrichtsstunde also -, ohne dabei die Nerven zu verlieren, dann bin ich souverän.
Wenn ich es schaffe die Kinder dazu zu bringen, dass sie gerne zur Schule gehen und dort ihren Möglichkeiten entsprechend ihr Wissen zu erweitern, ihre eigenen Bedürfnisse für eine Zeit zurückzustellen und trotz Störungen von außen Konzentration herstellen zu können, dann habe ich doch richtig viel geschafft. Aus meiner Erfahrung heraus weiß ich, dass wir Grundschulen die Kinder abgeben, wenn es so weit ist. Manchmal empfinde ich das als schade. Aber ich weiß doch trotzdem: So ist es gut. So ist unser Schulsystem aufgebaut, und so ist mein Beruf gedacht.
Die Zeit wird es richten

Einzig die Erwartung, dass ich es schaffen muss, bestimmte Kompetenzen in einem bestimmten Zeitrahmen bei den Kindern sicherzustellen, setzt mich dabei sehr unter Druck. Ich glaube, dass genau da ein Knackpunkt in unser aller Logik liegt: Wenn es richtig ist und wir es so wollen, dass Unterricht das Individuum, den einzelnen kleinen Menschen sieht, der nicht genauso und nicht genauso schnell lernen kann wie sein Nachbar, der andere Interessen hat und nur auf einem anderen Weg zu einem Ergebnis kommen kann, dann kann ich nicht auch noch erwarten, dass es beispielsweise egal ist, wie viele Menschen gleichzeitig in einem Raum sind (ich kann mich natürlich deutlich persönlicher um 20 Kinder kümmern als um 30).
Oder dass es keinen Unterschied macht, an welchem Startpunkt ein Kind die schulische Laufbahn beginnt: Ein Kind, das im Vorschulalter behutsam und wohlwollend gefördert wurde, kommt doch mit ganz anderen Voraussetzungen bei mir an als ein Kind, das im Wesentlichen alle bisher erzielten Erfolge aus eigenem Antrieb - ungefördert - leisten musste. Kinder müssen erst lernen, wie sie einen Stift halten, wie sie ihren Körper dosiert einsetzen können, bevor sie an das Schreiben, Lesen, Rechnen gehen können.
Oft, wenn ich aus dem Unterricht komme, denke ich mir, dass es die Gelassenheit ist, der tiefe Glaube daran, dass die Zeit es richten wird. Das sollte wir alle (nicht nur wir Lehrer) viel mehr verinnerlichen. Und bei all dem weiß ich gleichzeitig, dass ein gewisses Maß an Kontrolle sinnvoll ist. Eine grundsätzliche Marschrichtung und eine Richtschnur, um erkennen zu können, ob wir gemeinsam noch auf dem richtigen Weg sind. Zack - bei diesem Satz ist sie sofort wieder da, meine Gewissheit: So, wie es ist, ist es gut. Vielleicht nicht an jedem Tag immer gleichermaßen. Aber die Grundrichtung stimmt. Und das ist doch eine Menge wert, oder?
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