Lüner Grundschulleiterin gibt Einblicke in ihren Alltag „Morgen läuft´s bestimmt!“

Von Iris Lüken
Lüner Grundschulleiterin gibt Einblicke in ihren Alltag
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Ich bin gerne Lehrerin. Mir macht es Spaß, meine persönliche Begeisterung am Lernen an die Kinder weiter zu geben.

Das Gefühl, wenn ich in die Klasse komme, einige Kinder jubeln (ist das schön, dass sie noch so ehrlich sind), manche springen von ihrem Platz auf, nehmen mich in den Arm…

Heute läuft`s. Ich spüre das. Ich habe mir genau überlegt, wie ich ihnen das systematische Herangehen an die Mathematik - schon immer mein persönliches Lieblingsfach - schmackhaft machen möchte.

Ich beginne: Heute möchte ich mit euch …

„M. tritt mich immer unter dem Tisch“. Ja, so kann man sich nicht gut konzentrieren (auch, wenn ich sehe, dass er es nicht extra macht, sondern einfach nicht mehr gut stillsitzen kann). Also: „Rutscht auseinander. Es ist genügend Platz da.“

Noch, während ich das sage, höre ich einen lauten Schrei. Da sind unsere zwei Streithammel an einander geraten. Hier reichen Worte nicht aus. Ich muss dazwischen gehen. Mache ich, während ich weiter erzähle - nun eben etwas lauter - welches Thema wir heute behandeln wollen. Als ich die beiden auseinandergezogen und weit genug von einander entfernt hingesetzt habe, drehe ich mich um - und kann gerade noch verhindern mit einem Kind (eines von drei oder vier Kindern, die plötzlich hinter mir stehen) zusammen zu stoßen. „Mein Bleistift ist weg. Gerade hatte ich ihn noch“ Ein Blick zum Rest des Pulkes sagt mir, dass sie alle ähnliche Probleme haben. Täglich verschwinden gefühlte Unmengen an Bleistiften, Radiergummis, Anspitzern, Büchern, Heften. Sie alle finden sich meist wieder. Wenn man genügend lange sucht … aber nicht jetzt!

„Welche Frage?“

Ich stelle eine erste Frage zum heutigen Thema - und freue mich über die vielen gehobenen Hände. Das drangenommene Kind verkündet: „Ich muss zur Toilette.“ Viele der anderen merken gerade, dass es ihnen auch so geht. Die Pause liegt keine 15 Minuten zurück. „Jetzt nicht. Fragt mich gleich noch einmal, wenn alle wissen, was sie arbeiten sollen.“

Zwei Kinder, die durch den Raum gehen um sich die Hände zu waschen - hatten sie noch nicht nach dem Frühstück. Und merken gerade, dass alles verschmiert, was sie berühren - kann ich gerade noch daran hindern nun ausgiebig und lauthals am Waschbecken zu verweilen.

„Wer kennt die Antwort auf meine Frage?“ - „Welche Frage?“ Ich wiederhole sie. Jetzt aber!

Ich schaue nach links. Dort stehen mehr als drei Kinder neben mir. Wie sind sie dort hingekommen? Sie haben Bauchschmerzen. Man sieht ihnen an, dass es stimmt. Ich schicke sie erst einmal zur Toilette. Manchmal hilft das. Der halben Klasse fällt ein, dass sie auch müssten … während ich kläre, dass der eine Grund ausreicht, der andere nicht und jetzt sicher nicht gleichzeitig mitten im Unterricht die halbe Klasse - brüllen sich hinten zwei Kinder an. Jeder ist sauer. Der andere hat ihn beleidigt.

„Hinsetzen! Alle! Jetzt!“

Ich hatte eine Frage gestellt. „Welche?“ Kurz muss ich überlegen, ob ich sie selber noch kenne. Mein Mathe-Crack kennt sie noch. Hat jetzt lange genug gewartet, lässt deshalb das Melden weg - und verkündet direkt die Antwort. Mit Begründung.

Meine Frage, ob die Kinder hinten gehört haben, was er sagte, geht im lauten Ton der Pausenklingel unter.

Morgen. Morgen werden wir uns in aller Ruhe dem Thema noch einmal widmen.

Dann läuft`s. Bestimmt…