
© Lüdke
Lüner Psychologe rät: Sich selbst wertschätzen und positiv denken
Corona und dunkle Jahreszeit
Die dunkle Jahreszeit kommt. Das belastet auch in normalen Jahren seelisch sehr. Was man tun kann, um dem Trübsinn und den Ängsten keine Chance zu geben, haben wir einen Fachmann gefragt.
Die Corona-Krise allein würde schon reichen, um pessimistisch in die Zukunft zu blicken. Jetzt kommt noch die dunkle Jahreszeit auf uns zu. Diese Kombination kann bei sensiblen Menschen zu Problemen führen, weiß auch der bekannte Lüner Psychologe Dr. Christian Lüdke. Wobei die dunkle Jahreszeit nicht automatisch zu Depressionen führen muss. „In dieser Zeit sitzen wir alle in einem Boot, da haben viele schlechte Laune. Im Frühjahr jedoch, wenn die Menschen rausgehen können, bleiben die Leute mit traurigen Gefühlen einsam zu Hause. Laut Studien ist es deshalb sogar eher wahrscheinlich, dass man Depressionen bekommt“, so Lüdke.
Durch Corona ist aber nun auch im Herbst und Winter bei immer mehr Menschen ein Gefühl der Angst oder auch eine Depression eher wahrscheinlich. „Bei Depressionen richtet man den Blick in die Vergangenheit, dahin, wo alles schlecht war. Bei Ängsten blickt man dagegen in die Zukunft, hat Angst vor dem, was kommen könnte“, erklärt Lüdke.
Auf Normalität und Strukturen setzen
Um sich nicht herunterziehen zu lassen trotz des Lockdown lights und dessen Folgen, sollte man auf möglichst viel Normalität im Alltag und Strukturen setzen, rät der 60-jährige Familienvater. So zieht er sich beispielsweise auch im Home Office so an, als ob er ins Büro ginge. Und sieht auch die positiven Aspekte: „Manchmal bekomme ich mehr geschafft als im Büro, weil der kollegiale Austausch am Arbeitsplatz fehlt.“
Etwas Positives sehen ist auch sein Rat, wenn die Tage kürzer werden und man aufgrund der Corona-Richtlinien eben nicht ins Theater, Konzert oder Kino gehen kann. „Wir müssen trotzdem etwas haben, auf das wir uns in naher Zukunft freuen können“, so Lüdke. Das kann auch schlicht ein leckeres Essen am Abend sein, das Gespräch mit dem Partner über den Tag oder ein schöner Spaziergang am Wochenende. Das macht die Lage erträglicher, man schöpft wieder Hoffnung.
„Wichtig ist auch, dass man sich bewusst Zeit für sich selbst nimmt“, rät der Psychologe. Ein Buch lesen, Fotos von der Familie oder dem letzten Urlaub zu einem Fotobuch zusammenstellen, den Keller ausmisten (wenn man das nicht schon beim letzten Lockdown getan hat) - all das sind Dinge, die ablenken und auch Freude machen können.
Für unsere Ziele Zeit nehmen
Den Grübel-Ballast abwerfen ist ein weiterer Tipp des Fachmanns. „Wir sollten uns nicht zu viel vornehmen, uns dafür aber für unsere Ziele Zeit nehmen. Oft überschätzt man, was man in einem Jahr schafft, unterschätzt aber, was man in zehn Jahren schafft.“
Lüdke hat sich beispielsweise vorgenommen, einen digitalen Adventskalender auf seinen sozialen Plattformen im Netz zu veröffentlichen. Dafür wird er kleine Videos mit Tipps drehen.
Tag für Tag positiv denken, sich auf seine eigenen Stärken besinnen und sich vom Perfektionismus verabschieden - das rät Lüdke. Er hat auch beobachtet, dass die meisten Menschen verlernt haben, um Hilfe zu bitten. Auch bei scheinbaren Kleinigkeiten wie der Bitte, ob ein Freund den Hund ausführt oder bei der Suche nach einer Ware im Laden die Verkäuferin zu fragen.
Vornehmen sollte man sich auch eine „Königinnen- oder Königswoche“, bei der es darum geht, sich selbst mehr wertzuschätzen. „Auch wenn man zuhause isst, benutzt man dafür das beste Geschirr oder man zieht sich am Wochenende schick an. Wenn man sich selbst nicht wertschätzt, tut es auch kein anderer.“
Man solle sich auch mal trauen, Nein zu sagen und sich auch dran zuhalten. Eine schöne Idee sei es auch, sich eine „Diamantenliste“ zu erstellen, jeden Abend fünf Dinge aufschreiben, die an diesem Tag gut und schön waren. Das kann ein nettes Telefonat sein oder ein Lächeln an einer Ampel aus dem Auto nebenan.
Bei den Wünschen nach Geborgenheit in dieser Zeit können auch Bücher oder das Kuscheltier aus der Kindheit helfen.
Beate Rottgardt, 1963 in Frankfurt am Main geboren, ist seit 1972 Lünerin. Nach dem Volontariat wurde sie 1987 Redakteurin in Lünen. Schule, Senioren, Kultur sind die Themen, die ihr am Herzen liegen. Genauso wie Begegnungen mit Menschen.
