
© Stadt Lünen
Lüner Haushaltsreden 2021: Kritik an mangelnder Führung und lahmem Tempo
Lüner Haushalt
Der Lüner 300-Millionen-Euro-Etat 2022 ist in trockenen Tüchern. Vor der Abstimmung nutzen die Fraktionssprecher die Gelegenheit zu einer Generalabrechnung- die traf auch den Bürgermeister.
Lünens 300-Millionen-Euro Etat für das Jahr 2022 ist verabschiedet. SPD, CDU, Grüne und FDP stimmten für das Paket, das zwar einen Ausweg aus der jahrelangen Überschuldung aufzeigt, aber nichts für den tatsächlichen Schuldenabbau tut. GFL, AfD und die Linke lehnten den Rekord-Etat ab. In den Haushaltsreden der Fraktionsvorsitzenden ging es aber traditionell nicht nur um die Bilanz selbst, sondern um eine politische Standortbestimmung. Dabei kriegten die jeweiligen politischen Antipoden ihr Fett ab und fast immer auch der Bürgermeister.
„Die Verwaltung muss besser werden: besser geführt“, forderte Rüdiger Billeb, der Vorsitzende der SPD-Fraktion, der mit 19 Sitzen größten politischen Gruppe im 56 Sitze zählenden Lüner Stadtrat. Christoph Tölle von der 12 Sitze zählenden CDU, Prof. Dr. Johannes Hofnagel von der GFL (7 Sitze) und Karsten Niehus von der FDP (2 Sitze) bliesen ins gleiche Horn: Die Stadtverwaltung sei zu träge. Dafür nannten sie ganz unterschiedliche Beispiele.
Ob Kita-Ausbau oder Radwegebau: „Da fehlt Tempo“
Billeb erinnerte daran, dass der Rat der Stadt Lünen Anfang 2014 das Konzept zur Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen in Lünen beschlossen habe. Auf die Umsetzung warte die Stadt immer noch. Niehues beklagte, dass es zu lange dauere, die dringend benötigten Kita-Plätze zu schaffen. Hofnagel wies darauf hin, dass der versprochene Radwegeausbau „vor sich hin dümpelt“. Und Tölle sagte, dass es den Bürgerinnen und Bürgern nicht zu vermitteln sei „dass wir einen 300-Millionen-Haushalt haben, aber es nicht schaffen, innerhalb von drei Monaten einen Personalausweis auszustellen.“

Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns musste bei den Haushaltsreden einige Kritik an der Verwaltung im Allgemeinen und seiner Führungskraft im Besonderen einstecken. Es gab aber auch positive Ansätze. © Foto: Goldstein
Alle zusammen sorgten sich, dass Lünens Zukunftschance - die Umgestaltung der Steag-Fläche in ein grünes, innovatives Industriegebiet - unter diesen organisatorischen Defiziten leiden könne. „Machen sie die Steag-Erschließung zur Chefsache“, rief Tölle dem Bürgermeister zu.
FDP: Müssen aus dem Museums-Debakel lernen
Die Kostenverdopplung beim Museumsbau Villa Urbahn nannte Hofnagel als Beispiel dafür, was passiert, „wenn niemand den Hut aufhat“. Ein Problem, das Niehues genauso benannte: „Wir müssen das Museums-Debakel aufarbeiten, damit andere Großprojekte nicht zur finanziellen Katastrophe werden“. Dabei hatte er insbesondere den Umbau der Persiluhr-Passage im Blick und die internationale Gartenausstellung 2027.
Während Hofnagel das „rot-schwarze Haushaltspaket“ ablehnte, wegen der Defizite bei den Themen Mobilität (unentschlossener Radwegeausbau) und Klimaschutz (neue Stellen sind keine Chefsache), sah Reiner Hohl (Grüne), der stellvertretende Fraktionssprecher der mit acht Sitzen drittgrößten politischen Gruppe, dort durchaus positive Ansätze.
Grüne sehen positive Ansätze bei Klimapolitik und Mobilität
„Da ist endlich ein Umdenken zu sehen.“ Jetzt gelte es, gemeinsam Gas zu geben. „Dass Mobilitätskonzept könnte die Grundlage für ein neues Mobilitätsverständnis in der Stadt werden“ - mit deutlich weniger motorisiertem Verkehr als heute. Alles müsse auf den Prüfstand. Dass dieses radikale Umdenken auch bei vielen im Rat noch nicht angekommen sei, zeigten die „steinzeitlichen Umgehungsstraßenideen“: ein Prüfauftrag von SPD und CDU.
Johannes Hofnagel von der GFL beklagte genauso wie Mustafa Kurt (Die Linke) die geringe Investitionsquote der Stadt. Die Stadt schaffe selbst kaum noch öffentliches Eigentum, sondern miete sich wie beim Rathaus ein. „Ob das angesichts der aktuellen Situation auf dem Finanzmarkt noch die richtige Strategie ist, sollte dringend überprüft werden“, sagte Kurt. Er hatte gleich sieben Anträge mitgebracht - von der Schaffung weiterer U-3-Kita-Plätze bis zu einem kommunalem Förderprogramm für Soloselbständige.
Die Linke will Gewerbesteuer anheben und scheitert
„Alles gute Ideen“, wie Vertreter der anderen Fraktionen übereinstimmend befanden. In der Kürze der Zeit sei das aber nicht ausreichend zu beraten. Kurt zog fast alle Anträge zurück, um sie in den Fachausschüssen erneut zu stellen. Allein an einer Forderung hielt er fest. die Gewerbesteuer in Lünen von 490 auf 500 Punkte anzuheben - um die von seiner Fraktion geplanten Mehrausgaben finanzieren zu können. Mit Verweis darauf, dass sich die Stadt, die sich als Gewerbestandort in Konkurrenz mit anderen Kommunen befinde, über Dortmund und Hamm liege, lehnten die anderen dieses Ansinnen ab. Der Grund für Kurt und seine Kollegin im Rat, gegen den Etat zu stimmen.
Friederike Hagelstein schaffte es, in der ersten, eher kurzen Haushaltsrede der AfD im Lüner Rat alle Themen zu bedienen, mit der ihre Partei bundesweit im ganz rechten Spektrum fischt. Sie sprach von den „Altparteien“, die „Fehlanreize für Migration“ setzten. Und sie nannte den Klimawandel ein „unvermeidbares, seit Jahrtausenden existierendes Phänomen“, obwohl es international längst keinen wissenschaftlich begründeten Zweifel mehr am menschengemachten Klimawandel gibt.
GFL: An Vertreter auf Landes- und Bundesebene appellieren
Der Haushalt 2022 sei „völlig überschuldet“ (Mustafa Kurt), „völlig unsolide“ (Reiner Hohl) und „ein Drehbuch für ein Drama“ mit Steuererhöhungen in den Folgejahren (Rüdiger Billeb). Für Johannes Hofnagel ist das der Apell an die Vertreter der in Land und Bund regierenden Parteien, auf eine Übernahme der Altschulden und der Corona-Schäden zu drängen.
Leiterin des Medienhauses Lünen Wer die Welt begreifen will, muss vor der Haustür anfangen. Darum liebe ich Lokaljournalismus. Ich freue mich jeden Tag über neue Geschichten, neue Begegnungen, neue Debatten – und neue Aha-Effekte für Sie und für mich. Und ich freue mich über Themenvorschläge für Lünen, Selm, Olfen und Nordkirchen.
