Gastgewerbe
Lüner Gastwirt: „Rosige Zeiten sehen anders aus, aber wir scheitern nicht“
Nach dem extremen Krisenjahr 2021 geht es mit dem Gaststättengewerbe nun wieder bergauf. Das belegen nun neue Umsatz-Zahlen. Ein Lüner Gastronomie erzählt, wie es ihm inzwischen ergeht.
Einführung des Mindestlohns, steigende Energiepreise, teurere Lebensmittel: Auch nach den Corona-Lockdowns sind Gastwirte mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert. Trotzdem geht es bergauf: Gastwirte konnten zuletzt wieder mehr Umsatz generieren als im gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor. Das Vor-Corona-Niveau ist allerdings noch nicht wieder erreicht.
Der Lüner Gastronom und Koch Michael Schlottke kommentiert diese Entwicklung mit einer zwiegespaltenen Meinung: „Rosig sieht vielleicht anders aus, aber Kopf in den Sand stecken ist halt auch nicht. Finanziell ist immer Luft nach oben und die richtig guten Zeiten sind für Gastronomen längst vorbei. Aber ich glaube nicht, dass wir scheitern.“
In Zahlen, kürzlich veröffentlicht vom Landes-Statistik-Betrieb IT.NRW bedeutet das, dass das Gastgewerbe im April 2022 einen 110,4 Prozent höheren Umsatz als im entsprechenden Vorjahresmonat gemacht hat. Gegenüber April 2019 sanken die Umsätze aber um 23,3 Prozent.
Ein Jahr Betrieb „Zum Hubertus“ - ein Blick zurück
Michael Schlottke ist ein Beispiel für diese Entwicklung. Anfang 2021 hatte der gebürtige Lüner die Gaststätte „Zum Hubertus“ an der Moltkestraße übernommen. Nach dem ersten halben Jahr Zwangspause hatte er - sobald es pandemiemäßig möglich war - an Pfingsten 2021 eröffnet. Überschattet von Corona-Beschränkungen kann er nun auf über ein Jahr im Betrieb zurück blicken. Und der läuft nicht schlecht, brummt aber eben auch nicht.
Bevor Michael Schlottke die Gaststätte übernahm suchten die Schützen für ihre Vereinsgaststätte mit Nachdruck einen neuen Pächter. © Schützenverein von 1332
Viel Geld bleibe am Ende des Monats nicht übrig, um groß investieren zu können. Aber der Umsatz würde reichen, um die Pacht zu begleichen, frische Mahlzeiten anzubieten und hier und da, innen und außen, etwas zu werkeln, erzählt der Inhaber. „Ich und meine Frau sind Gastronomen mit Leib und Seele. Und das schon seit vielen Jahren. Das muss man einfach leben. Immerhin haben wir uns nicht das Genick gebrochen.“
Vor der Pandemie war der 52-Jährige als Mietkoch unterwegs gewesen, war auf Ausflugsschiffen über den Rhein geschippert, hatte Großveranstaltungen in Köln und Düsseldorf bekocht, einmal sogar bei einem Tote-Hosen-Konzert für Speisen gesorgt und schwang als eingefleischter BVB-Fan im Westfalen-Stadion den Kochlöffel. Doch dann kam Corona und die Veranstaltungen, für die er gebucht worden war, wurden reihenweise abgesagt. Mit dem „Hubertus“ sesshaft zu werden, schien das krisensichere Standbein zu sein. Und der Plan ging auf.
Live-Musik im Biergarten - auch im September geplant
„Ich empfinde diese Zeiten nicht als hart“, erzählt Schlottke. Inzwischen bewohnt er gemeinsam mit seiner Frau ein Bauernhaus in Olfen. Dort hatte er im Lockdown einen „Boxenstopp“ mit Gulaschkanone und Getränkeverkauf eingerichtet. Zwei Dinge, die sehr gut angenommen wurden. „Wir sind flexibel und lassen uns immer irgendwas einfallen“, sagt Schlottke lächelnd. „Ich liebe es, mit den Gästen zu Quatschen und sie quasi zu entertainen.“
Die Gaststätte dient nun auch als Austragungsort für verschiedenste Events: Ob Tanztees für Senioren, Trauerfeiern, Kegelveranstaltungen, als Vereinsheim für den Schützenverein oder als Veranstaltungsort für Konzerte. Im Juni gab es im Biergarten Live-Musik mit „Buddy Rock“. Da sei der Außenbereich auch gut gefüllt gewesen. Am Samstag, 10. September, tritt bei freiem Eintritt „Gentledy- Covermusic at it´s Best“ auf.
Preise mussten angehoben werden
Auch kulinarisch geht der Gastronom neue Wege. Seit Kurzem gibt es eine Fitnesskarte mit gesunden Gerichten. Darüber hinaus ist „Zum Hubertus“ auch personell gut ausgestattet. „Im Service ist alles perfekt, nur für die Küche könnten wir noch mindestens eine Person gebrauchen“, erklärt Schlottke, der zwar gerne kocht, aber ungern abspült, wie er augenzwinkernd erzählt. Allerdings sei es schwierig, gutes Personal zu finden: „Oft fehlt den Leuten die richtige Grundeinstellung. Sie sehen nur ihre Rechte, aber nicht ihre Pflichten.“
Der Mindestlohn sei aber kein Problem, den zahle er ohnehin. Bezüglich der Preissteigerungen hatte er Anfang des Jahres die Getränkepreise, im Mai die Preise für Speisen angepasst. „Die Leute kommen trotzdem noch“, sagt er. „Aber ich habe wirklich kein Verständnis für Menschen, die sagen, dass Gastronomen ihnen nur das Geld aus der Tasche ziehen. Uns bleibt einfach keine andere Möglichkeit.“
Auf den Herbst und einen möglichen erneuten Lockdown blickt der 52-Jährige betont entspannt: „Ich glaube nicht, dass wir scheitern. Wenn ein neuer Lockdown kommt, dann liefern wir eben wieder. Ich habe keine Kredite. Deshalb kann ich nachts auch noch schlafen. Und sollte es wirklich so sein, dass sich wegen der Inflation keiner mehr etwas leisten kann, dann gehe ich eben zum Amt.“
Als Koch arbeiten, mit oder ohne eigenes Restaurant, möchte Michael Schlottke - solange es finanziell und auch gesundheitlich noch geht - durchziehen. Für die Zeit danach und wenn Eltern sowie Schwiegereltern einmal nicht mehr sein sollten, träumt er davon, nach Gran Canaria auszuwandern.
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