Lünens i-Männchen sind fitter als früher
Medizinische Erstuntersuchung
Die Ergebnisse der diesjährigen medizinischen Erstuntersuchungen der Schulanfänger im Kreis Unna zeigen vor allem eins: Kinder mit Migrationshintergrund holen im Vergleich zu deutschen Kindern weiter auf. Und Lünen schneidet immer besser ab. Wir haben die Zahlen der Studie für Sie grafisch aufbereitet.
"In den allermeisten Bereichen sind sie gleich gesund", erklärt Dr. Petra Winzer-Milo, Leiterin des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes im Kreis Unna. Auch Vorsorgeuntersuchungen, Impf- und Therapieangebote würden heute in gleichem Maße in Anspruch genommen, so Winzer-Milo. "Das sah vor fünf Jahren noch anders aus."
In jedem Jahr, vor Beginn der Grundschule, führt der erste Weg der Eltern mit den zukünftigen i-Männchen zum Arzt. In der etwa einstündigen Untersuchung wird die körperliche und geistige Entwicklung der Schulkinder in spe untersucht – unter anderem wird nach Sprach-, Motorik-, Wahrnehmungs- und Verhaltensstörungen gesucht. Auch, ob die Erstsprache Deutsch ist oder nicht, wird festgehalten.
Insgesamt 3277 Mädchen und Jungen wurden zwischen September 2015 und Juli 2016 im Kreis Unna ärztlich untersucht, 725 davon waren es alleine in Lünen. Die Untersuchung sei wichtig, so Winzer-Milo, da sie eine gute Grundlage für die gezielte Förderung der Kinder sei.
Bei den motorischen Störungen liegt die Stadt mit 4,5 Prozent an zweiter Stelle. Im Vorjahr waren es noch 10 Prozent. Der Durchschnitt in den Unnaer Kommunen liegt 2016 bei 8 Prozent.
Erstsprache nicht Deutsch: Lünen über dem Kreisdurchschnitt
Mit 32,7 Prozent ist die Erstsprache der Kinder in Lünen nicht Deutsch. Damit liegt die Stadt um 4,7 Prozentpunkte über dem Kreisdurchschnitt. Im Vorjahr war die Prozentzahl mit 32,65 Prozent etwa gleich hoch. Sprachstörungen treten in Lünen im Vergleich zu 2015 mit 23,82 Prozent 2016 mit 26,8 Prozent häufiger auf. Die Anzahl der Lüner Kinder mit einer Wahrnehmungsstörung ist von 2015 mit 10,29 Prozent 2016 mit 10,9 Prozent leicht angestiegen.
"Die 4,5 Prozent beziehen sich auf die reine Körperkoordination, nicht aber auf die Blick-, Fein- und Grobmotorik. Aber auch hier hat Lünen aufgeholt. 2016 haben 23 Prozent der Lüner Kinder eine motorische Auffälligkeit. 2015 waren es noch 25 Prozent und 2011 29 Prozent. Das ist eine Verbesserung von 6 Prozent in fünf Jahren. Auch im Kreisvergleich schneidet Lünen immer besser ab. Nur noch zwei Prozent trennt die Stadt vom Kreisdurchschnitt", erklärt Dr. Winzer-Milo.
Winzer-Milo vermutet Gründe im informierten Betreuungsumfeld
Die Gründe vermutet sie vor allem im informierteren Eltern- und Kindertageseinrichtungsumfeld. "Früher konnten sich die Kinder aussuchen, was sie in der Kita machen oder spielen wollten. Jungs spielten lieber Fußball als zu basteln, weil sie sich hier als nicht so geschickt wahrgenommen haben. Durch die pädagogische Arbeit der Kitas werden die Kinder heute immer wieder an Dinge herangeführt, die sie sich alleine vielleicht nicht zutrauen." Das Kind werde dadurch immer wieder ermutigt.
Auch sei nicht bei jeder Auffälligkeit eine Therapie nötig: "Manchmal reicht es schon, das Kind mehr in die Tagesabläufe einzubinden, es einen Stift festhalten zu lassen, es den Tisch decken zu lassen oder mit ihm auf dem Bordstein zu balancieren", so Winzer-Milo.
Positive Entwicklung beim Thema Übergewicht
Beim Thema Übergewicht lässt sich ein kreisweit positiver Trend beobachten: In diesem Jahr wurde bei 7,5 Prozent der deutschen Kinder Übergewicht attestiert (2015: 9,3 Prozent), bei den Kindern mit Migrationshintergrund sind es 12 Prozent (2015: 13,23 Prozent).
Dr. Winzer-Milo sieht die Kindertageseinrichtungen als Grund. "Heute verbringen die Kinder mehr Zeit in den Kitas und Schulen als zu Hause. Deshalb haben sie auch eine bestimmte Verantwortung für ihr Verhalten und ihre Essgewohnheiten", so Winzer-Milo.
Familien haben die Verantwortung, Einrichtungen können helfen
"Das entbindet die Familien nicht von ihrer Verantwortung, aber die Einrichtungen haben die Chance, möglichen Informationsdefiziten in den Familien, was die Ernährung und Gewohnheiten betrifft, entgegenzuwirken." Auch mehr sportliche Betätigung sei ein weiterer Faktor.
Jedoch werde laut Winzer-Milo ein leichtes Übergewicht nicht mehr so kritisch betrachtet, wie vor einigen Jahren. "Eine Empfehlung, mehr Sport zu treiben, zielt nicht immer auf das Körpergewicht der Kinder. Oft können durch Sport etwa Fehlstellungen korrigiiert und die allgemeine gesundheitliche Entwicklung des Kindes positiv beeinflusst werden."
Bei etwa jedem vierten Kind wird ein Befund wie etwa der Verdacht auf eine Seh- oder Hörschwäche festgestellt. "Das heißt nicht, dass diese Kinder alle eine Brille brauchen oder schlecht hören", so Winzer-Milo. Kinder seien bei der medizinischen Erstuntersuchung oft aufgeregt oder würden die Aufgaben nicht verstehen. Dann werden die Kinder von einem Facharzt nochmal untersucht, der schaut, ob sich der Verdacht bestätigt. Winzer-Milo: "Manche Kinder wollen auch besonders sorgfältig die Tests absolvieren. Zum Beispiel: Ein Kind gibt bei einem Hörtest erst Bescheid, wenn es sich zu 100 Prozent sicher ist, dass es den Ton hört. Dadurch kommt es zu einer Verzögerung und das Kind schneidet schlechter ab." Deshalb sollen diese Zahlen vorsichtig betrachtet werden.
Insgesamt 204 Kinder konnten sich zum Zeitpunkt der deutschen Untersuchung nicht in der deutschen Sprache ausdrücken - der Anteil dieser Kinder ist von 2 Prozent auf 6,25 Prozent angestiegen. "Hierfür ist sehr wahrscheinlich die Ankunft von Flüchtlingen der vergangenen Jahre verantwortlich", so Winzer-Malo. Und auch diese Zahlen sollen vorsichtig betrachtet werden: Viele der Flüchtlingskinder seien erst wenige Monate vor der medizinischen Erstuntersuchung angekommen und hätten daher kaum die Gelegenheit gehabt, Deutsch zu lernen.