Lünens Bürgermeister und der Wolski-Chat Zwei Staatsanwälte, vier Polizisten, ein Anfangsverdacht

Lünens Bürgermeister und der Wolski-Chat: Zwei Staatsanwälte, vier Polizisten, ein Anfangsverdacht
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Der Staatsanwaltschaft Dortmund ist bei den laufenden Ermittlungen gegen Lünens Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns hinsichtlich der Formulierung des Tatvorwurfs ein Fehler unterlaufen. Das erklärte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Mittwoch (13. Dezember) auf Nachfrage unserer Redaktion.

Danach ermittelt die Behörde richtigerweise wegen des Verdachts der Weitergabe von Dienstgeheimnissen sowie versuchter Strafvereitelung (§ 258 Strafgesetzbuch, StGB) gegen Kleine-Frauns - und nicht wegen versuchter Strafvereitelung im Amt (§ 258a StGB).

Wie es bei der Staatsanwaltschaft weiter hieß, treffe der Tatbestand der Strafvereitelung im Amt nicht zu. Denn nach § 258a Abs.1 StGB ist in den Fällen von Strafvereitelung „der Täter als Amtsträger zur Mitwirkung bei dem Strafverfahren (...) oder als Amtsträger zur Mitwirkung bei der Vollstreckung der Strafe oder Maßnahme berufen (...).

Laut Staatsanwaltschaft habe man sich über den internen Fehler auch schon mit dem Anwalt von Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns ausgetauscht. Dem Hinweis von Kleine-Frauns, dass die Staatsanwaltschaft gegen ihn auf Basis der Gesetzeslage wegen Strafvereitelung und nicht wegen Strafvereitelung im Amt im Zusammenhang mit dem Fall Wolski ermitteln kann, ist die Redaktion unverzüglich nachgegangen, ohne dass die Staatsanwaltschaft am Montag (11. Dezember) vom Tatvorwurf - Strafvereitelung im Amt - abgewichen ist.

Das Lüner Rathaus, so sieht es aus, gerät immer mehr in den Sog des Wolski-Falls.
Das Lüner Rathaus, so sieht es aus, gerät immer mehr in den Sog des Wolski-Falls. © Goldstein/SPD (Montage)

E-Mail verschoben

Wie berichtet, hatte Lünens Bürgermeister im Januar 2023 Hinweise auf Fehlverhalten Daniel Wolskis, die er per Mail erhalten hatte, in den Papierkorb verschoben und Wolski danach vor einer Verleumdungskampagne gewarnt. In der E-Mail war von Treffen gegen Geldzahlungen die Rede, es folgte der Satz: „Verführung Minderjähriger ist eine Straftat.“ Kleine-Frauns argumentiert, er habe darin keine Hinweise auf eine tatsächliche Straftat gesehen.

„Daraus eine ‚versuchte Strafvereitelung und die Weitergabe von Dienstgeheimnissen‘ herauszukristallisieren, halte ich dann doch für ziemlich überzogen“, erklärte Kleine-Frauns am Dienstag (12. Dezember) einmal mehr gegenüber unserer Redaktion: „Selbstverständlich werde ich die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Dortmund nach bestem Wissen und Gewissen unterstützen. Aus diesem Grund sehe ich auch überhaupt keinen Anlass, meine Amtsgeschäfte ruhen zu lassen. Denn die Ermittlungen beeinträchtigen meine Arbeit als hauptamtlicher Bürgermeister in keiner Weise.“ Was zumindest die Wählergemeinschaft „Gemeinsam Für Lünen“ (GFL) anders sieht. Die GFL-Ratsfraktion fordert vom Bürgermeister, sein Amt „ruhend zu stellen“. Die anderen Fraktionen sind in der Sache noch unentschlossen.

Kritik an Staatsanwaltschaft

Zum Vorgehen der Staatsanwaltschaft in der Sache sagte Kleine-Frauns, dass er die E-Mail ohne jegliches Zögern und mit sofortiger Kooperationsbereitschaft der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt habe. „Dazu hätte es eines so massiven Auftretens der Ermittlungsbehörden gar nicht bedurft. Die Staatsanwaltschaft ist mit mehreren Beamten regelrecht in mein Büro gestürmt. Ehrlicherweise kam ich mir in diesem Moment wie ein Schwerverbrecher vor. Und das bin ich nun wirklich nicht.“

Dazu sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Mittwoch (13. Dezember) lediglich, dass zwei Staatsanwälte und vier Polizeibeamte am Donnerstag (30. November) im Lüner Rathaus mit einem Durchsuchungs-Beschluss beim Bürgermeister gewesen seien. Weitere Angaben dazu machte der Sprecher keine.

Weiter erklärte Lünens Bürgermeister, dass er dass Auftreten der Staatsanwaltschaft Dortmund im Nachhinein als befremdlich empfinde, weil genau „diese Staatsanwaltschaft schon vor zwei Jahren exakt genauso reagiert“ habe wie er: „Bei einem nahezu gleichen Vorwurf gegen meinen ehemaligen Stellvertreter hat sie nicht einmal einen begründeten Anfangsverdacht gesehen, Grundvoraussetzung für ein Ermittlungsverfahren, das damals ausgeblieben ist. Das gehört zweifellos zur Wahrheit dazu, aber ich will damit keineswegs von den Vorwürfen gegen mich ablenken.“

Anfangsverdacht besteht

Damit spielt Kleine-Frauns auf die Strafanzeige einer damals 15-Jährigen bei der Staatsanwaltschaft Dortmund an, die im Jahr 2020 von Daniel Wolski auf Instagram belästigt wurde. Die Ermittlungen wurden eingestellt, weil der Chatverlauf laut Familie dafür nicht ausgereicht habe.

Zu dem von Kleine-Frauns angebrachten Vergleich sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft „ohne absolute Kenntnis der Einzelheiten“, dass man damals zu dem Schluss gekommen sei, dass kein Anfangsverdacht bestehe. Im Gegensatz zum Fall des Lüner Bürgermeisters. Hier habe sich der Anfangsverdacht bestätigt, was im Übrigen das zuständige Gericht auch so sehe: „Sonst hätte es ja auch gar keinen Durchsuchungs-Beschluss gegeben.“

Daniel Wolski, ehemaliger stellvertretender Bürgermeister Lünens, sitzt seit Ende Oktober 2023 in Untersuchungshaft. Ihm wird der Besitz von kinderpornografischem Material sowie der Missbrauch Minderjähriger im Alter von 13 bis 17 Jahren vorgeworfen. Inzwischen hat der ehemalige SPD-Ratsherr und einstige Vorsitzender der Lüner „Jungsozialistinnen und Jungsozialisten in der SPD“ (Jusos) ein Teilgeständnis abgelegt.

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