Lünen unterstützt Gastronomie Verzicht auf Terrassengebühren 2023 trotz Haushaltskrise XXL

Lünen verzichtet auf Terrassengebühren 2023 trotz Haushaltskrise XXL
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Wenn öffentliche Wege und Plätze in der warmen Jahreszeit zu Freiluft-Kneipen, -Cafés und -Restaurants werden, kostet das Geld. Wirte müssen die Terrassengebühr zahlen für das Aufstellen von Stühlen und Tischen in der Außengastronomie. Eigentlich. Denn während der Corona-Pandemie hatten viele Städte und Gemeinden auf die Gebühren verzichtet, um die durch Corona-Auflagen leidgeprüfte Branche etwas zu entlasten. Das war so auch in Lünen. 2020, 2021 und 2022 brauchte niemand für die Nutzung der Fußgängerzone und andere öffentlichen Bereiche zu zahlen. Der Stadtrat hat am 7. Juni (17 Uhr, Rathaus) darüber zu entscheiden, wie es im laufenden Jahr 2023 zu handhaben ist. Die Empfehlung der Stadtverwaltung und der beiden Fachausschüsse ist eindeutig. Es gibt aber auch Kritik.

Bonn hatte das Gastgewerbe bereits ab Juli 2022 wieder zur Kasse gebeten für Außen-Sitzplätze, Dortmund und Münster folgten ab Januar 2023. Düsseldorf verlangt seit März 2023 zumindest die Hälfte der üblichen Gebühren. Lünen dagegen will großzügig bleiben und das ganze Jahr 2023 auf die Einnahmen verzichten - ein letztes Mal. Denn so viel steht laut Stadtverwaltung fest: „Der nächste Haushalt 2024 wird das nicht mehr zulassen.“ Auf schmerzhafte Einschnitte hatte Kämmerer Dr. André Jethon die Politik bereits am Donnerstag (1. 6.) im Haupt- und Finanzausschuss eingestimmt und wird das am Mittwoch (7. 6.) erneut tun. Nicht weniger als die finanzielle Handlungsfähigkeit stehe auf dem Spiel. Dieses eine Mal, so ist es in der Verwaltungsvorlage zu lesen, wolle die Stadt aber noch einmal der Gastronomie helfen. Auch nicht ganz uneigennützig.

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„Wir freuen uns darüber, dass unsere Innenstadt große Aufenthaltsqualität bietet und Menschen dort gerne verweilen“, sagte Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns. Das mache eine attraktive Innenstadt aus. Nicht nur die Lüner City, sondern alle Innenstädte kämpften gerade mit großem Aufwand gegen eine Verödung der Zentren. Sie drohe nicht nur das Erscheinungsbild einer Stadt zu beeinträchtigen, sondern habe auch finanzielle Nachteile für die das Gemeinwesen durch weniger Gewerbesteuereinnahmen und mehr Sozialleistungen. Nicht nur die zurückliegende Pandemie habe es den Wirten schwer gemacht.

Es geht um 46.700 Euro

Nach der mehr als zwei Jahre langen Corona-Durststrecke könnten die Gastro-Betriebe zwar seit Mitte vergangenen Jahres wieder – mehr oder weniger – ohne Einschränkungen arbeiten. „Die finanzielle Gesundung der Gastronomie wird jedoch seither durch steigende Energie- und Rohstoffpreise und die stark gestiegene Inflation weiterhin erschwert“, heißt es in der Verwaltungsvorlage. Und dann gebe es noch den Fachkräftemangel.

Es geht laut aktueller Satzung um 19 Cent pro Tag und angefangenen Quadratmeter für gewerblich genutzte Tische und Sitzgelegenheiten in der Fußgängerzone und andere Top-Lagen der Innenstadt. Zum Vergleich: Die Dortmunder Satzung fordert 18 Cent in bester Lage. Unterm Strich sind das in Lünen Erträge von rund 45.000 Euro im Jahr, plus rund 1700 Euro Verwaltungsgebühren. In der Summe also 46.700 Euro, auf die Lünen auch 2023 verzichten will. Etwas, das der Bund der Steuerzahler allen Kommunen empfiehlt.

Lünen über dem Landesschnitt

Die Gastronomie dürfe nicht die Melkkuh für kommunale Haushalte sein, hatte der Bund der Steuerzahler NRW bereits 2018 gefordert. Er hatte damals verglichen, wie hoch der Gebührensatz je Quadratmeter im Monat für das Aufstellen von Tischen und Stühlen während der Hauptsaison in der besten innerstädtischen Lage ist. Dabei ist eine enorme Spannbreite zutage getreten: zwischen dem höchsten Gebührensatz von 14,50 Euro je Quadratmeter im Monat in Bonn und dem niedrigsten von 1,10 Euro je Quadratmeter pro Monat in Viersen. Lünen verlangt seit 2010 5,70 Euro je Quadratmeter und Monat. 2018 waren das 2 Euro mehr als der Landesdurchschnitt (3,70 Euro). Zum Vergleich: Essen nimmt 5 Euro, Oberhausen 3,27 Euro.

FDP gegen Gebührenerlass

Nur ein Politiker in Lünen hat sich bislang klar gegen einen weiteren Erlass der Terrassengebühren in diesem Jahr ausgesprochen: Karsten Niehues (FDP). „So gerne auch ich die Gastronomen unterstützen möchte“, sagte er im Haupt- und Finanzausschuss. Die Finanzlage lasse das derzeit einfach nicht zu. Er könne den Gebührenverzicht auf der einen Seite nicht mit den bevorstehenden schmerzhaften Einsparungen auf der anderen Seite vereinbaren. Außerdem wies Niehues auf etwas hin, das auch Mitglieder der anderen Fraktionen störte: Mehrverschmutzung durch Außengastronomie.

Überquellende Papierkörbe kritisierten mehrere Politikerinnen und Politiker als Folge der gut angenommenen Außengastronomie. Sie hatten auch eine Idee, wie sich die Situation verbessern ließe.
Überquellende Papierkörbe kritisierten mehrere Politikerinnen und Politiker als Folge der gut angenommenen Außengastronomie. Sie hatten auch eine Idee, wie sich die Situation verbessern ließe. © Sylvia vom Hofe

„Vielleicht ließe sich der Gedanke: ,Jeder kehre vor seiner Tür‘ mal wieder verbreiten“: ein Appell an die Gastronomen, den Dezernent Christian Klicki beim nächsten Wirte-Stammtisch vorbringen wolle, wie er sagte. Paul Jahnke (CDU) fokussierte sich im Ausschuss für Sicherheit und Ordnung nicht auf herumfliegende Getränkebecher und Servietten, sondern nahm das Gesamtbild in den Blick. Dabei kam er zu einem positiven Ergebnis - trotz eines Irrtums.

„Das wir eine spürbare Ausdehnung der Außengastronomie zugelassen haben, hat das Stadtbild positiv geprägt“, sagte der CDU-Mann aus Brambauer: mehr Tische in der Stadt, mehr Leben. Matthias Bork, Fachbereichsleiter für Bürgerservice und Ordnung, musste widersprechen. Zwar habe die Stadt in den zurückliegenden Corona-Jahren erlaubt, die Sondernutzungsfläche um maximal 50 Prozent zu erweitern - vor allem, damit die Tische in größerem Abstand aufgestellt werden konnten. „Aber es gab keinen einzigen Erweiterungsantrag.“

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