Für den Umgang von Lünens Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns (parteilos) mit der brisanten Wolski-Mail interessiert sich neben der Staatsanwaltschaft Dortmund auch der Kreis Unna: Wie es dort auf Anfrage der Redaktion hieß, habe der Kreis zuständigkeitshalber mit Schreiben vom 29. Januar 2025 ein Disziplinarverfahren gegen Bürgermeister Jürgen Kleine-Frauns eröffnet. Dieses Schreiben sei ihm am 5. Februar zugestellt worden: „Das Verfahren selbst wurde aufgrund der bereits laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sofort ruhend gestellt.“
Wie es beim Kreis Unna weiter hieß, zeichne für Verfahren dieser Art der Kreisdirektor und nicht etwa der Landrat als Chef der Kommunalaufsicht verantwortlich. Wobei die „originäre Zuständigkeit für das Disziplinarverfahren“ nach Angaben des Düsseldorfer Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung (MHKBD) beim Landrat des Kreises Unna liegt - namentlich Mario Löhr (SPD). Das Ministerium wird geleitet von der in Unna geborenen CDU-Politikerin Ina Scharrenbach.

Anklage erhoben
Die Staatsanwaltschaft hat nach monatelangen Ermittlungen im Februar Anklage gegen Lünens Bürgermeister erhoben. Der Vorwurf lautet: Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht. Das Gesetz sieht für diesen Anklagevorwurf eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe vor.
Kleine-Frauns hatte im Januar 2023 eine E-Mail erhalten, in der er auf Fehlverhalten seines ehemaligen ehrenamtlichen Stellvertreters Daniel Wolski (SPD) hingewiesen worden war. Diese E-Mail hatte er Wolski gezeigt und dann in den digitalen Papierkorb verschoben – nicht gelöscht, wie er beteuert. Monate später kam heraus: Wolski hatte Minderjährigen Geld für Sex gezahlt, einige Opfer waren erst 14 Jahre alt.
Wolski verurteilt
Wolski, bei dem zudem Kinderpornos gefunden worden waren, war rund neun Monate nach der E-Mail in seiner Wohnung in Brambauer festgenommen und im Mai 2024 schließlich zu drei Jahren und sechs Monaten Haftstrafe verurteilt worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, Wolski hat beim Bundesgerichtshof (Karlsruhe) Revision eingelegt und ist seit dem Urteil auf freiem Fuß. Mit einer Entscheidung des BGH ist im zweiten Quartal dieses Jahres zu rechnen.
Kleine-Frauns‘ Nachricht an Wolski hatte auch im Strafprozess gegen seinen früheren Stellvertreter eine Rolle gespielt. Der Vorsitzende Richter zitierte aus Wolskis Kalender, ein Eintrag lautete: „JKF Danke sagen, wenn alles gutgegangen ist.“ Mit „JKF“ war offensichtlich Jürgen Kleine-Frauns gemeint.
Kritik an Staatsanwaltschaft
Kleine-Frauns und sein Anwalt Peter Wehn von der Hammer Kanzlei Minoggio Grezesch Bachmann halten nach wie vor das ganze Ermittlungsverfahren und die daraus resultierende Anklage „eines Rechtsstaates unwürdig“. Mehrfach hatten der Strafverteidiger und sein Mandat die Arbeit der Staatsanwaltschaft Dortmund in der Vergangenheit kritisiert, was dort nur ein Kopfschütteln ausgelöst hat. Fest stehe, hieß es dort unter anderem: „Die Anklageerhebung beruht entgegen der Vermutung des Verteidigers nicht auf einer Entscheidung eines Ministeriums.“
Ministerium klärt auf
Während der Kreis Unna der Redaktion trotz Nachfragen „in laufenden oder ruhenden Verfahren keine weiteren Auskünfte“ gab, hieß es beim Düsseldorfer Kommunalministerium: Dass das Disziplinarverfahren vom Kreis ruhend gestellt wurde, entspreche dem nach Paragraf 22 Landesdisziplinargesetz vorgesehenen Verfahren. Dort steht unter anderem in Absatz (1): „Das Disziplinarverfahren ist auszusetzen, wenn wegen des Sachverhalts, der dem Disziplinarverfahren zugrunde liegt, im Strafverfahren die öffentliche Klage erhoben worden ist.“
Nach Ministeriumsangaben „wird der Ausgang des Verfahrens der zuständigen Staatsanwaltschaft beziehungsweise des zuständigen Strafgerichts abgewartet, um dann disziplinarrechtlich zu prüfen, ob und welche disziplinarrechtlichen Maßnahmen zu treffen sind“. Auf die Frage unserer Redaktion, ob das Kommunalministerium auf die Durchführung des Disziplinarverfahrens besteht, erklärte das Ministerium: „Die Durchführung eines Disziplinarverfahrens entspricht der zwingenden Bestimmung des Gesetzes. Das Verfahren ist durch die Aussetzung („ruhend stellen“) nicht eingestellt. Daher besteht kein Anlass für ein Tätigwerden des Ministeriums.“
Zum Disziplinarverfahren
- Ausgangspunkt disziplinarrechtlicher Prüfungen ist stets die Regelung des Bundesbeamtengesetzes beziehungsweise des jeweiligen Landesbeamtengesetzes, wonach Beamtinnen und Beamte ein Dienstvergehen begehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen (vgl. § 77 Abs. 1 BBG; § 47 Abs. 1 BeamtStG).
- Liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass dies der Fall ist, hat der Dienstherr die Pflicht, ein Disziplinarverfahren einzuleiten und in diesem Verfahren den maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln.
- Nach Abschluss der Ermittlungen hat er zu entscheiden, ob das Verfahren eingestellt oder eine Disziplinarmaßnahme verhängt werden muss.
- Bei schweren Dienstvergehen ist in der Regel Disziplinarklage vor dem Verwaltungsgericht zu erheben. Dann muss eine Zurückstufung oder eine Entfernung aus dem Dienst beabsichtigt sein.
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