
© Stefan Milk
„Lisa“ genannt, aber Name darf nicht im Pass stehen: „Ein Witz!“
Bürokratie und Behördenärger
Familie Schwiderowski möchte, dass im Pass ihrer Tochter Lisa (8) der Rufname als Zweitname ergänzt wird. Der Kreis Unna kündigt eine Ablehnung an. Der Brief sorgt für Fassungslosigkeit.
„Jeder kann sich einen Künstlernamen zulegen und der wird sogar im Pass eingetragen. Und meine Tochter darf ihren Zweitnamen nicht eintragen lassen. Das ist für mich ein Witz.“ Gustav Schwiderowski wirkt fassungslos. Er wollte den Namen seiner achtjährigen Tochter Lisa im Personalausweis ergänzen lassen. Die Familie möchte nun, dass darin der Zweitname Lisa ergänzt wird. Im Pass soll also „Pimyada Lisa Schwiderowski“ stehen statt „Pimyada Schwiderowski“.
„Der Deutsche Reisepass muss neu beantragt werden und wir dachten uns, dass jetzt ein guter Zeitpunkt ist, den Zweitnamen zu ergänzen“, erklärt der Kamener. Beim Standesamt in Kamen habe man ihm gesagt, dass die Unterlagen zum Kreis Unna geschickt werden müssen. Die Standesbeamtin habe ihm gesagt, dass das kein Problem sein dürfe.
Dann kam der Brief vom Kreis Unna, der bei der Familie für ebenjene Fassungslosigkeit sorgte: „Der von Ihnen bei der Geburt bestimmte und im Geburtenregister beurkundete Vorname ist zur Wahrung des öffentlichen Interesses an einer Namenskontinuität grundsätzlich unveränderbar und kann nur unter den engen Voraussetzungen des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen [...] geändert werden, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt“, ist in dem Schreiben unter anderem zu lesen. Deshalb werde beabsichtigt, den Antrag abzulehnen.
„Sogar ihre Familie in Thailand nennt sie Lisa“
Die Behörde erklärt, dass es sich auch bei dem Hinzufügen eines Zweitnamens laut Gesetz um eine Vornamensänderung handelt. Das sieht Schwiderowski anders. „Das ist eine Ergänzung, aber keine Änderung“, findet er. Pimyada soll schließlich weiterhin im Pass stehen.
Dass Pimyada nur einen Namen im Pass stehen hat, liegt übrigens daran, dass sie in Thailand geboren wurde, wo es üblich ist, nur einen Namen in den Pass eintragen zu lassen.
Nachdem sie mit vier Jahren aber nach Deutschland gekommen ist und die Familie seitdem hier lebt, wird sie nahezu immer „Lisa“ gerufen. Im Kindergarten, in der Schule und in den Vereinen heißt sie „Lisa“. „Nur Lehrer nennen mich manchmal Pimyada“, erklärt die Achtjährige.
„Sogar ihre Familie in Thailand nennt sie Lisa“, sagt ihr Vater. Und auch die Behörden hätten den Namen akzeptiert. Das beweisen zahlreiche Schreiben, die Gustav Schwiderowski zum Gespräch mit der Redaktion mitgebracht hat. Darunter ein Brief der Grundschule und ein Brief des Gesundheitsamtes des Kreises Unna, wo ein paar Büros weiter die Erklärung für die Absage getippt wurde.
Namensänderungen sind nur in Ausnahmefällen möglich
„Muss erst etwas passieren, damit sie ihren Namen ändern kann?“ fragt sich der Vater zu der Begründung, dass es einen triftigen Grund für die Änderung geben muss. Auch die Zeilen über die Namenskontinuität versteht er nicht, weil seine Tochter überall als Lisa geführt sei. „Es ist doch nur von Vorteil, wenn der Name auch in ihrem Pass steht. Auch, falls mal etwas passiert.“
Die Pressestelle des Kreises Unna äußert sich aus Datenschutzgründen nicht zu dem konkreten Fall, sondern erklärt allgemein, wann Namen geändert werden dürfen und wann nicht. „Namensänderungen sind nur in Ausnahmefällen wie etwa im Falle einer Eheschließung, Scheidung oder Adoption möglich. Geregelt ist das im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)“, so Max Rolke.

Sogar die Behörden sprechen Pimyada mit „Pimyada Lisa“ oder auch nur mit „Lisa“ an. Im Pass darf der Zweitname laut Gesetz allerdings nicht stehen. © Stefan Milk
Die Behörde erklärt auch detailliert, warum sich in Deutschland die Menschen nicht frei entscheiden können, was ihre Namensführung betrifft und Änderungen deshalb nur eingeschränkt möglich sind.
„Die grundsätzliche Werteinschätzung des Gesetzgebers, eine freie Abänderung des Familiennamen nicht zuzulassen, ist von dem Grundgedanken getragen, den einmal registrierten Namen mit Blick auf die Abstammungs- und Kennzeichnungsfunktion im Regelfall beibehalten zu müssen, um die Namensführung nicht der Beliebigkeit preiszugeben“, heißt es unter anderem in der Begründung. Das Namensrecht in Deutschland sei also restriktiv und wenig flexibel ausgestaltet.
Das Namensrecht in Deutschland ist wenig flexibel ausgestaltet
Das öffentliche Interesse, einen Namen nicht ändern zu können, wenn denn kein wichtiger Grund vorliegt, würde gegenüber dem privaten Interesse überwiegen und eine Divergenz zwischen der tatsächlichen Gebrauchsform und der amtlichen Form sei zumutbar. „Es ist durchaus zumutbar, Dritten, die Kenntnis davon erlangen, dass der gebrauchte Vorname von dem rechtlichen Vornamen abweicht, dies zu erläutern. Dies erfordert weder einen unzumutbaren zeitlichen Aufwand noch setzt es das Kind in ein schlechtes Licht oder begründet Zweifel an der Identität.“
Der Fall scheint entschieden, auch wenn die Schwiderowskis dafür wahrscheinlich wenig Verständnis haben werden. „Für mich wirkt das wie Willkür“, sagt Schwiderowski. Der Familienvater findet es außerdem irritierend, dass in dem Brief etwas von Gebühren zwischen 2,50 und 255 Euro zu lesen ist und es im Falle einer Ablehnung oder einer Rücknahme des Antrages einen Nachlass gibt. Für Schwiderowski liest sich das nach dem Versuch, die Familie zu einer Rücknahme des Antrages zu überzeugen.
Der Kreis begründet die große Spanne der Preise damit, dass alle Fälle individuell bewertet werden müssen und bezieht sich auch hier auf den Gesetzgeber, der die Gebühren vorgibt. Die Gebühren sind etwa niedriger, wenn zu Beispiel ein psychologisches Gutachtung zugrunde liegt oder der Antragsteller Sozialhilfe bekommt.
Vornamensänderungen kosten meist 255 Euro
„Da eine Namensänderung ein großer Verwaltungsaufwand ist, erhebt der Kreis Unna derzeit immer die Gebühr von 255 Euro für eine Vornamensänderung. Der Hintergrund ist, dass alle Fälle individuell bewertet werden müssen. Kein Fall ist wie der andere. Es sind auch Behörden zu beteiligen zum Beispiel Jugendämter, Ausländerbehörden (z.B. bei doppelter Staatsangehörigkeit), es können Anhörungen von Gerichten hinzukommen, Führungszeugnisse müssen angefordert werden und vieles mehr.“
Die Begründungen und der Bezug auf das Gesetz sind wohl nachvollziehbar, werden Schwiderowski aber wahrscheinlich nicht besänftigen. „Dass es strenge Regeln gibt und man Namen nicht willkürlich ändern kann, verstehe ich ja. Aber für mich ist das keine Änderung, sondern eine Ergänzung. Und dass der Zweitname nicht anerkannt ist, ist für mich eine Aberkennung. Und dafür verstehe ich die Begründung nicht.“