Eine Herde von 60 schottischen Hochlandrindern hält Konrad Linnemann (70), Landwirt im Nebenerwerb aus Werne, mit seiner Frau Erika in den Lüner Lippewiesen. Aus Sorge vor steigendem Lippe-Pegel hatte er Freitagabend (22.12.) noch nach ihnen geschaut. Eine Bedrohung konnte er da nicht erkennen. Ganz anders die Situation am Samstagmorgen: Um 4.30 Uhr war auf den Wiesen Land unter. Ein emotionaler Schock. Die Familie Linnemann konnte ihre Tiere nicht mehr sehen und fürchtete, sie wären ertrunken. „Da waren Angst und Sorge ganz groß“, schildert Eva Linnemann (32) Stunden später, „für uns sind das Familienmitglieder.“
Erst durch Nachtsichtgeräte und bei Tagesanbruch konnten sie erkennen, wo die Tiere waren: zusammengetrottet auf einer kleinen noch trockenen Fläche, umringt von Wasser. Schnell war auch klar: Die Tiere müssen durch das Wasser auf eine höhere gelegene Weidefläche eines Nachbarn getrieben werden. Eine dramatische Situation.

Gegen 8 Uhr rückte die alarmierte Feuerwehr an. Sie habe laut Pressesprecher nicht helfen können, weil das Wasser für ein Boot nicht tief genug, für die Fahrzeuge aber zu hoch gewesen sei. „Die Fahrzeuge sind dafür nicht ausgelegt“, erklärte ein Sprecher auf Anfrage der Redaktion. Weil bereits Helfer mit zwei Traktoren vor Ort waren, kehrte die Feuerwehr wieder um. Für die Linnemanns eine Enttäuschung. „Wir hatten uns Unterstützung erhofft“, sagt Eva Linnemann.
Mit sechs Leuten, darunter Freunde und Familie, sowie den beiden Schleppern haben sie versucht, ihre Tiere durch das Wasser auf die Nachbarweide zu treiben. Das stand teilweise schon 80 Zentimeter hoch. „Freiwillig wollen Rinder nicht da durch“, sagt Konrad Linnemann. „Das war alles sehr emotional“, berichtet Eva Linnemann. Ein Reporter vor Ort hat miterlebt, wie die Herde mehrfach ausbricht, immer wieder in die falsche Richtung und sogar durch tieferes Wasser läuft. Zur Herde gehören auch Kälber, drei von ihnen sind noch klein.
„Mit Maschinen und Manpower haben wir es nach vier Stunden geschafft, die Tiere erstmal zu sichern“, sagt Eva Linnemann. Ob alle Rinder wohlbehalten auf der neuen Weide angekommen sind, kann sie allerdings nicht sagen. „Wir haben alles abgesucht, da hängt unser Herzblut dran.“ Augenscheinlich sei erstmal alles gut. Die Linnemanns haben in der Folge Gitter besorgt, dass sie die Tiere bei höherem Pegelstand auf einem Damm unterbringen oder notfalls wegfahren können.

An Heiligabend teilte die Familie Linnemann mit, dass sie die Tiere nun aus Sicherheitsgründen ganz von der Weide abtransportiert hat. Der Grund: Die Gefahr erschien den Landwirten zu groß, dass das steigende Wasser auch die Ersatzweide flutet. „Über Nacht haben die Wassermengen noch einmal enorm zugenommen. Daher war der Abtransport die richtige Entscheidung“, berichtet Eva Linnemann am Sonntag (24. Dezember)

Sie ergänzt: „Dank der tollen Unterstützung von Freunden, Bekannten und befreundeten Landwirten haben wir es geschafft, die Herde zusammenzutreiben.“ Etwa 30 Menschen waren im Einsatz, um die 60 Tiere zusammenzubringen. Die Rinder sind nun bei einem befreundenden Landwirt in einem Stall untergebracht. Nach dem Transport seien alle Tiere wohlauf, erzählt Linnemann.
Dass die Weide für die an Freilufthaltung gewöhnten Rinder einmal überflutet sein könnte, haben die Linnemanns in den vergangenen 15 Jahren nicht erlebt.


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