
Volker Brüning, Sprecher der Apothekerschaft im Nordkreis Unna: Der Hype um Elektrolyte-Mittel ist beängstigend. © Daniel Magalski (A)
Liefer-Engpässe in Lüner und Selmer Apotheken haben kuriose Gründe
Durchfall- und Fieber-Mittel
Zwei Medikamente, die vor allem Eltern für ihre Kleinen benötigen, sind derzeit Mangelware in den Apotheken. Auch in Lünen und Selm. Die Gründe für die Liefer-Engpässe sind kurios.
Durchfall und Fieber sind gesundheitliche Probleme, die Kinder oft haben. Um den Kleinen zu helfen, werden bei Durchfallerkrankungen Elektrolyte-Mittel wie Elotrans von Ärzten und Apothekern empfohlen. Bei Fieber raten die Mediziner zu Ibuprofen- oder Paracetamol-Säften.
Doch derzeit bekommen Eltern in Apotheken in Lünen und Selm oft die gleiche Antwort, wenn sie die bewährten Mittel gegen Durchfall und Fieber verlangen: „Derzeit nicht lieferbar.“ Die Gründe für die Lieferprobleme sind bei den Mitteln allerdings sehr unterschiedlich.
Kuriose Geschichte
„Elotrans ist das Elektrolyte-Mittel, das schon seit Jahrzehnten auf dem Markt ist. Dass es derzeit nicht lieferbar ist, dahinter steckt eine kuriose Geschichte“, so Volker Brüning, Sprecher der Apothekerschaft im Nordkreis. Der Apotheker führt mehrere Apotheken in Lünen und Selm.
Während in den vergangenen Jahren Eltern immer gerne das Mittel in ihre Reiseapotheke packten, um bei möglichen Durchfallerkrankungen ihrer Kinder im Urlaub gewappnet zu sein, kaufen nun vor allem junge Kunden das Elektrolyte-Mittel. Schuld daran waren Influencer, die auf die Idee kamen, im Internet Elotrans als wirksames Mittel gegen Kater nach einer Partynacht anzupreisen. „Das Ganze lief unter dem Motto 'Trinken ohne Reue' und die Influencer behaupteten, dass das Mittel dafür sorge, dass sich die Partygänger trotz Alkohol wie neu fühlen sollten“, so Brüning.
Feierfreudige kauften Mittel
Also kauften die jungen Party-Peoples in den Apotheken das Mittel. Und auch ein baugleiches Produkt, das besonders für Kinder gedacht ist, deren Elektrolyte-Haushalt nach einer Durchfallerkrankung wieder aufgefüllt werden muss, wurde von den Feierfreudigen so oft verlangt, dass es ausverkauft ist.

Der Container- und Frachtschiff-Stau durch den Lockdown in Shanghai hat auch Auswirkungen auf Arzneimittel in Deutschland. © picture alliance/dpa/XinHua
Brüning: „Uns fehlt damit ein wichtiges Produkt, das vorher fast immer nur auf Rezept oder auf Empfehlung der Ärzte von Eltern gekauft wurde.“ Es sei schon beängstigend, wie der Hype der Influencer funktioniere.
Weitere Medikamente, die derzeit kaum lieferbar sind, sind Ibuprofen- und Paracetamol-Säfte, die als Grundversorgung gegen Fieber bei Kindern dienen. „Bei Ibuprofen-Saft gab es schon öfter Lieferschwierigkeiten, deshalb nahm man dann auch Paracetamol-Saft. Doch die Inhaltsstoffe werden derzeit nicht an die Firmen geliefert.“ Das liegt wahrscheinlich an den Problemen im Hafen von Shanghai, wo Container und Schiffe wegen des strengen Corona-Lockdowns festliegen.
Brüning: „Das führt dazu, dass nun wir Apotheker Säfte aus den Wirkstoffen der Tabletten und Zäpfchen herstellen. Dazu braucht es Standardrezepturen. Die Apothekerkammer hat dazu etwas aufgebaut und wir können den Kinderärzten eine Alternative anbieten.“
Beate Rottgardt, 1963 in Frankfurt am Main geboren, ist seit 1972 Lünerin. Nach dem Volontariat wurde sie 1987 Redakteurin in Lünen. Schule, Senioren, Kultur sind die Themen, die ihr am Herzen liegen. Genauso wie Begegnungen mit Menschen.
