
© Luca Füllgraf
Lebensmittel per App retten - Nur drei Lüner Unternehmen machen mit
Nachhaltigkeit
In der App „too-good-to-go“ können Geschäfte Lebensmittel anbieten, die sie sonst wegschmeißen müssten. Der Bauernhof2go ist einer von nur drei Anbietern aus Lünen. Die Nachfrage ist groß.
Um Punkt 15 Uhr stehen Sonja Talke und Marcel Schmeißer vom Bauernhof2go vor ihrem kleinen Lager an der Schützenstraße in Lünen. Sie warten auf Kunden - auf zwei um genau zu sein. Normalerweise ist es andersherum. Mit ihrem roten Bulli bringen sie die Lebensmittel bis an viele Haustüren. Drohen aber Produkte schlecht zu werden - und das passiert leider regelmäßig - verkaufen sie die Lebensmittel tütenweise bei der App „too-good-to-go“.
Mit einem Klick Lebensmittel vor dem Wegwerfen retten und gleichzeitig Geld sparen - das verspricht das Unternehmen, das 2015 in Dänemark gegründet wurde dem Käufer. Das funktioniert aber nur, wenn auch die andere Seite mitmacht. In Deutschland ist der Trend bisher vor allem in den Großstädten angekommen, auch in Dortmund gibt es viele Angebote. In Lünen hingegen sind es nur drei verschiedene Anbieter.
Die Nachfrage ist groß
Im Januar wurde der Bauernhof2go mit dem dritten Platz beim „Anpacker“-Preis von Antenne Unna ausgezeichnet. Doch die Nachhaltigkeit soll eben nicht mit dem Verkauf enden. Dreimal pro Woche bietet der Bauernhof2go die Tüten mit Lebensmitteln, die sonst weggeworfen werden müssten, online an. Meistens sind die so schnell ausverkauft, dass selten ein Kunde ein zweites Mal das Glück hat, sie zu bekommen. Am Dienstag waren es Kathrin Pietsch und ihr Sohn Lenni, der sich besonders über eine Flasche Kakao freute. Zuvor war schon Joachim Freytag da. Er hatte vor vielen Jahren das Foodsharing-Programm in Lünen mit aufgebaut.
Die Kundschaft sei „kunterbunt“, sagt Talke. Sie freue sich besonders, wenn auf diese Weise jemand die Chance bekommt, ihre Produkte zu kaufen, der sie sich sonst vielleicht nicht leisten könnte. Das Prinzip richtet sich aber an alle, nicht nur an Bedürftige.

Obst, Gemüse und Milchprodukte, die drohen schlecht zu werden, können mit der App "too-good-to-go" beim Bauernhof2go gekauft werden. © Luca Füllgraf
Auch Citybäcker-Fachgeschäfte bieten kurz vor Ladenschluss „too-good-to-go“-Tüten an. Ob Körnerbrötchen, Croissants, Plunderteilchen oder mit Glück auch Mal ein Brot - was drin ist, sei jeden Tag eine Überraschung, je nachdem, was übrig bleibt.
Beide Seiten können von der Idee profitieren
Ulrike Jäger, hat die Idee bei der Citybäcker GmbH mit angestoßen, als ihr eine Kollegin von der App erzählte. „Ich glaube es gibt viele gute Gründe: Umweltbewusstsein, Neukundengewinnung und Bestelloptimierung“. Sie probierten die App im Dezember erstmal in nur drei Filialen aus. Weil das Fazit im Januar positiv ausfiel, nutzen sie seit dem 7. Februar alle Fachgeschäfte. Seitdem gebe es in der Regel in jedem der 20 Geschäfte täglich zwei der begehrten Tüten.

Joachim Freytag holt sich seine Tüte direkt am Lager ab. Bezahlt hat er vorher schon online. © Luca Füllgraf
Die Übersicht in der App helfe auch dabei, die Bestellprozesse zwischen der Bäckerei und den Filialen zu optimieren, erklärt Jäger. Landeten immer wieder vor allem Käsebrötchen in den Tüten, würden die in Zukunft einfach weniger bestellt und produziert - auch das sei nachhaltiges Denken.
Unmittelbar Geld verdienen kann jedoch kaum jemand an dem Modell. Der ursprüngliche Warenwert solle laut Richtlinie der App immer dreimal so hoch liegen, wie der Preis bei „too-good-to-go“. Kostet eine Tüte also vier Euro, dann sind die Produkte eigentlich zwölf Euro wert. Von den vier Euro geht nochmal ein Euro an die Plattform.
„Wir finden die grundsätzliche Idee gut“, sagt auch Sabine Goertz vom Gahmener Hofladen. Auch hier werden immer Mal wieder Tüten angeboten. Allerdings seien das kaum Lebensmittel, die zwangsläufig sonst weggeworfen werden würden. Da sei ein Drittel der ursprünglichen Preises schon arg wenig. Hinzu kommt eine jährliche Verwaltungsgebühr. Ihr Geld erhalten die Verkäufer nur quartalsweise. Für Talke und Schmeißer, die auch erst einige Monate auf der App vertreten sind, seien das zuletzt nur rund hundert Euro gewesen. Talke hofft aber auch weiterhin, so neue Kunden gewinnen zu können.
Neu in Ahaus, neu im Münsterland und neu in NRW. Aber ein frischer Blick auf die Dinge soll ja bekanntlich helfen, zumindest hofft er das. Pendelte beruflich bisher zwischen Lokal- und Sportjournalismus und kann sich nur schwer entscheiden.
