Kurz vor Verabschiedung des Lüner Haushalts 2023 Kämmerer warnt vor drohendem Nothaushalt

Neuer Kämmerer André Jethon: „Dürfen nicht in Nothaushalt rutschen“
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Ein Vergnügen dürfte das am Donnerstag (9. 3.) nicht werden, wenn der Lüner Stadtrat um 16 Uhr im Ratssaal zusammentritt. Das hat nichts mit der vermutlich langen Dauer der Sitzung zu tun - deshalb auch der um eine Stunde vorgezogene Sitzungsbeginn -, sondern vor allem mit dem zentralen Thema: der Verabschiedung des Haushalts 2023.

Am Ende des Haushaltsjahres, so die Prognose, wird die Stadt vor einem Schuldenberg von mehr als 387 Millionen Euro stehen: ein schweres Erbe, das der neue Kämmerer und Beigeordnete Dr. André Jethon angetreten ist. Und ein noch schwereres Erbe, das Lünen den nachfolgenden Generationen aufbürdet.

Fast 340 Millionen soll das Volumen des Haushaltes 2023 - oder genauer, des Ergebnisplans- betragen. Diesen Erträgen stehen Aufwendungen in beinahe gleicher Höhe gegenüber. Ein Gewinn von gerade einmal 468.560 Euro soll der Stadt als kleiner Überschuss verbleiben. Nicht wirklich genug, um den hunderte Millionen schweren Schuldenberg abzutragen. Die Lage bleibt prekär. Dafür gibt es drei Gründe.

Drei Gründe für Misere

1. Die Schuldenstruktur ist extrem ungünstig. Mehr als 268 Millionen Euro des Schuldenbergs sind den sogenannten Liquiditätskrediten zuzurechnen. Das heißt: Dieser Schuldenart stehen keine Gegenwerte - etwa in Form von neu gebauten Schulen oder Turnhallen - gegenüber. Liquiditätskredite sind nichts anderes als ein überzogenes Girokonto der Stadt. Nur knapp 89 Millionen Euro entfallen auf Investitionskredite. Dieser Kreditart stehen Gegenwerte gegenüber, die teilweise auch zu Einnahmen führen können.

2. In der mittelfristigen Finanzplanung wird sich die Situation nicht verbessern, sondern verschlechtern. Ende 2026 soll die Stadt laut stellvertretendem Kämmerer Roman Greb, der den Haushaltsentwurf im Dezember 2023 eingebracht hatte - der neue Stadtkämmerer und Beigeordnete Dr. André Jethon war damals noch nicht im Amt - auf einem Schuldenberg von 450 Millionen Euro sitzen. Dies führt damit zu einer Nettokreditaufnahme von mehr als 75 Millionen Euro im Planungszeitraum 2023 bis 2026.

3. Als wenn künftige Generationen nicht schon schwer genug an Lünens Schuldenberg zu tragen hätten, hat das Land die Städte und Gemeinden zu einem Bilanztrick verführt, für den Kinder und Kindeskinder noch abzahlen müssen. Nachdem die Coronakrise und die Energiekrise infolge des Ukraine-Kriegs die finanzielle Situation der Kommunen noch zusätzlich extrem belastet haben, gab das Land per Gesetz sogenannte krisenbedingte Bilanzierungshilfen, die nicht wirklich helfen, sondern das Problem lediglich verschieben. Sie erlauben es den Städten und Gemeinden, Covid- und kriegsbedingte Mindererträge oder Mehraufwendungen aus dem Haushalt zu isolieren und in die Zukunft zu verschieben: in das Jahr 2026. Ab dann sind diese Beträge entweder sofort oder über längstens 50 Jahre abzuschreiben. Allein im Haushaltsjahr 2023 wird Lünen auf diese Weise knapp 28,5 Millionen Euro „außerordentliche Erträge“ isolieren. 2024 sollen mehr als 32 Millionen Euro folgen, und am Ende summieren sich all diese Krisen-Beträge aus den Jahren 2021 bis 2026 auf mehr als 180 Millionen Euro.

„Überschüsse sind Muss“

Dennoch rechnet die Lüner Kämmerei mit durchweg positiven Überschüssen im gleichen Planungszeitraum - zusammengerechnet 22,4 Millionen Euro in den Jahren 2023 bis 2026: kumulierte Überschüsse, die angesichts des riesigen Schuldenbergs aber eher einem Maulwurfshaufen gleichen. An diesen positiven Ergebnissen müsse Lünen laut Kämmerer Jethon unbedingt festhalten. „Sonst müssen wir unser individuelles Sanierungskonzept fortsetzen.“ Genehmigt die Aufsichtsbehörde den Sanierungsplan nicht, griffe das Nothaushaltsrecht -Lünen dürfte nur noch einen Bruchteil der geplanten Investitionen durchführen und keine neuen freiwilligen Aufgaben übernehmen: eine Bankrotterklärung für jeden politischen Gestaltungswillen.

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