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Keine Impfprio mehr in Lüner Praxen: „Wir sind am Rande der Kapazitäten“
Coronavirus
Seit Montag ist die Impfpriorisierung gefallen. Nun kann sich jeder für einen Impftermin bewerben. Was bedeutet das für die Arztpraxen in Lünen? Die Ärzte haben eine Bitte an die Bürger.
„Wir sind derzeit am Rande der Kapazitäten“, sagt Dr. Christian Geiping aus Lünen über den Wegfall der Impfpriorisierung. Einen extra Run gab es am Montag (7.6.) aber nicht: „Es haben sich schon vorher ganz viele gemeldet, um einen Termin zu bekommen.“ Bereits seit Ostern, als bekannt wurde, dass ab 7. Juni jeder einen Termin bekommen könnte, haben viele versucht, einen Impftermin festzumachen.
Praxen bekommen wenig Biontech
„Wir würden gerne die 16- bis 26-Jährigen impfen“, erklärt Dr. Geiping. Das Problem: Es fehlt derzeit an Impfstoff. „Diese Woche haben wir gerade mal eine Flasche Biontech für die Erstimpfungen bekommen. Alles andere wird für die Zweitimpfungen benötigt.“ In der kommenden Woche werden es voraussichtlich nur vier Dosen Biontech für die Erstimpfung sein.
Wie es genau weitergeht, kann Dr. Geiping nicht sagen. „Wir erfahren meist erst gegen Ende der Woche, wie viele Dosen von welchem Impfstoff wir für die folgende Woche erhalten“, erklärt er. Seit Ende Mai impfen Ärzte in Lünen Menschen über 60 Jahren mit dem Vakzin des US-amerikanischen Herstellers Johnson&Johnson. Bereits vorher hatte es eine große Nachfrage nach Impfterminen gegeben. Die Menge des gelieferten Impfstoffes reicht nicht, um die Nachfrage zu decken.
Bei Johnson&Johnson genügt ein Piks
Im Gegensatz zu den anderen Impfstoffen, bei denen zwei Impfungen notwendig sind, genügt bei Johnson&Johnson eine Dosis. Ein Problem ist, dass der Impfstoff von der Ständigen Impfkommission (Stiko) nur eine Empfehlung für Impfwillige über 60 Jahre erhalten hat. Zum heutigen Zeitpunkt ist Johnson&Johnson selten gefragt. Dabei sei es ähnlich gut wie Astrazeneca, erklärt Dr. Geiping. „Bei entsprechender Aufklärung kann man es aber auch an Jüngere verimpfen“, sagt er. Dabei denkt er nicht an 20-Jährige, aber bei 40- bis 50-Jährigen könne man überlegen.
Schwierig wird es, wenn Menschen, die problemlos einen Vektor-Impfstoff wie Johnson&Johnson bekommen könnten, darauf bestehen, dass sie einen mRNA-Impfstoff wie Biontech haben wollen, schildert Dr. Geiping. Diese sollte aber besser für Jüngere genutzt werden. „Die Jugendlichen haben nun über ein Jahr stillgehalten“, lobt er. „Dass sie nun rauswollen, ist klar.“ Daher wäre es ihm lieber, wenn die älteren Bürger verstärkt Astrazeneca und Johnson&Johnson nehmen würden. „Dann könnten wir das, was da ist, besser verteilen.“
Impfung ist Eintrittskarte für den Sommerurlaub
„Eine baldige Impfung könnte beispielsweise für eine Familie mit jüngeren Kindern, die im Sommer wegfahren möchte, der Eintritt für den Urlaub sein“, findet Dr. Geiping. Generell sieht er es beim Impfen ganz pragmatisch: „Jede Impfung, die wir machen, ist einer weniger, der das Risiko hat, zu erkranken.“
Die Praxen versuchen weiter eine gewisse Reihenfolge zu bekommen. Menschen, die vorerkrankt sind, sollen möglichst schnell eine Impfung bekommen. „Dabei denken wir auch an Bürger, die beispielsweise jemanden mit Erkrankungen in der Familie haben. Wenn etwa das Immunsystem geschwächt ist, ist es umso wichtiger, dass alle geimpft sind“, sagt Dr. Geiping. „Wenn etwas passiert, machen sich die, die jemanden angesteckt haben, die schlimmsten Vorwürfe.“
Arzt bittet um Geduld
Schlecht ist es, wenn jeder anruft und versucht, einen Termin zu bekommen. „Dann kommen die, die eine akute Erkrankung haben, nicht durch“, erläutert Dr. Geiping. Er bittet die Bürger, bei den Impfterminen Geduld zu haben. „Es wäre besser, noch etwas zu warten, bis man sich um einen Termin bemüht, wenn man keine Vorerkrankung hat.“ So könne man es auch akut Erkrankten leichter machen, die Praxen zu erreichen. Mit Corona-Tests sei im Alltag auch viel möglich. „Die gibt es ja zum Glück fast überall und ohne Kosten.“
Seit über zehn Jahren als freier Journalist tätig und seit einigen Jahren auch für die Ruhr Nachrichten. Ich schreibe gerne über Menschen und ihre Geschichten.
